Fahre in die Welt hinaus. Sie ist
fantastischer als jeder Traum.
Ray Bradbury
Ray Bradbury
Katharina die Große holte
deutsche Siedler nach Russland, 1765 ließen sich einige davon in
Alt-Sarepta nieder. Fünfzehn Häuser des ehemaligen Kolonistendorfes
sind erhalten und heute ein Freilichtmuseum.
Eingerahmt von hohen
Neubaublöcken liegt es still in der heißen Mittagssonne. Die Häuser
bilden ein Karree in dessen Mitte sich ein Platz mit einer Stele
befindet. Ein Brautpaar posiert davor für die Hochzeitsfotos, sonst
ist kein Mensch zu sehen.
Wir wandern einmal rum um
das Karree, schauen uns die Häuser von außen an, entdecken den
Schaukasten der noch existierenden deutschen evangelisch-lutherischen
Kirchengemeinde, das Museum, das Restaurant. Alle Türen sind
geschlossen, niemand ist da.
Also ergänzen wir unsere
Vorräte im Supermarkt um die Ecke und kaufen an der Hauptstraße an
einem kleinen Stand Erdbeeren, Kirschen und Aprikosen aus dem Garten
der Verkäuferin.
Gleich daneben ist eine Kwas-Bude. Vor einigen Tagen haben wir dieses erfrischende Getränk für uns entdeckt. Also genehmigen wir uns noch einen Becher und fahren zunächst zurück nach Wolgograd.
Für die unter Euch, die es nicht wissen: Kwas wird aus gegorenem Brot gebraut und schmeckt in etwa wie Malzbier, nur nicht so süß und mit einem Schuss Zitrone. Es riecht nach Schwarzbrot und ist sehr erfrischend.
Gleich daneben ist eine Kwas-Bude. Vor einigen Tagen haben wir dieses erfrischende Getränk für uns entdeckt. Also genehmigen wir uns noch einen Becher und fahren zunächst zurück nach Wolgograd.
Für die unter Euch, die es nicht wissen: Kwas wird aus gegorenem Brot gebraut und schmeckt in etwa wie Malzbier, nur nicht so süß und mit einem Schuss Zitrone. Es riecht nach Schwarzbrot und ist sehr erfrischend.
Auf dem großen Parkplatz,
wo wir Gisela und Werner getroffen, haben übernachten wir im
Angesicht von „Mutter Heimat“.
Die nächsten anderthalb
Wochen wird uns Mütterchen Wolga begleiten. Unsere Route führt
immer parallel zu ihrem Lauf.
So fahren wir am nächsten
Tag von Wolgograd bis Kamyschin und biegen dort ab in das Dorf
Dubowka. Es rumpelt ganz schön, aber wir werden belohnt durch einen
Traumplatz auf einer Landzunge in einem der vielen kleinen
Wolgafjorde. Hier ist die Dorfbadestelle, wir stellen uns einfach
dazu, es scheint niemanden zu stören.
Der Blick ist
phantastisch.
Direkt unter uns, im
Steilufer, nisten viele Schwalbenpärchen. Zu dritt oder viert, oder
im ganzen Schwarm flitzen sie durch die Luft, manchmal nur zwei
Handbreit an unseren Köpfen vorbei. Darüber kreisen ein paar Möwen,
die lauthals lachen, als sie unsere ergriffenen Gesichter sehen. Aus
dem Wald gegenüber ruft sehr ausdauernd ein Kuckuck.
Als alle Badegäste weg
sind und die Sonne hinter dem Dorf untergeht, ist nichts zu hören,
als die Vögel, die Grillen und das Summen und Brummen der
Wiesenbewohner. Später bereichern noch ein paar Frösche das
Orchester.
Idylle pur.
Am nächsten Morgen
frühstücken wir in der Sonne – was geht es uns gut!
Das Dorf liegt still und
verlassen da, als wir an den schönen alten Holzhäusern vorbei
zurück zur Straße fahren.
In Saratow, einer modernen
Großstadt, kaufen wir ein für ein luxuriöses Abendessen.
