Donnerstag, 27. Juli 2017

1300 Stufen - und noch mehr



Im Fluss wohnen Leute,
das hört man genau.
Sie glucksen und Schwatzen
sie kichern und schmatzen.
Schimpft da nicht 'ne Frau?

Ich sitze am Ufer
schau bis auf den Grund.
Ist da nicht ein Schimmern,
ein Glitzern und Glimmern,
ein Leuchten, so bunt?

Im Fluss wohnen Leute,
auch nachts hört man sie.
Sie murmeln und flüstern,
sie raunen und wispern,
doch sie zeigen sich nie.



Hallo Leute,

die Sonne ist wieder da, die Erde dampft  und wir haben uns einiges vorgenommen.
Nachdem wir uns von Trinity und seinem sehr netten Besitzer verabschiedet haben, fahren wir weiter nach Norden. Wir wollen die Felsenkirchen von Ivanovo sehen.

Inmitten einer ausgedehnten Hügellandschaft mit Feldern, Weiden und kleinen Wäldchen hat der Černi Lom einen bis zu 100 m tiefen Canyon in die 2500 m dicke Kalksteinschicht gegraben.
Später vereint er sich mit dem Beli Lom um dann als Rusenski Lom in die Donau zu fließen.
In der Nähe des Dörfchens Ivanovo haben vor etwa 700 Jahren Mönche Höhlen in den Fels gehauen und sie als Klöster und Kirchen genutzt. 
Die Gottesmutterkirche gehört wegen ihrer schönen Bemalung zum UNESCO Weltkulturerbe. Naja, sozusagen Pflichtprogramm.
Unter einer hohen Felswand gibt es einen kleinen Parkplatz, eine Snack Bar und einen Souvenirstand. Wir stellen den Düdo ab und erklimmen die in den Stein gehauenen Stufen zur Kirche.
Die Bemalung der drei kleinen Räume ist etwas verblasst, aber noch deutlich zu erkennen und wirklich wunderschön. Sie zeigt die Passionsgeschichte und die Stifter der Kirche.



Es gibt einen Balkon von dem man einen herrlichen Blick auf den Naturpark hat.










Rüdiger hat etwas von einem Ökotrail gelesen, der am Fluss entlang führen soll. Wir suchen ihn also, finden etwas, das wie der Beginn des Trails aussieht, es gibt auch eine Karte, aber nach ein paar Hundert Metern endet der Weg im Kraut. 
Schade, wir waren in Wanderlaune.

In der Nähe gibt es aber noch eine weitere Attraktion – die Festung Červen. Auch sie ist Weltkulturerbe. 60 m hoch über einer engen Schleife des Černi Lom siedelten hier schon im 6. Jh. Flüchtlinge aus Ruŝe an, im 12. Jh. wurde dann eine Festung gebaut, die elf Kirchen, drei Paläste und viele Häuser umschloss.
Die Reste sind immer noch beeindruckend.
Wir übernachten auf dem Parkplatz neben uns rauscht und gluckert der Fluss.










Am Morgen steigen wir 238 Stufen hinauf und sind dann ganz allein zwischen den Mauerresten.


Mit etwas Phantasie kann man sich das einstige Leben hier oben gut vorstellen, durch die Straßen wandeln bis zu den Resten der großen Kirche, die mit einem Dach geschützt sind.


Immerhin zeigen sich einige der jetzigen Bewohner, die anderen können wir nur hören. Sie rascheln im üppig wuchernden Grün und summen und brummen um die Blüten, die es zahlreich hervorbringt.






 Im Canyon lebt ein wunderschönes vierflügliges Wesen, eine Libellenart, nachtblau funkelnd wie ein Edelstein, oder grüngolden schimmernd mit transparenten Flügeln, oder samtschwarz. Zahlreich umgaukeln sie uns auf dem Weg zurück.


Unser nächstes Ziel ist Šumen.
Auf dem Plateau von Šumen, hoch über der Stadt, steht das größte Monumentaldenkmal der Balkanhalbinsel, das Monument der Gründer Bulgariens.

