Samstag, 26. November 2022

Winterreise



Die Tage sind grau, die Bäume kahl, der kalte Wind pfeift uns um die Ohren.

Lange haben wir darauf gewartet, wieder loszufahren. Nun ist es soweit.

Route und Ziel unserer Reise zu bestimmen, war diesmal nicht ganz einfach. Die Überlegungen ranken sich um ein, für uns in diesem Jahr wichtiges Datum, unseren 40sten Hochzeitstag. Mit einigen unserer engsten Freunde wollen wir diesen Tag feiern. Dass der denkwürdige Tag im Dezember liegt, macht dieses Unterfangen nicht leichter. Die Wahl des Ortes ist schon vor längerer Zeit auf Italien gefallen, genauer gesagt auf Ligurien. Auf der Südseite der Alpen hat unsere Jüngste zu einem kleinen Dorf und einer Pension eine besondere Beziehung und schlug uns diese als Location für die Party vor. Die Idee gefiel uns, alles wurde organisiert.

Nun freuen wir uns natürlich sehr darauf, haben aber nicht bedacht, dass das bedeutet, einen Teil des Winters in Deutschland bzw. Norditalien zu verbringen. Fragt uns bitte nicht, warum wir das nicht bedacht haben. Wir verstehen es selbst nicht so ganz. Das Alter?

Sehr gemächlich trudeln wir also erstmal durch Deutschland. Hier gilt es nun Stellplätze zu finden, die auch zu dieser Jahreszeit noch Ver- und Entsorgung anbieten. Unsere erste Wahl fällt auf Wittstock/Dosse. Hier waren wir noch nie und sind angenehm überrascht.



Ein wunderschönes, adrettes Städtchen präsentiert sich uns mit einer fast vollständig erhaltenen Stadtmauer.







Selbst bei niedrigen Temperaturen und zusätzlich kaltem Wind lädt sie ein, in der schönen Grünanlage, die sich an ihr entlang zieht, die Stadt zu umrunden.

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Im Inneren entdecken wir ein prächtiges Rathaus, die imposante Bischofsburg mit einem Museum zum Dreißigjährigen Krieg, einen hübschen Marktplatz und ein Kino.




Wittstock, so erfahren wir, war einst ein Zentrum der Tuchmacherindustrie. Schon im Mittelalter dominierte in Wittstock das Tuchmachergewerbe. Es bekam nochmal einen Aufschwung im ersten Weltkrieg, als hier das Tuch für die Uniformen hergestellt wurde. Im Zuge der Industrialisierung kam es dann allerdings zu sozialen Spannungen, die letztendlich den Niedergang einleiteten. Imposante Gebäude zeugen vom einstigen Wohlstand des Gewerkes.

Kino ist doch mal eine gute Idee für die langen, dunklen Abende finden wir und schauen das Programm an. Wir werden fündig. Das Kino Astor entpuppt sich als ein sehr angenehmes, ja gemütliches Lichtspieltheater. 


Der Film unserer Wahl heißt „In einem Land, dass es nicht mehr gibt“. Zum Ticket gibt es bei diesem Film ein Glas Sekt gratis. Wir fühlen uns sehr willkommen.


Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau in der DDR, die, weil sie „1984“ von James Orwell liest, die Schule verlassen und sich in der sozialistischen Produktion bewähren muss. Zufällig wird sie von einem Fotografen entdeckt, der für die Zeitschrift „Sibylle“ arbeitet. Sie gerät in die glamouröse Parallelwelt der Mode und taucht ein in die Subkultur des ostberliner Undergrounds, lernt den extravaganten Rudi kennen, der ihr den „aufrechten Gang“ beibringt und verliebt sich in den rebellischen Fotografen Coyote. Sie erlebt ein Stück der Freiheit, von der sie immer geträumt hat. Aber alles hat seinen Preis. Es ist spannend, zu erfahren, ob sie bereit ist, ihn zu zahlen oder nicht.

Nach langer Zeit mal wieder ein wirklich guter Film mit einer hochkarätigen Besetzung. Die Drehbuchautorin und Regisseurin Aelrun Goette erzählt die Geschichte, inspiriert von ihrer eigenen und wahren Begebenheiten. Das gelingt ihr sehr authentisch und ist. nicht eine Minute langweilig.


Nach Wittstock machen wir eine kurze Stippvisite bei unserer jüngsten Tochter, von dort ist es nicht weit nach Stendal.





Hier kreuzt sich unser Weg mit dem von Nichte Anja und ihrem Mann Martin. Wir verbringen einen schönen Abend beim Vietnam-Gourmet, der sogar echten vietnamesischen Kaffee serviert.




Wie haben wir den vermisst, seit unserer Vietnam Reise!   

Auf dem Marktplatz sind ein paar Adventsbuden aufgebaut. Dort gibt es als Absacker einen Glühwein.





Anja und Martin fahren zeitig am nächsten Morgen weiter, ihr Urlaub geht zu Ende. Wir haben für den Freitagabend Theaterkarten gebucht. Das Theater der Altmark führt in einem ehemaligen Kaufhaus die "Blues Brothers" auf. 



Es wird ein grandioser Abend.       Die untere Ebene des alten Uppstall Kaufhauses ist zum Theatersaal umgestaltet 



in dem mit unglaublich viel Phantasie und Kreativität die Geschichte der Brüder Jake und Elwood Blues erzählt wird. Sechs Schauspieler treten in unterschiedlichen Rollen auf, unterstützt vom Theaterchor, der mit sichtbarer Begeisterung dabei ist, und einer großartigen Band.



Die Blues Brothers rocken den Saal, denn eine der Hauptrollen spielt ja bekanntlich die Musik. Am Ende hält es das Publikum nicht mehr auf den Stühlen, 




es bekommt zwei Zugaben und in gehobener Stimmung machen sich die Zuschauer danach auf den Heimweg.




Wir verlassen Stendal am nächsten Morgen in Richtung Aschersleben.



Auch dies ist ein hübsches Städtchen, allerdings ist hier deutlich weniger los, als in Wittstock oder Stendal. Viele Häuser und Geschäfte stehen leer, der winzige Weihnachtsmarkt besteht,  abgesehen von einem Karussell, der Mini-Eisenbahn, einem Schmuckstand und einem mit Strickwaren und Spielzeug, hauptsächlich aus Glühwein- und Fressbuden. 


Wir schlendern durch die Straßen bis zur Stadtmauer. Von den ursprünglich 2,2 Km sind immerhin 1,8 Km erhalten. Ein sehr schöner Weg führt auf dem schon in den 1880er Jahren zugeschütteten Stadtgraben an ihr entlang. Wir wandern also bei schönem Sonnenschein und 10°C, an imposanten Villen und stolzen Türmen vorbei, um das Städtchen herum.











Morgen geht es weiter südwärts und zu einem weiteren kulturellen Erlebnis.

Davon erzählen wir demnächst an dieser Stelle. 

Bis bald also 

Doris und Rüdiger