Mittwoch, 21. März 2018

Das Land der Wunder



Ziehende Landschaft


Man muss weggehen können
und doch sein wie ein Baum:
als bliebe die Wurzel im Boden,
als zöge die Landschaft und wir ständen fest.
Man muss den Atem anhalten,
bis der Wind nachlässt
und die fremde Luft um uns
zu kreisen beginnt,
bis das Spiel von Licht und Schatten,
von Grün und Blau,
die alten Muster zeigt
und wir zu Hause sind,
wo es auch sei ...

Hilde Domin



Liebe Freunde,
wir gehen mal davon aus, dass Ihr uns alle Daumen gehalten habt. Das hat zumindest insofern genutzt, als dass tatsächlich am nächsten Mittag eine neue alte Stange für die Kardanwelle neben der abgebrochenen liegt.

Der Chef misst für uns nochmal nach – passt!

Obwohl es regnet, legen sich die beiden jungen Mechaniker unter den Düdo und bauen die Stange ein. Der Lehrling flitzt nach Werkzeug.

Dann setzt sich der Chef auf den Fahrersitz und macht mit uns eine Probefahrt. Es läuft gut, aber …. die Bremsen. Ich traue meinen Ohren kaum. Er sagt, die Bremsen sind nicht wirklich gut,

fährt uns auf den Hof der Werkstatt und wieder wird geschraubt.

Der Hauptbremszylinder wird ausgebaut und der Werkstattleiter zaubert einen weiteren neuen alten aus dem Hut. Das Problem besteht anscheinend an den Verbindungen der Bremsleitung zu besagtem Teil. Der Chef fährt mit der Leitung davon, kommt nach etwa 2 Stunden wieder. Die Mechaniker haben genug Arbeit, wir warten.
Alles wird wieder eingebaut, professionell an den Radbremszylindern entlüftet, Bremsflüssigkeit eingefüllt – wir haben ja noch genügend davon – und auf geht’s zu einer weiteren Probefahrt. Ganz zufrieden ist er nicht, aber bis nach Hause sollten wir kommen, sagt er.
Inzwischen ist es wieder Abend geworden, wir haben den Tag mit warten verbracht und haben nun Hunger. Unser Stadtplan sagt uns, wir sind nicht allzu weit von der Medina entfernt, also machen wir uns auf den Weg. Eine Straße mit Läden und Werkstätten führt bis zu einem der alten Stadttore.


Es geht ruhig zu, hierher kommen normalerweise keine Touristen. Ein paar Schritte hinter dem Tor sind wir auf einer quirligen Geschäftsstraße, finden eine Garküche, bekommen Suppe (Harira), Bruchettes und salade mixte.

Auf dem Rückweg merken wir, dass trotz „nur“ warten und gefahren werden, die letzten Tage anstrengend waren.
Bis Fès ist es nicht weit und so lassen wir uns am nächsten Morgen Zeit.
Wir fahren Autobahn und werden gut bewacht. Auf jeder Brücke stehen zwei uniformierte Wachen.
Als wir uns der Stadt nähern, sind auch an den Auf- und Abfahrten und an jeder Kreuzung Polizeikräfte postiert. Aus diesem Aufgebot folgern wir, dass der König erwartet wird.
Wir werden jedenfalls erwartet – von Ute und Jan auf dem Campingplatz „Diamant vert“. Sie haben die Stadttour für den nächsten Tag organisiert und für uns gekocht.
Ihr seid großartig, ihr Beiden!


„Al Maghreb nennen wir unser Land, was soviel bedeutet wie 'Land der Wunder' oder auch 'Westen'. Marokko ist der Name den die Europäer benutzen.“ erklärt uns Nordin, unser Guide. Er führt uns durch Fès und erzählt viel über die Königsdynastien und die Geschichte der Stadt. Man merkt dass er stolz ist ein Fassi zu sein, einer, der in Fès geboren ist.
Er hat uns mit einem Taxi vom Campingplatz abgeholt, es geht zuerst zum Königspalast (nur von außen zu besichtigen),

dann hinauf zur ehemaligen Burg, von wo wir einen grandiosen Blick auf die älteste Stadt Marokkos haben.

Es stürmt und ab und zu geht ein Schauer nieder, wir lassen uns nicht abschrecken.

Fès ist berühmt für seine Handwerkskunst.
Das Taxi bringt uns in eine Töpferei, wir bekommen gezeigt und erklärt, wie die berühmten Kacheln und Mosaiken hergestellt werden

und natürlich gibt es einen großen Verkaufsraum. Schöne Sachen gibt es hier und einen Rabatt für Kunden mit Reiseführer – wir brauchen trotzdem nichts.