Einmal muss es sein: Schampanskoje und Kaviar. Wir bekommen nur roten, aber das tut dem Genuss keinen Abbruch.
Einmal muss es sein: Schampanskoje und Kaviar. Wir bekommen nur roten, aber das tut dem Genuss keinen Abbruch.
Die Idee ist, in Saratow
über die Brücke nach Engels zu fahren und dort über die andere
Brücke wieder zurück zur Straße nach Samara. Die nächste Brücke
gibt’s erst in 150 Kilometern. Wir fitzen uns durch den Verkehr,
finden die Auffahrt zur Brücke, da winkt uns 100 Meter vorher ein
Polizist heraus.
Nach gründlichem Studium
der Papiere erklärt er, wir dürften nicht über die Brücke fahren.
Er erklärt es auf Russisch, leider verstehen wir soviel nicht, aber
es ist klar, wir müssen umkehren. Dann eben nicht!
Erst später, als wir über
seine Worte nochmal nachdenken, ahnen wir, dass es mit unserem
Gewicht zu tun hat, also mit dem Gewicht des Autos. Über die Brücke
dürfen anscheinend nur Fahrzeuge bis 5t fahren. Wir sind einfach zu
schwer.
Also geht es weiter auf
der P228.
Mit Hilfe von Google maps
habe ich ein Stück hinter Saratow an einem Seitenarm der Wolga einen
öffentlichen Strand ausgemacht.
Der Weg dorthin schlängelt
sich zunächst durch die schmalen Gassen eines kleinen Dorfes und
geht dann in eine Buckelpiste durch den Wald über. Er endet auf
einem winzigen Parkplatz, von dem eine marode Holztreppe hinunter zum
Wasser führt. Als ich aussteige um Rüdiger beim einparken
einzuweisen, sind meine Knöchel in Sekundenbruchteilen von Mücken
umschlossen, die auch sofort zustechen. Zeitgleich greift ein
Geschwader Hals und Nacken an. Ich wedele wild mit den Armen, was
wenig hilft. Es bleibt nur die Flucht. Der Parkplatz ist sowieso zu
klein für uns, also springe ich zurück ins Auto und wir rumpeln
zurück zur Straße.
Der zweite Versuch ist von
Erfolg gekrönt.
Jelschanka ist ein großes
Dorf mit einer geteerten Straße und einem Parkplatz an einem
öffentlichen Badestrand.
Wir stehen unter jungen
Eichen, es gibt zwar auch ein paar Mücken, aber längst nicht so
viele.
Als alle anderen Autos
abgefahren sind und wir unser Schlemmermahl beendet haben, fährt ein
VW T5 auf den Platz. Das Heck ist vollgeklebt mit Landeskennzeichen.
Sieh an, andere Reisende!
Dem Bus entsteigt eine junge Familie mit zwei Kindern.
Die Männer kommen schnell
ins Gespräch, wir werden umgehend zum Grillen eingeladen. Das wir
schon gegessen haben, gilt nicht.
Philip ist Russe, seine
Frau Lilian ist in Uganda geboren, lebt seit ihrem achten Lebensjahr
hier. Sie fühlt sich als Russin sagt sie. Vladik ist dreieinhalb und
ein liebes, aufgewecktes Bürschchen. Er bietet uns die Faltstühle
seiner Eltern an und stellt uns seinen kleinen Bruder Jakob vor. Der
ist 7 Monate alt, sitzt im Kinderwagen und lächelt mich strahlend
an.
Es wird ein sehr schöner
Abend. Wir kramen unsere paar russischen Wörter raus, Philip sein
eingerostetes Englisch, wir verstehen uns prächtig. Lilian ist
zunächst hauptsächlich damit beschäftigt, die Kinder zum Schlafen
zu bringen, erst spät setzt sie sich auch zu uns.
Philip möchte gern
nächstes Jahr in Deutschland ein gebrauchtes Wohnmobil kaufen. Er
glaubt fest an die legendäre deutsche Wertarbeit. Er lädt uns ein,
ihn, sollten wir je nach Moskau kommen, zu kontaktieren. Er sei einer
der letzten gebürtigen Moskauer. Die Meisten kommen aus allen
anderen Landesteilen, sagt er. Das kommt uns doch unheimlich bekannt
vor!
