Dienstag, 28. November 2017

Quellen in der Wüste



Einmal im Jahr solltest du einen Ort besuchen, an dem du noch nie warst.
                                        
Dalai Lama 
 


Genau das haben wir getan, liebe Freunde, und nicht nur einen sondern gleich zwei solcher Orte.


Nachdem wir mit Mohammed zum Abschied noch einen Tee getrunken und ein wenig philosophiert haben, fahren wir durch die Todra Schlucht. Hier waren wir zwar schon einmal, aber sie ist auch ein zweites Mal sehenswert.

Am Dorfausgang nehmen wir 6 Frauen mit, die zum Protestcamp wollen. Mohammed hat uns erzählt, dass das Problem darin liegt, dass viele der Berber keine Besitzurkunden für ihr Land haben. Ihre Vorfahren haben schon immer hier gelebt, jeder wusste, wo das Land des einen aufhört und das des anderen anfängt. Etwa die Hälfte der marokkanischen Bauern, so sagt er, hat dieses Problem, das erst wirklich eines wird, wenn es zum Beispiel um Entschädigungsansprüche geht.
Die Frauen sind fröhlich, kichern, wir lächeln uns an.
Hinter Tinerhir biegen wir auf die N-10 ab Richtung Tinejad.
Kurz vor Tinejad gibt es mitten im Nichts die Quellen und das Museum Lalla Mimouna


Hier hat der Künstler Zaïd Abbou mit sehr viel Engagement ein Freiluftmuseum geschaffen und fünf vormals vermüllte Quellen gesäubert und in Steinbecken gefasst. Er führt uns persönlich durch die Sammlung, die das Leben der Berber von der Steinzeit an zeigt, in perfektem Deutsch. Er hat in Heidelberg studiert.
Schön ist, was er hier geschaffen hat.













Zaïd erklärt und zeigt, wir dürfen alles anfassen und ausprobieren.
Spannend ist die uralte Wasseruhr.



Durch das Loch in der kleinen Schüssel dringt das Wasser ein, nach sechs Minuten ist sie voll. Das war eine der ersten Methoden die Zeit zu messen. Mit ihrer Hilfe wurde das Wasser über die Kanäle, die zum Teil heute noch existieren, auf die Felder verteilt. Der Wassermeister wusste genau, wie viele Schüsseln voll laufen mussten, bis jeder jeweils seinen Anteil Wasser auf dem Feld hatte und die Schleuse geschlossen werden musste. Für jede volle Schüssel wurde ein Knoten in das Palmblatt gemacht, damit er sich nicht verzählte. Eine verantwortungsvolle Stellung im Dorf.
Wir übernachten vor dem Museum, mal wieder weitab von allem mit einem herrlichen Sternenhimmel.



Am nächsten Morgen erzählt Zaïd noch ein wenig von seinen Plänen. Er möchte ein Bewusstsein für die Umwelt bei seinen Landsleuten entwickeln, er möchte die marokkanischen Traditionen bewahren für die Marokkaner und die Touristen, damit sie ein authentisches, schönes Land bereisen können. Wir sind beeindruckt.
Herzlich verabschieden wir uns, wünschen ihm Erfolg für sein Vorhaben.
Dann geht es weiter auf der R-704 ostwärts.
An der Straße stoßen wir auf eine Reihe seltsamer Lehmhügel, die in der Mitte ein Loch haben. 


Rüdiger erinnert sich, sowas haben wir schon mal in Algerien gesehen. Dort heißt es Fogara, ein unterirdisches Bewässerungssystem. Die Löcher sind der Einstieg für die Arbeiter, die die Kanäle sauber halten. Früher waren das Sklaven, später die Dorfbewohner selbst. Die Kanäle sind oft Kilometerlang, die Systeme uralt, aber zum Teil noch heute in Betrieb. Hier in Marokko nennt man sie Ketara.

  
Wieder nehmen wir ein paar Anhalter mit. Die Orte hier liegen weit auseinander und die Busse fahren selten.
Den freundlichen alten Herrn lassen wir in Hassi Labied raus, hier endet unsere Fahrt für heute.
Schon ein Stück vor dem Dorf tauchen die ersten Dünen auf, je weiter wir fahren umso größer werden sie. 

 
Erg Chebbi. Der zweite Ort an dem wir noch nie waren.
Vor der Auberge „Haven la Chance“ spricht uns Hassan an. Wir sind noch unentschlossen, er bittet uns – auf Deutsch – doch wenigstens mal zu schauen. Na gut. Was wir dann sehen überzeugt uns, für ein paar Tage hier unser Lager aufzuschlagen. Ein kühler Speisesaal, ein grüner Innenhof mit Pool, ein Stellplatz für Wohnmobile direkt an den Dünen.