Weiter geht es zur Medina. Das Tor  wie aus sieht aus wie aus 1001 Nacht,

tritt man durch nehmen einen die engen Gassen des Souk gefangen.


Nordin stürmt voran, muss aber immer wieder stehen bleiben, weil er Freunde und Bekannte trifft. Wir halten an „dem einzigen Minarett der Welt, dass nicht zu einer Moschee gehört“, sondern zu einer Madrassa, einer Koranschule. Wir dürfen gegen ein geringes Entgelt in den Innenhof, die schönen Mosaike und Schnitzereien bewundern.




Nächste Station ist eine Weberei. Ein junger Mann erklärt in bestem Deutsch Webstuhl,

Material und Verarbeitung. Wir dürfen probieren wie fest und haltbar die Agavenfasern sind, aus denen die glänzenden Teile der Stoffe bestehen. Wunderschöne Dinge werden aus diesen herrlichen Stoffen gemacht. Aber wie viele davon kann man gebrauchen?

Die Gassen werden immer schmaler, immer mehr Menschen tummeln sich, es ist Sonntag, die Leute haben Zeit zum bummeln.
Nordin erklärt und weist auf besonders schöne architektonische Details hin.




Das Mausoleum eines Heiligen befindet sich mitten im Gassengewirr ebenso wie die Pilgerstätte senegalesischer Gläubiger.

Durch die Fleischergasse geht es zur Gewürzgasse von der die Kräutergasse abzweigt, dann kommen wir an den Kleiderläden vorbei in denen aufwendige Festtagsroben ausgestellt sind.

Nach 4 Stunden sind wir alle etwas fußlahm, aber nun kommt der Höhepunkt der Führung – das Gerberviertel.
Ein schmaler Hauseingang, eine ebenso schmale Treppe, drei Stockwerke hinauf, dann stehen wir auf einer überdachen Terrasse von der aus man hinunter schauen kann auf die aus Lehm gemauerten Bottiche der Gerber und Färber.
Wieder hat Nordin uns an einen Deutsch sprechenden Führer weitergereicht, der uns erklärt, dass hier keine Chemie verwendet wird. Die Felle werden mit Taubenmist und Kalk gegerbt, gefärbt wird mit Henna, Eichenrinde und Indigo für das berühmte Fès-Blau.



Er führt uns vor, woran man natürlich bearbeitetes Leder erkennt, wirbt mit Maßanfertigung von Lederkleidung in kürzester Zeit und wieder gehen wir durch Räume voller wunderschöner Dinge, die wir nicht brauchen.


Fünf Stunden sind vergangen, wir sind geschafft. Das Taxi bringt uns zurück zum Campingplatz.
Nach einer angemessenen Ruhepause nehmen wir im Restaurant unser Abschiedsessen ein. Es gibt noch einmal Bastilla und Couscous, beides köstlich.


Am nächsten Morgen fahren Jan und Ute an die Atlantikküste, wir düsen Richtung Mittelmeer nach Martil.
Die Strecke verwöhnt uns noch einmal mit einer grandiosen Landschaft, die geradezu idyllisch zu nennen ist. Satte grüne Wiesen und Felder, Schafherden, Alleen.



Lehmfarbenes Wasser wälzt sich durch die Flüsse, auf den Feldern stehen große Pfützen, die Stauseen treten fast über die Ufer. Zum Schmelzwasser aus den Bergen kam wohl noch reichlich Regen.

Unterwegs tritt unser altes Problem wieder in Erscheinung – die Bremsen. So langsam nervt es nicht nur, es macht uns Angst. Die Strecke ist zum Teil sehr bergig, Rüdiger ist froh, dass wir die Motorbremse haben, aber im Stadtverkehr von Tetouan, wo wir auch noch einige Umleitungen durch enge Straßen fahren müssen, schwitzt er Blut und Wasser. Mal bremst sie, die Bremse, mal nicht.
Wir sind erleichtert, als wir auf dem Campingplatz ankommen.
Wieder stürmt und regnet es, aber am nächsten Morgen kündigt die Sonne den Frühling an.

