„St.
Petersburg ist die schönste Stadt
auf dem
Antlitz der Erde.“
Joseph Brodsky
In den nächsten zwei Tagen wollen wir feststellen, ob
er Recht hat oder ob dieser Satz einem Gefühl von Heimat entsprungen
ist, denn Joseph Brodsky ist in St. Petersburg geboren.
Als morgens um 3.00 Uhr unser Wecker klingelt, hält
sich unsere Begeisterung noch in Grenzen, aber es funktioniert.
Entspannt
fahren wir durch die Vororte und breiten Boulevards über die
Aleksander-Newski-Brücke und finden gleich dahinter einen großen,
eingezäunten völlig leeren Parkplatz. Die Schranke geht auf
Knopfdruck hoch, wir ziehen eine Karte und suchen uns einen Platz. Es
ist halb Fünf, wir machen nochmal die Augen zu. Als die Sonne höher
steigt, frühstücken wir und machen uns fertig für den ersten
Stadtbummel.
Im Häuschen an der Ausfahrt finden wir einen Pförtner, der sogar Englisch spricht. Viele Jahre sei er auf Segelschiffen um die Welt gefahren, nun ist er Sechzig, Zeit nach Hause zu kommen. Autos zu bewachen ist genauso gut, wie jeder andere Job, sagt er.
Im Häuschen an der Ausfahrt finden wir einen Pförtner, der sogar Englisch spricht. Viele Jahre sei er auf Segelschiffen um die Welt gefahren, nun ist er Sechzig, Zeit nach Hause zu kommen. Autos zu bewachen ist genauso gut, wie jeder andere Job, sagt er.
Für
300 Rubel pro Tag dürfen wir hier, mit Blick auf die Newa stehen.
Ein Schnäppchen.
Gleich
um die Ecke beginnt die Prachtstraße Pieters, der Newski Prospekt,
der sich bis zur Eremitage hinzieht.
Wir
laufen also los. Die Stadt ist jetzt schon voller Menschen, die
Grünphasen der Ampeln setzen wahre Völkerwanderungen in Gang.
Und
wahrlich, hier reihen sich die Prachtbauten aneinander, geschmückt
mit reichlich Stuck und Figuren, Türmchen und Erkern, dass man
garnicht weiß, wohin man zuerst gucken soll.
Man
ist auf die Touristen vorbereitet. An jeder Ecke stehen Anreißer für
Sightseeingtouren mit Bussen oder per Schiff. Souvenirläden, Cafès
und Restaurants, die großen Modelabel und Schaufenster voller
Bernsteinschmuck locken mit Angeboten, für jeden ist etwas dabei.
Wir
belassen es beim Schauen.
Pflaster
treten macht hungrig. In einem eher schmucklosen großen Haus lädt
eine geöffnete Tür ins Souterrain. Dort finden wir ein
Selbstbedienungsrestaurant. Das Essen, wie das Lokal, ist
volkstümlich, einfach, schmackhaft und preiswert.
Gestärkt
schwimmen wir weiter mit dem Menschenstrom und gelangen zur
Eremitage. Was für ein prächtiger Bau!
Schon
immer habe ich mir gewünscht, einmal St. Petersburg zu sehen und nun
stehen wir vor diesem legendären Gebäude.
Auf
dem weitläufigen Platz wird eine riesige Bühne aufgebaut und
ebensolche Lautsprecher installiert.
Große
Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Morgen wird in der Stadt
traditionell die größte Schulabschlussfeier des ganzen Landes
stattfinden. Schon jetzt hören wir auf den Straßen und dem Platz
die ersten Bands ihr Können zu Gehör bringen.
Der
Höhepunkt dieser Feier ist jedes Jahr die Einfahrt eines großen
Segelschiffes mit scharlachroten Segeln auf der Newa. Es symbolisiert
den Aufbruch der jungen Menschen mit vollen Segeln in ihr Leben als
Erwachsene.
Wir
hatten nicht geplant an diesem Tag in der Stadt zu sein, aber nun ist
es doch spannend dabei zu sein.
Ich
zumindest habe allerdings für heute genug.
Für
den Rückweg suchen wir die nächste Metrostation. Sie fügen sich
nahtlos in die Fassaden der prächtigen Paläste, aber wir haben die
relativ kleinen Schilder schon auf dem Hinweg entdeckt.