Wir sind allein auf dem großen Areal. Einige Wohnmobile kommen Anfang Dezember sagt Hassan, die meisten erst im Januar, Februar.
Von hier starten viele Kameltouren, man kann Quads ausleihen. Hassan erzählt uns beim obligatorischen Begrüßungstee, dass neuerdings die größte Gruppe Touristen aus China kommt. Wir sind erstaunt. Die haben doch selber Wüste. 

 
Später erleben wir dann tatsächlich eine Gruppe von etwa 25 Chinesen, die zuerst eine lautstarke Fotosession mit den Kamelen veranstalten, bevor sie sie besteigen und die Dünen hinauf reiten. Mehrere andere Touristenkarawanen sind ebenfalls unterwegs, eine Gruppe belgischer Quadfahrer knattert die Sandhänge hinauf – Massentourismus in der Sahara.
Am Abend kommt der Gärtner Yussuf zu uns heraus, zeigt mir wie die kleinen Palmen bewässert werden. 



Später erscheint Hassan mit dem Chef, einem Berber, der in Spanien lebt, wir werden noch einmal zum Tee eingeladen. „Whiskey Berber“ sagt er lachend. Wir plaudern, lachen viel und der Chef erzählt einen Witz, der das typisch Marokkanische zeigen soll:
Ein Deutscher, ein Amerikaner und ein Marokkaner bekommen die gleiche Frage gestellt: Wie lange dauert es in Deinem Land, einen Verbrecher zu fangen?
Der Deutsche sagt: wir sind effizient, wir brauchen dafür nur 48 Stunden.
Der Amerikaner sagt: wir haben die besten Informationen, bei uns ist er nach 24 Stunden gefasst.
Der Marokkaner erklärt: Wir kennen unsere Leute, wir fassen ihn schon 48 Stunden bevor er das Verbrechen verübt hat.“
Sie sind sich einig, dass der König und die Regierung eine gute Politik machen.
Hassan berichtet, dass hier in der Gegend die Touristenzahlen eher gestiegen sind seit dem letzten Jahr. Viele junge Leute kommen, um die Dünen zu erleben, leider eben auch mit den lauten Fahrzeugen, die seiner Meinung nach nicht in die Wüste gehören. Sie zerstören die Stille. In die Wüste geht man mit dem Dromedar.
Ein traumhaftes Abendrot beendet den Tag.



Wir sind gespannt auf die nächsten...
Ihr auch? Wir lassen Euch gern teilhaben.


Bis bald also
Doris und Rüdiger

Donnerstag, 23. November 2017

Es fühlt sich so vertraut an



Wir sprachen von fernen Küsten,
Vom Süden und vom Nord,
Und von den seltsamen Völkern
Und seltsamen Sitten dort ...
Heinrich Heine




Da sind wir nun also wieder in Marokko, liebe Freunde. Es fühlt sich so vertraut an, als wären wir nur ein paar Tage weg gewesen.


Alles verlief schnell und reibungslos. Die Fahrt nach Los Barrios zu Carlos' Ticketbüro, wo es zur Fahrkarte wieder Kuchen und Wein gab, die Überfahrt auf der fast leeren Fähre,



 die Abfertigung im Hafen Tanger Med.



Wir wollen Tetouan sehen.
Die Strecke vom Hafen ist spektakulär mit herrlichen Aussichten. Von hoch oben können wir zurückschauen auf Spanien.


Der zugegeben nicht topaktuelle WoMo Führer weist auf einen Parkplatz in Tetouan hin, auf dem man stehen kann. Für eine Nacht wäre das ideal. Leider erwartete uns eine Enttäuschung. Der Parkplatz existiert nicht mehr. An seiner Stelle befindet sich jetzt ein schön gestalteter Platz mit Brunnen. Wir stecken im Gewirr der Gassen, uns bleibt als Rückweg nur die Möglichkeit mitten durch den Souk zu fahren. Freundlich wird uns Platz gemacht.
Wohin nun? Uns fällt der Badeort Martil ein, ganz in der Nähe. Dort waren wir im Januar bevor wir nach Spanien übersetzten.
Der Campingplatz ist schnell wiedergefunden, er ist fast leer. Ein Platz an der Sonne zum aussuchen, eine heiße Dusche, hundert Meter zur Strandpromenade, was will man für den Anfang mehr?



Abends essen wir in der Gasse mit den Fisch- und Gemüseständen,

am nächsten Tag finden wir einen Laden, in dem wir eine SIM Karte von der Maroc Telecom bekommen. Nun sind wir auch wieder mit Familie und Freunden verbunden. Wir sitzen im Cafè an der Straße und schauen dem Treiben zu. Wir sind angekommen.