Unsere Zeit in Marokko geht zu Ende. Wir gönnen uns einen Tag in Martil zum entstauben und ausruhen, dann verlassen wir das Land der Wunder.
Fünf Monate waren wir hier, haben viel gesehen und erlebt viele liebenswerte Menschen kennengelernt und wiedergetroffen.
Einen Teil dieser Reise haben wir in Werkstätten verbracht.
Nach all der Aufregung und den technischen Problemen haben wir nun einen folgenschweren Beschluss gefasst:
wir trennen uns – von unserem Düdo.
Es fällt uns nicht ganz leicht, wir lieben ihn durchaus, zumal wir inzwischen jede Schraube persönlich kennen, aber nach intensiven Diskussionen sind wir zu einem grundsätzlichen Schluss gekommen: der Grund für unseren Ausstieg war nicht, dass wir mit alten Autos unterwegs sein wollen, das hatte sich eher zufällig so ergeben, der eigentliche Grund war, wir wollen reisen. Daran hat sich nichts geändert. Wir wollen unsere Zeit und unsere Energie nicht damit verbringen, Werkstätten und Ersatzteile zu suchen, für Autos die cool sind, aber alt. Für die meisten von ihnen ist es schwer, wenn nicht unmöglich, welche zu bekommen.
Die nächsten Reisen die wir geplant haben, werden an sich schon aufregend genug, da brauchen wir das nicht auch noch. Ja klar, man kann es als Teil des Abenteuers betrachten. Wir haben keine Lust mehr darauf.
Wir werden also mit unserem goldenen Schmuckstück nach Hause fahren und uns nach einem neuen Reisefahrzeug umsehen.
Wer Lust auf unseren Düdo hat kann sich gern bei uns melden.

Wir werden Euch weiter auf unsere Reisen mitnehmen, egal mit welchem fahrbaren Untersatz wir unterwegs sind.

Bis bald also, liebe Freunde, bleibt uns gewogen
Doris und Rüdiger

Donnerstag, 15. März 2018

Panne mit Aussicht





Ein Leben lang


Kennst du das Lied des Wasserfalls,
die Stimme seines Widerhalls?
Weißt du, wie melodiös er rauscht,
wenn man nicht nur mit Ohren lauscht?

Es gibt auf Erden ein paar Stellen
mit wundersamen Wasserfällen,
mit einem Rauschen, das betört
und das ein Leben lang man hört.


Alfons Pillach





Taza, liebe Freunde, ist ein ganz reizendes, liebenswertes Städtchen. Wir finden einen Parkplatz direkt an der Medina vor einem Cafè.
Wir schlendern durch den Souk und können es kaum fassen, niemand spricht uns an, wir können uns in Ruhe umschauen. Das ist uns hier in Marokko noch nicht passiert.
An einer Garküche locken uns die aufgespießten kleinen Würstchen. Der Chef erklärt uns, das sei eine regionale Spezialität, die es nur hier gäbe. Das müssen wir probieren.
Er steckt die daumenlangen Dinger in Brothälften, gibt Gewürze und Sauce drüber und serviert auf Papier, wie allgemein üblich. Sie schmecken großartig.

Dann geraten wir in die Handwerkergasse.
Hier wird unter einfachsten Bedingungen gearbeitet.

Die Männer wundern sich, jemand wie wir verläuft sich wohl selten hierher. Ein Metallarbeiter präsentiert stolz seine Arbeit.


 
Wir kaufen Oliven und Gemüse. Der Olivenmann ist ausgesprochen nett, die Gemüsefrau gibt Tipps, was alles in eine Tajine maroccain gehört.
Wir laufen dem Duft nach gebrannten Mandeln nach und landen in einer Patisserie, erstehen Gebäck für die nächsten Tage.
Weiter geht es Richtung Nationalpark.
An einem Wasserfall soll es ein Restaurant geben, auf dessen Parkplatz man über Nacht stehen kann. Sagt unser Reiseführer.
Wir finden alles, wie beschrieben und die netten Parkplatzwächter weisen uns einen Platz mit schöner Aussicht zu.
Es ist kaum zu glauben wie viel Wasser hier den Berg herunter rauscht. Bisher haben wir Marokko eher als trockenes Land erlebt, hier ist Wasser in Hülle und Fülle.
Überall rauscht und gurgelt es.



Am Nachmittag kommen Ausflügler hier herauf, aber gegen Abend wird es ruhig.
 



 




Wir haben bei Rachid, dem Wirt, Tajine bestellt, worauf er die Bestellung sofort an seine Frau weitergibt. 


 
Wir sitzen auf der Terrasse mit wunderbarem Ausblick auf Taza, 

die Tajine ist echte Hausmannskost.



Die Nacht ist ruhig und friedlich, am Morgen, gegen 7.00 Uhr wecken uns Kinderstimmen. Der Parkplatz liegt direkt neben der Schule.


Was dann folgt, ist die spektakulärste Strecke dieser Reise. Eine unglaubliche Landschaft zieht sich um den Djebel Tazzeka (1980m) herum.


Steil fallen die Hänge in schmale Täler, unten glänzen Flussläufe, immer wieder rauschen Wasserfälle hinab. Die R507 ist mal Teerstraße, mal Schlammweg, mal Piste, kurvig und steil.