Fahrkarten
in unserem Sinne gibt es hier nicht. Wer keine Chipkarte zum aufladen
hat, bekommt an der Kasse Jetons, die in die Schlitze an den
Schranken gesteckt werden.
Eine
Fahrt kostet 45 Rubel.
Es
dauert ein bisschen ehe wir das raus haben, aber überall stehen
hilfreiche Geister und so stehen wir bald an der langen Rolltreppe.
Tief geht es in den Bauch der Erde hinunter. Das dauert länger als
von einer Station zur nächsten.
Wir
landen in einem Tunnel mit lauter Blechtüren in gleichmäßigen
Abständen. Davor stehen Leute. Geht es hier zu den Bahnsteigen?
Nee,
wir sind schon auf dem Bahnsteig. Es rauscht und zischt, die Türen
öffnen sich und dahinter erblickt man die sich im nächsten Moment
öffnenden Türen des Zuges. Der Zug selber und die Gleisanlagen
bleiben den Blicken hinter einer Wand verborgen.
Wie
wir später feststellen, ist das nur auf der neuen Linie so. Auf den
älteren ist es wie gewohnt. Die erste Linie wurde 1955 eröffnet.
Zwei
Stationen, dann sind wir an der Newski-Brücke. Von dort sind es noch
500 Meter bis zu unserem WoMo.
Es
steht immer noch mutterseelenallein auf dem großen Parkplatz. Wir
können uns das nicht erklären. Vielleicht füllt er sich erst
morgen zur großen Party? Aber letztendlich ist es uns egal, wir
stehen hier relativ ruhig und sicher.F
Rüdiger
macht sich nochmal mit dem Fahrrad auf zu einer eigenen kleinen
Stadtrundfahrt.
Am
Sonntag beginnen wir den Tag mit ein paar Runden Metro. Die
prunkvollen Stationen, die der Reiseführer beschreibt, wollen wir
unbedingt sehen. Und wir werden nicht enttäuscht.
Von
der letzten Station, dem Leninplatz, schlendern wir vorbei am legendären Panzerkreuzer Aurora
zur Peter und Paul Festung auf der Haseninsel.
zur Peter und Paul Festung auf der Haseninsel.
Das
Highlight unserer Reise, unseres Aufenthaltes in St. Petersburg und
dieses Tages steht unmittelbar bevor.
Vor
Monaten schon haben wir Tickets gebucht für ein Konzert von Beth
Hart, einer Rock- und Blues Sängerin, die wir schon einmal vor
einigen Jahren in Deutschland erlebt haben. An diesem Sonntagabend
spielt sie in der Oktjabrska Konzerthalle.
Beth
ist in Hochform, das Konzert einfach großartig. Die elegante Dame
neben mir, die zunächst auf mich wirkt, als sei sie im falschen
Konzert und habe sich eher für die Oper ausstaffiert, kennt alle
Texte. Nicht etwa, dass sie laut mitsänge, nein, sie bewegt nur
lautlos die Lippen. Niemand in unserer Sichtweite bewegt mehr. Das
russische Publikum sitzt vollkommen still mit unbewegten Gesichtern.
Wie kann das sein? Ich kann mich kaum auf meinem Platz halten, aber
um mich herum sitzt man, als gäbe es Schumann-Lieder zu hören.
Allerdings bricht schon nach dem ersten Song frenetischer Beifall
los. Die Begeisterung ist also vorhanden, wird aber anscheinend erst
nach dem Vortrag geäußert. Das ist wohl ein Ausdruck von Respekt
und Höflichkeit.
Am
Ende wird die Künstlerin bejubelt.
Es ist
noch früh am Abend, das Konzert begann um 19.00 Uhr, und wir machen
uns auf zum Newski Prospekt um das Scharlachrote Segel nicht zu
verpassen.
Aber
es kommt anders als geplant. Zunächst ist die Strecke weiter als
gedacht. Als wir dann an dem großen Boulevard ankommen ist dort
schon richtig Party. Überall haben sich Kreise um Musiker und
Gaukler gebildet. Wir eilen vorbei, das Schiff soll um 22.00 Uhr
einlaufen.
Und
plötzlich stehen wir vor einer Barrikade.
Einen
Kilometer vor der Eremitage ist die Straße gesperrt, Einlass nur mit
Tickets. Das haben wir nicht gewusst.