Weiter geht es Richtung Süden auf der N-13. Auch diese Strecke hält jede Menge spektakulärer Aussichten bereit. Durch das Rif Gebirge fahren wir, lassen Chefchaouen links liegen und passieren bergauf, bergab die unendlich vielen Kurven. Die Straße ist stark befahren, vor allem von LKWs, die tiefe Spurrillen hinterlassen haben, was das Fahren zusätzlich sehr anstrengend macht. Hinter Ouezzane wird es weit und hügelig und gigantische, frisch gepflügte Felder erstrecken sich bis zum Horizont. 

 
An der ganzen Strecke ist die Olivenernte im Gange. Männer schlagen mit langen Stangen die kleinen Früchte von den Bäumen, Frauen und Kinder lesen sie von den unten liegenden Planen auf. Vor den Ölmühlen liegen diese dann in großen Bergen und warten auf ihre Verarbeitung.
Mandarinen und Granatäpfel werden an der Straße feilgeboten.
Kurz vor Meknes sind wir total k.o. und schwenken kurzerhand zum Campingplatz Belle Vue ein.
Schön angelegt in Terrassen bietet er einen weiten Blick über die Ebene, wenn man durch die Olivenbäume durchlinst. 

 
Wir stellen uns unter einen der voll hängenden Bäume und haben sofort Besuch. 


Auf jedem Marokkanischen Campingplatz gibt es Katzen. Diese hier betteln besonders hartnäckig, aber wir haben nichts, das wir ihnen geben könnten, außer einem Schälchen Milch mit Wasser und etwas Brot. 

 
Am nächsten Tag geht es weiter durch Meknes bis Azrou, von dort auf die N-8 und dann hinein in die Berge.
Am Schwimmbad hoch über Tioudirine treffen wir die erste Horde wild lebender Berberaffen. Sie sind scheu aber neugierig.





Die kurvenreiche Strecke führt durch Zedern- und Steineichenwälder und weite kahle Täler in denen Nomaden in Plastikzelten leben. Immer wieder überqueren ihre Schafherden die Straße.




Diese zwei haben absolut die Ruhe weg.




Dann erreichen wir die Quellen des Oum-er-Rbia, des größten Flusses von Marokko. Eine der Quellen ist salzhaltig, es sieht aus, als sei hier schon Schnee gefallen.







An den Straßenrändern gluckert auf der ganzen Strecke Wasser in gemauerten Kanälen oder einfach in kleinen Bächen.

An einer Baustelle müssen wir warten und entdecken dabei ein Filmcamp. Die Berge bilden anscheinend die perfekte Kulisse für den Dreh.

Die Sonne steht schon ziemlich tief und wir suchen uns auf einer kleinen Ebene an der Straße einen Platz für die Nacht.


Nach Einbruch der Dunkelheit ist es hier absolut still, kein Laut ist zu hören, über uns funkeln Myriaden von Sternen.


Bis Khenifra sind es etwa 30 Kilometer.
Überall an der Straße sehen wir Anhalter. Es gibt Sammeltaxis, aber die kosten Geld und es ist fast selbstverständlich dass, wer Platz hat, jemanden mitnimmt. So nehmen wir ein Paar mit in die Stadt. Die junge Frau und ich sitzen hinten. Wir erzählen uns mit Händen und Füßen von unseren Kindern, denn sie spricht nur Berber, kein Französisch. Trotzdem erfahre ich, dass sie zwei kleine Kinder hat, die bei der Oma im Dorf sind, während sie mit ihrem Mann in der Stadt ist. Die meiste Zeit jedoch lächeln wir uns an.
Wir bleiben auf der N-8 bis Zaoua-ech-Cheikh, dann biegen wir ab in den Hohen Atlas. Das Vorgebirge erstreckt sich bis El-Ksiba, von dort führt die R-317 direkt hinauf auf den ersten Pass. Die Landschaft ist unglaublich schön in ihrer Kargheit. Bis Cherket ist die Straße neu, breit ausgebaut, es fährt sich trotz der Kurven und Anstiege gut. Ab diesem Punkt wird gebaut. 


Die Baustelle ist viele Kilometer lang und befindet sich in den unterschiedlichsten Stadien. An einigen Stellen werden nur noch die Ränder befestigt oder gesäubert, an einigen wird der alte Belag aufgebrochen, an wieder anderen gerade erst der Berg abgetragen. Dort liegen die riesigen Steinhaufen noch auf der halben Fahrbahn, es geht mühsam voran, vor allem auf den Schotterstrecken. Wir fahren durch eine einzige Staubwolke.