Wir kommen im 30 Km/h Tempo voran. Je höher wir kommen, umso mehr Schneereste säumen die Straße.


Und dann... rumpelt und poltert es, Rüdiger fährt schnellstens an den Straßenrand, hält an und krabbelt unters Auto. Da liegt sie, unsere Kardanwelle.


Das war's dann wohl.
Was macht man in so einer Situation, mitten in den Bergen?
Genau. Man ruft den ADAC an. Der junge Mann in München verspricht, die Sache an die Filiale in Marokko weiterzugeben. Kurze Zeit später ruft mich die dortige Mitarbeiterin an. Erstmal scheint es schwierig uns zu orten.
Bouyablane, das 19 Kilometer entfernte Dorf, ist anscheinend auf keiner Karte verzeichnet. Unser Tablet zeigt aber die Koordinaten, damit ist dann beim Autoverein unser Standort klar. Nun muss ein Abschleppwagen gefunden werden, der unsere 6 Tonnen bewegen kann. Es ist schon Nachmittag, heute wird das nicht mehr. Also stellen wir unsere Warndreiecke auf, machen unsere definitiv letzte Flasche Wein auf und richten wir uns für die Nacht ein.

 
Immerhin haben wir von hier eine grandiose Aussicht auf den verschneiten Gipfel des Djebel Tazzeka.

Seit Stunden stehen wir hier an der Straße. In der ganzen Zeit sind zwei Ziegenhirten mit ihrer Herde, ein Mann mit zwei Eseln, ein PKW, ein Motorrad und ein deutscher IVECO vorbeigekommen. Die IVECO Besatzung hält an, fragt, ob sie helfen kann. Das ist lieb, aber – nein, danke, Hilfe ist unterwegs. Nach kurzem Plausch fahren sie weiter.
Wolken ziehen über die Schneegipfel, der Wind frischt auf, dann wird es stockfinster.
Wird morgen alles gut?


Die Nacht ist voller Sterne und ohne einen Laut.
Der Morgen zeigt sich mit rosigen Wolken, die sich bald verdichten. 

 
Gegen halb Neun ruft die nette Dame vom ADAC an, der Fahrer des Abschleppwagens fände uns nicht. Wir erklären nochmal genau wo wir sind. Eigentlich gibt es nur die eine Straße.  
Wir warten also.
Eine Stunde später kommt er im Schlepptau des IVECO. Uwe und Angelika haben ihn morgens gesehen, etwas später noch einmal. Leer. Das wunderte sie und sie hielten ihn an. Eh sie ihm den Weg erklärten, fuhren sie kurzerhand vorneweg und da sind sie nun. Großartig, Ihr Beiden. Nochmal herzlichen Dank!


Wir werden also aufgeladen und los geht’s.

 
Über mehrere Stunden fahren wir nun die Runde zu Ende, die wir eigentlich allein vorhatten.
Die Landschaft bleibt spektakulär, der Fahrer schweigsam.


 Ein Stück fahren Uwe und Angelika noch hinter uns her, dann verabschieden sie sich, biegen ab auf eine andere Strecke.



Aber er weiß anscheinend was er tut. Er spricht kein Arabisch, kein Französisch, schon gar kein Englisch. Er dreht das Radio an und fährt Stunde um Stunde obwohl er ja schon lange unterwegs sein muss. Er ist aus Mekness hierher gekommen. Ab und zu telefoniert er mit dem ADAC, der Werkstatt, wem sonst noch.


Pausen gibt es nur, um die Gurte nachzuziehen, mit denen der Düdo befestigt ist.


Als wir die N6 erreichen, beginnt es zu regnen. Gegen 15.00 Uhr kommen wir in Mekness an der Werkstatt an.


 Er lädt uns ab,


wir stehen noch nicht ganz, da ist schon jemand am schrauben. Der Chef der Werkstatt „Diamant“ versichert uns (in Englisch) man bekäme das hin.
Er packt die ausgebaute Kardanwelle ein und fährt los, einen Ersatz suchen.


Wir stehen vor der Werkstatt auf der Straße, gegenüber ist ein Cafè / Restaurant, wo Rüdiger gleich mal nen Tee trinken geht. So kann ich Euch auf dem Laufenden halten.
Irgendwann kommt der Werkstattchef und teilt uns mit, dass er in Nador eine passende Kardanwelle gefunden hat.
Morgen...
Wir sind zwar entspannt, weil Aufregung die Dinge nicht ändert, aber doch auch gespannt, wie es weiter geht.
Ihr bestimmt auch! Drückt uns die Daumen, dass wir uns, wie geplant, mit Jan und Ute in Fès treffen können.

Bis bald also,
Doris und Rüdiger