Zunächst suchen wir uns einen Parkplatz auf dem wir auch übernachten können. Nach einigen Ehrenrunden finden wir ihn neben dem Hausmuseum Pančo Vladigerov.
Über uns ragt ein riesiger Betonturm auf, der mit hohlen Fenstern auf uns herabsieht. Daneben entdecken wir später noch einige, ebenso leerstehende Gebäude. Eine gigantische Investruine. Was das wohl mal werden sollte?


Wir schlendern durch die Fußgängerzone, die sich neben einem schönen Grünstreifen mit vielen Bäumen entlang zieht.
Šumen ist eine Neubaustadt, aber eine mit fast orientalischem Flair und sehr gemütlich. 
 



1300 Stufen führen hinauf zum Monument. Sie symbolisieren 1300 Jahre Bulgarien. Gebaut wurde es 1981 und ist noch aus 30 Kilometern Entfernung zu sehen.

Da es ein heißer Tag zu werden verspricht, stehen wir früh auf um die Stufen zu bewältigen solange es noch kühl ist.
Glücklicherweise liegt ein großer Teil im Schatten.
Oben angekommen sind wir dann doch beeindruckt. 

 
 Die riesige Gestalt des Asparuch, der der Legende nach hier sein Schwert in die Erde stieß und sagte: „Hier soll Bulgarien sein, unter diesem Himmel, auf dieser Erde.“ empfängt den schnaufenden Besucher. Gigantische Betonblöcke türmen sich rings um ihn auf mit weiteren Figuren, Reliefs und Mosaiken, die bei der Gründung Bulgariens eine Rolle gespielt haben.

Hinunter sind die Stufen fast anstrengender als hinauf und wir ruhen uns auf einer Bank in der schattigen Fußgängerzone aus.

Nur 20 Kilometer von Šumen entfernt liegt das Dorf Madara vor einer Felsklippe. In diesen Fels ließ im 8. Jahrhundert ein Khan sein Bildnis zu Pferde in Lebensgröße als Relief hauen. Es ist das einzige Monumentalrelief Europas aus dieser Zeit.
Um es zu sehen müssen wir wieder Stufen hochsteigen. Diesmal sind es „nur“ 226, wir sind ja in Übung. 

 

 In 23 m Höhe schwebt der Madarski Konnik über der Aussichtsplattform.






Auf einem beschatteten Weg gelangen wir von dort zu einigen der über 150 Höhlen, die es in den Felsen gibt. Sie wurden von den ersten Siedlern bewohnt und später als Klöster und Kirchen benutzt. 
Eine davon war für die Römer der Nymphentempel und er gilt noch heute als magischer Ort. Was man nachvollziehen kann, wenn man ihn betritt.
Wo sonst sollen Nymphen leben? Die perfekte Kulisse für Sheakespeares Sommernachtstraum. Als der Souvenirverkäufer auf der Gaita, der bulgarischen Sackpfeife, eine wehmütige Melodie spielt ist der Eindruck vollkommen. 
 
Wir reißen uns los, denn ein Wegweiser „zur Festung“ lockte uns auf die andere Seite des Reiters.
Wir folgen ihm also und stehen wieder vor endlos erscheinenden Stufen. 
 
 Wie gesagt, wir sind ja schon in Übung und so schlimm wird’s schon nicht werden. Denken wir. Auf halber Strecke wird uns klar, dass es möglicherweise noch einmal an die 1000 Stufen sind.

Mittendrin aufgeben? Kommt nicht in Frage. Mein Ehrgeiz ist geweckt. Die Belohnung ist Flugzeug feeling und die bisher spektakulärste Aussicht.

Und wir sehen von hier tatsächlich das Monument von Šumen.








Von der Festung sind nur ein paar Mauern und der Umriss eines Kirchleins geblieben.














 Die Stufen sind in den Fels gehauen, unregelmäßig, manchmal kniehoch. Runter steigen ist für mich die Herausforderung.
Aber ich schaffe auch das und sitze dann doch mit zitternden Knien im Auto.









 
Zum Übernachten wollen wir ans Meer.
Wir nehmen die Autobahn nach Varna und düsen von dort die Küste entlang bis zum Kap Kaliakra.