Nach
einem Moment der Enttäuschung beschließen wir, das Beste daraus zu
machen und schlendern auf der temporären Fußgängerzone herum.
Es
gibt einiges zu sehen. Ein Peitsche schwingender Entertainer
unterhält das Publikum prächtig,
ein
junger Mann hat sich anscheinend gründlich in seiner Küche
umgesehen und ein Sortiment Percussion Instrumente gefunden,
ein
älterer Herr versucht mit russischen Evergreens Leute anzulocken.
Beliebt
ist ein Foto mit weißen Tauben, es gibt sogar zahme Eulen
Ein
muskulöser Typ mit Keyboard und einem Schlagzeuger hat anscheinend
eine richtige Fangemeinde. Es wird gehüpft, getanzt und vor allem
mitgesungen. Auch wenn wir kein Wort seines Sprechgesangs verstehen,
es macht Spaß dabei zu sein.
Es ist
fast Mitternacht und gerade mal dämmerig, als wir feststellen, dass
uns die Füße weh tun und es nun auch genug ist.
Die
Metro fährt an diesem besonderen Tag die ganze Nacht durch, so
kommen wir schnell und bequem nach Hause.
St.
Petersburg hat uns bezaubert, wir können uns noch nicht trennen. Wir
gönnen uns noch einen halben Tag und machen einen Streifzug durch
die historischen Warenhäuser.
Das
Gostinij Dvor, 1761-1785 gebaut, ist das Älteste. Ein Kilometer
Fassadenlänge macht es auch zum Größten. Der zum Weltkulturerbe
erklärte Bau umfasst einen ganzen Block.
Seit
1965 gibt es in seinen Mauern auch eine Metrostation. Wir fahren also
direkt dorthin und landen zuerst in der Spielzeugabteilung. Hier
finden wir endlich das lang gesuchte Modellauto des UAS Kleinbusses,
der hier liebevoll Buchanka genannt wird, was übersetzt soviel wie
Brötchen oder Brotlaib heißt. Und so sieht er auch aus, wie ein
Brotlaib auf hochbeinigen Rädern.
Robust
und mit Allradantrieb versehen, wird er seit 1965 im Uljanowsker
Autowerk fast unverändert bis heute gebaut.
Für
Rüdiger und einige Allradfreaks ein Kultauto.
Wir
kaufen die drei Exemplare die vorrätig sind und ich habe einen
strahlenden Mann an meiner Seite. Wie so oft bedarf es nicht viel, um
einen Menschen glücklich zu machen.
Wir
schlendern durch die neueste Mode und Porzellan, Schmuck und
Kosmetik, es gibt sogar eine Pelzabteilung. Auweia!
Gleich
gegenüber befindet sich die Passage. 1848 als Elitekaufhaus
gegründet, ist die Fassade eher unauffällig, nur ein kleines
Messingschild zeigt an, dass wir richtig sind.
Hinter
den Türen aber erstreckt sich eine Licht durchflutete Passage mit
Boutiken und Schönheitssalons.
Hier
gibt es Bänke mit WiFi Hotspots und Steckdosen, ein Cafè und
schlichte Eleganz. Das Licht kommt aus einem gläsernen Spitzdach.
Zum
Abschluss besuchen wir noch das Singer Haus, ein edler Feinkostladen.
Da die
teuren Häppchen uns nicht wirklich satt machen würden, gehen wir
ein paar Häuser weiter in das nächste Stolowaja
Selbstbedienungsrestaurant. Bodenständig, lecker und preiswert, das
entspricht uns schon eher.
Gestärkt
brechen wir zu unserer letzten Metrofahrt auf, dann verlassen wir am
frühen Nachmittag diese wunderbare Stadt.
Ob sie
die schönste ist, wie Brodsky behauptet, können wir nicht
beurteilen, wir haben viele noch nicht gesehen, aber eine der
schönsten auf jeden Fall.
Uns
hat sie es jedenfalls angetan und wir kommen gerne wieder.
Wir
haben nur noch fünf Tage, dann läuft unser Visum ab. Unser nächstes
Ziel ist nicht weit. Wir haben gelesen, dass man in Velikij Novgorod
eine schöne Schiffahrt machen kann.
Also
dann, begleitet uns, liebe Freunde!
Bis
dann
Doris
und Rüdiger
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