Wir tauschen die
Telefonnummern aus und bieten natürlich das Gleiche an, sollte er
nach Berlin kommen.
Am nächsten Morgen schaut
sich die Familie unser WoMo an. Lilian ist sehr angetan, Philip
begutachtet alles ganz genau, fragt nach allen technischen
Einzelheiten und Vladik klettert mit Begeisterung die Leiter hinauf
und hinunter.
Noch ein weiteres Paar
hatte gestern gefragt, ob es mal reingucken dürfe, Rüdiger machte
eine kleine Führung und dafür zeigten sie ihm auf der Karte eine
Quelle ganz in der Nähe.
Unser erster Weg nach dem
Abschied von Philip, Lilian und den Jungs, führte uns demzufolge zur
„Heiligen Quelle der großen Märtyrerin Paraskeva“, die als
Heilige der Ostkirche verehrt wird und im alten Rom gemartert und
enthauptet wurde. Sie gilt als Schutzheilige der Blinden.
Wir finden einen
Parkplatz, ein paar Stufen geht es hinunter in ein kleines Gärtchen,
dass eine Kapelle, ein Badehaus, ein Toilettenhaus und die Quelle
beherbergt.
Vor dem Kirchlein steht eine Spendenbüchse, in die wir natürlich einen Obolus stecken, im Garten picknicken einige, in Badetücher gehüllte Frauen, die uns noch einmal versichern, das Wasser sei von allerbester Qualität. Die alte Frau, die die Aufsicht führt, zieht sich in die Kapelle zurück.
Wir füllen alle
Wasserbehälter, die wir haben, einschließlich des WoMo Tanks, genau
wie viele Einheimische, die mit Autos voller leerer Flaschen und
Kanister anrücken.
Weiter geht’s auf der
großen Straße.
Bei Balakowo befindet sich
die Staumauer, die die Wolga hier zu einem See anstaut. Dort ist ein
Parkplatz eingezeichnet. Wir fahren also über den Damm, aber der
Parkplatz gehört zum Betriebsgelände und ansonsten kommt man hier
nicht an den Fluss.
Also wieder zurück.
Anscheinend brauchen wir immer einen zweiten Versuch.
An der Straße ist ein
Cafè eingezeichnet, von dem ein Fahrweg etwa fünfhundert Meter
direkt Richtung Stauseeufer führt. Wir versuchen es und finden
wieder ein schönes Plätzchen.
Eines Tages in der Zukunft
kann man wahrscheinlich Fotos machen, die den Duft und die Geräusche
des aufgenommenen Ortes wiedergeben. Leider ist es noch nicht soweit
und Ihr müsst Euch mit dem Bild begnügen.
Wir stehen neben einer
Wiese voller Blumen und ein süßer Duft nach Honig und Sommer strömt
in unsere Nasen und ins Mobil. Sieben Nasen müsste man haben!
Wir wandern den steil
abfallenden Pfad Richtung Ufer – und wandern und wandern... das
Wasser erreichen wir nicht.
Überall Steilufer.
Also kehren wir wieder um und begnügen uns mit dem herrlichen Ausblick aus unserem Fenster hoch über dem See und dem wunderbaren Wiesenduft.
Überall Steilufer.
Also kehren wir wieder um und begnügen uns mit dem herrlichen Ausblick aus unserem Fenster hoch über dem See und dem wunderbaren Wiesenduft.
Am weit entfernten anderen Ufer zieht ein Industriebau unsere Aufmerksamkeit auf sich. Was kann das sein?
Rüdiger findet die
Antwort bei Mr. Google:
„Das größte russische
Kernkraftwerk ist das in Balakowo. Es hat vier Reaktoren.“ Das ist
es also, was wir da sehen.
Unser ruhiger Abend wird
vom Rauschen der nahe liegenden Straße untermalt. Allerdings wird es
von Vögeln und Grillen fast übertönt.
Morgen geht es nach
Samara.
Bis bald, liebe Freunde,
Doris und Rüdiger
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