 Auch hier gibt es eine Festung, die sich die schmale Klippe mit dem Bulgarischen Militär teilt. Vor den alten Mauern steht – wie kann es anders sein – ein Denkmal.

Der Parkplatzwächter sagt, es sei kein Problem, wenn wir dort übernachten. Wir finden einen Platz direkt am Steilhang mit einem wunderbaren Blick auf das blassblaue Schwarze Meer.

Nach dem Sonnenuntergang leert sich der Parkplatz, die Souvenirverkäufer packen zusammen und als es dunkel ist sind wir allein.
Am Morgen wecken uns die laut lachenden Möwen.
Bevor der Besucheransturm einsetzt machen wir uns auf den Weg.
Wir suchen einen Platz an der Küste, wo wir ein paar Tage bleiben können.
Von Varna an ist alles mit Hotelburgen und Resorts zugebaut, hinter dem Kap wird es ruhiger. Bei Dobruža finden wir einen Campingplatz auf dem Gelände eines ehemaligen Pionierlagers. 

 
Das Meiste hier hat schon bessere Zeiten gesehen, aber es gibt eine Dusche und Schatten und der Strand ist nur ein paar Schritte entfernt. Zwei kleine Supermärkte und drei Restaurants sind in der Nähe – was brauchen wir mehr?
Wir richten uns ein und baden das erste Mal im Schwarzen Meer. 




Wie es zu seinem Namen kam, weiß ich nicht, aber es zeigt sich uns in den schönsten Pastelltönen, am Tage blau, am Abend türkis. Sogar den Sonnenuntergang gibt’s hier in Pastell.
Die nächsten Tage werden wir genießen.

Noch ein Wort zu den Denkmälern. Wir sind uns einig, dass wir noch nie in einem Land so viele davon gesehen haben, wie in Bulgarien. Wohin man auch kommt, irgendwo steht immer eins.
Die meisten von ihnen stehen für den Befreiungskampf von der osmanischen Herrschaft.

Wir sind jetzt fünf Wochen in Bulgarien unterwegs und, abgesehen von den Denkmälern, gibt es in diesem kleinen Land noch viel zu sehen. Es geht total entspannt zu und wir fühlen uns sehr wohl hier.
Wir sind gespannt auf jeden neuen Tag.

Seid gegrüßt und bleibt uns gewogen, liebe Freunde,
Doris und Rüdiger

Montag, 17. Juli 2017

Sonne und Regen und ein Konzert


Kindheitssommer

Über den Feldern
flirrende Hitze,
knisterndes Heu,
es summt und sirrt.
Mein Herz erinnert
gleißende Stille,
kühle Wälder,
Großmutters Hand
und den Geschmack
von Walderdbeeren
in einem
lang vergangenen Land.



Liebe Freunde,

wenn jemand denkt, wir hätten nun genug alte Häuser und schöne Dörfer gesehen, so irrt sich der. Wir können nicht genug bekommen und jedes ist ja auch ganz anders.
Deshalb fahren wir vom Troja Pass nur ein paar Kilometer nach Koprivstiĉa. Die Abfahrt ist abenteuerlich mit Flugzeug feeling.



 

Das Besondere an Koprivstiĉa sind nicht nur die Wiedergeburtshäuser aus Holz




sondern die Tatsache, dass hier am 20. April 1876 der erste Schuss zum finalen Befreiungskampf von der osmanischen Herrschaft fiel. 
 Auf der „Brücke des ersten Schusses“ erschoss ein Aufständischer einen osmanischen Polizisten.

Hoch über dem Ort thront ein entsprechendes Denkmal. Wir absolvieren also unser tägliches Treppenpensum und schauen uns das an. 

 
Koprivstiĉa hat sich, im Gegensatz zu Melnik, einen sehr ländlichen Charakter bewahrt. 
Es ist kein „Museumsdorf“, die Leute leben ihren ganz normalen Alltag mit den Touristen und teilweise von ihnen.

                                             Der Dorfplatz ist weitläufig und umgeben von hübschen Häusern.

  

 Im Park gibt es ein Freiluft Fitness Studio








und Büchertauschkisten mit bulgarischer Literatur, die wie leider nicht lesen können. 