Der nächste Pass ist auf 2351m,

 dann erreichen wir den Lac de Tizlit. Eine blau leuchtende Wasserfläche inmitten dieser kargen ockerfarbenen Berge. 





An seinem Ufer liegt die Auberge Tizlit.
Sie wird von einer älteren Frau betrieben, die uns herzlich begrüßt und zum Tee einlädt. Gleichzeitig mit uns ist eine junge Frau angekommen. Zu Fuß. Sie wirkt verfroren und verhärmt. In dem großen Zimmer mit dem Ofen kommen wir ins Gespräch. Sie kommt aus Berlin-Marzahn und ist allein zu Fuß unterwegs. Sie hat keinen Pass, erzählt eine etwas wirre Geschichte über dessen Verbleib in einem anderen Ort. Unser Angebot, sie irgendwohin mitzunehmen, lehnt sie ab, sie will ein paar Tage hier ausruhen. Malika, unsere Wirtin ist nicht begeistert, befürchtet Probleme.
Sie schenkt mir ein paar Tomaten und Äpfel aus ihrem Garten. Sie sagt, es sei wenig Wasser im See dieses Jahr, alles vertrocknet und es sei schon sehr kalt. Sie verdiene nicht viel, es kommen wenig Touristen. Ihr Anmeldebuch belegt das deutlich.
Sie erzählt von drei Söhnen, zeigt Fotos von ihnen und den Enkeln auf ihrem Handy. Ihr Mann hat psychische Probleme, ist seit fast 10 Jahren in Meknes in der Psychiatrie. Es ist ein hartes Leben hier oben. 

 
Am nächsten Morgen zeigt unser Thermometer -3° Außentemperatur, innen sind es 6°. Nur gut, dass unsere Heizung hier auf 2300 m funktioniert, wenn auch mit verminderter Leistung. Zusammen mit der aufsteigenden Sonne schafft sie es zum Frühstück bis auf 15°. Malika weckt sie uns mit frisch gebackenem Brot, das köstlich schmeckt.




Nach dem Frühstück verabschieden wir uns herzlich. Am Wochenende wird sie nach Casablanca fahren, ihre Schulter operieren lassen. Wir wünschen ihr alles Gute.







Kurze Zeit später erreichen wir den höchsten Punkt, den wir je mit einem Auto gefahren sind, den Pass Tizi Tirherhouzine auf 2706 m. Der Düdo stößt schwarze Wolken aus, trotzdem bewältigt er die Höhe erstaunlich gut.



Es ist eine wahre Mondlandschaft, karg und lebensfeindlich – und doch gibt es Leben hier oben. Schafherden weiden an den kahlen Hängen, in den Tälern bestellen Bauern mühsam ihre Felder. 

 
Esel und Maultiere sind oft das einzige Transportmittel.







Bis Tamtattouchte ist es nicht weit. Die Auberge „Les Amies“ hat sich in den fast 9 Jahren seit wir hier waren äußerlich nicht verändert. 
Mohammed ist ein wenig älter geworden, begrüßt uns aber genauso herzlich auf Deutsch und mit köstlichem Tee wie damals.
Was im Innern 2008 eine Baustelle war ist zu einem wunderschönen, gemütlichen Gastraum geworden. 


 Er zeigt uns eines der fertigen Zimmer. Wenn wir nicht unsere Betten dabei hätten, kämen wir glatt in Versuchung...
Mohammed erzählt, dass die Zahl der Gäste seit 2011 stetig
abnimmt, alle Herbergen sind leer. Weiter unten in der Schlucht bauen die Franzosen einen Staudamm, berichtet er, bald ist hier alles überflutet. Die Einwohner demonstrieren jeden Tag, um wenigstens eine Entschädigung zu erhalten. Nichts ist gewiss. Vielleicht bleiben ihnen noch ein paar Jahre. Inscha'a Allah. 


 
Abends heizt er den Kamin für uns an,  






 serviert Suppe und Tajine 
a la maison mit Hackfleisch und Quitten. Köstlich.


Den Tee gießt Rüdiger schon ein wie ein Marokkaner. 
Als Extra gibt es anschließend noch eine kleine Arabisch-Lektion von Mohammed.

Seine Katze ist sehr zutraulich. Sobald ich sitze, lässt sie sich auf meinem Schoß nieder.







Von hier werden wir morgen weiter Richtung Süden fahren, zu den Dünen des Erg Chebbi.






Wir nehmen Euch gerne mit.


Bis dann also
Doris und Rüdiger