 Wir übernachten wieder auf einem Parkplatz am Ortseingang


und können beobachten wie der Bauer gegenüber die neue Egge an den Pferdewagen hängt und so aufs Feld fährt. 
 
  

Viele schöne Details an den alten Hoftoren versetzen uns in Entzücken













 genauso wie das üppige Obst und Gemüseangebot auf dem kleinen Markt.
 
In einem kleinen Restaurant bekommen wir die an solch heißen Tagen sehr erfrischende kalte Suppe Tarator aus Yoghurt und Gurken.

Zur Erholung von der Hitze fahren wir von Koprivstiĉa an den Batak See.
Der Stausee ist von Bergen umgeben – eine tolle Kulisse.
Camping Batak liegt direkt am Seeufer und ist so wunderbar terrassenförmig angelegt, dass wir immer den Blick aufs Wasser haben. Direkt uns gegenüber liegt eine Insel, von Bäumen bestanden, auf denen sich die Kormorane und Möwen niederlassen.


 
Viele Familien mit Kindern sind hier, nicht nur Bulgaren, und zwei niederländische Jugendcamps.
Rings um den See haben Angler ihre Camps aufgeschlagen, am anderen Ufer weidet eine Pferdeherde. 
 

Wir genießen zwei herrliche Tage hier bei dem freundlichen Paar, das den Platz betreibt. Sie ist Anwältin, er war Finanzberater für eine amerikanische Firma, beide haben ihre Jobs für diese Idylle aufgegeben.
Wir waschen also mal wieder Wäsche, machen Platz für den neuen Staub, spazieren am See entlang und schauen den Anglern zu.
 
 Am letzten Abend essen wir auf der Terrasse des Restaurants „Ostrowi“ (die Insel), gleich nebenan.

Am dritten Tag fahren wir gegen Mittag noch einmal nach Plovdiv, das nur 60 Kilometer entfernt ist.
Wir flanieren durch diese sympathische Stadt und landen im Zar Simeon Park mit großen alten Bäumen, schönen Pavillons und Fontänen, entworfen 1892 von einem Schweizer Gartenarchitekten.
 Wir kommen gerade rechtzeitig um ein Konzert der „Big Band Plovdiv“ zu erleben. 

 Junge Sängerinnen von der Musikakademie singen abwechselnd und wir sind begeistert von den tollen Stimmen dieser 13 bis 16 Jährigen.




 
 

Die Spaziergänger versammeln sich schnell, besonders die kleinen Mädchen tanzen zu den heißen Rhytmen.





 Der Sommer macht am nächsten Tag eine Pause, es ist kühl und regnet. 

 
So verbringen wir meinen Geburtstag sehr geruhsam,
gönnen uns in einem Café ein Stück Torte, das nicht so süß ist wie es aussieht, aber dennoch ganz schon satt macht,
und abends ein gutes Essen in einem urigen Restaurant.




Der nächste Tag ist noch immer regnerisch, also fahren wir eine längere Strecke, bis ins Dorf Orjahovo, 10 Kilometer hinter Veliko Tarnovo, zur Trinity Rocks Farm.
Auch hier haben Engländer ein Stück Land und ein paar Gebäude erworben und einen Campingplatz integriert.

Es gibt einen Esel namens Trinity, mehrere Katzen und zwei Hunde.
Alles ist sehr gemütlich und erinnert uns ein wenig an unsere Zeit in der Kommune im Wendland. 
 
Leider können wir die schöne Wiese am Fluss nicht richtig genießen, denn es regnet in Strömen. 
 
Die Wetterseiten im Internet versprechen Besserung ab morgen – wir hoffen mal das Beste, denn wir wollen danach zu den Felsenklöstern in Ivanovo.
 
Ja, wir wissen, dass Ihr in Deutschland Euch schon eine ganze Weile mit dem Regen herumschlagen müsst und es ist nur gerecht, dass wir auch unseren Teil abbekommen.
Hoffen wir mal für uns alle auf Sonne.

Seid gegrüßt und bleibt uns gewogen
Doris und Rüdiger