Ziehende Landschaft
Man muss weggehen können
und doch sein wie ein Baum:
als bliebe die Wurzel im Boden,
als zöge die Landschaft und wir ständen fest.
Man muss den Atem anhalten,
bis der Wind nachlässt
und die fremde Luft um uns
zu kreisen beginnt,
bis das Spiel von Licht und Schatten,
von Grün und Blau,
die alten Muster zeigt
und wir zu Hause sind,
wo es auch sei ...
Hilde
Domin
Liebe Freunde,
wir gehen mal
davon aus, dass Ihr uns alle Daumen gehalten habt. Das hat zumindest
insofern genutzt, als dass tatsächlich am nächsten Mittag eine neue
alte Stange für die Kardanwelle neben der abgebrochenen liegt.
Der Chef misst für
uns nochmal nach – passt!
Obwohl es regnet,
legen sich die beiden jungen Mechaniker unter den Düdo und bauen die
Stange ein. Der Lehrling flitzt nach Werkzeug.
Dann setzt sich
der Chef auf den Fahrersitz und macht mit uns eine Probefahrt. Es
läuft gut, aber …. die Bremsen. Ich traue meinen Ohren kaum. Er
sagt, die Bremsen sind nicht wirklich gut,
fährt uns auf den
Hof der Werkstatt und wieder wird geschraubt.
Der
Hauptbremszylinder wird ausgebaut und der Werkstattleiter zaubert
einen weiteren neuen alten aus dem Hut. Das Problem besteht
anscheinend an den Verbindungen der Bremsleitung zu besagtem Teil.
Der Chef fährt mit der Leitung davon, kommt nach etwa 2 Stunden
wieder. Die Mechaniker haben genug Arbeit, wir warten.
Alles wird wieder
eingebaut, professionell an den Radbremszylindern entlüftet,
Bremsflüssigkeit eingefüllt – wir haben ja noch genügend davon –
und auf geht’s zu einer weiteren Probefahrt. Ganz zufrieden ist er
nicht, aber bis nach Hause sollten wir kommen, sagt er.
Inzwischen ist es
wieder Abend geworden, wir haben den Tag mit warten verbracht und
haben nun Hunger. Unser Stadtplan sagt uns, wir sind nicht allzu weit
von der Medina entfernt, also machen wir uns auf den Weg. Eine Straße
mit Läden und Werkstätten führt bis zu einem der alten Stadttore.
Es geht ruhig zu,
hierher kommen normalerweise keine Touristen. Ein paar Schritte
hinter dem Tor sind wir auf einer quirligen Geschäftsstraße, finden
eine Garküche, bekommen Suppe (Harira), Bruchettes und salade
mixte.
Auf dem Rückweg
merken wir, dass trotz „nur“ warten und gefahren werden, die
letzten Tage anstrengend waren.
Bis Fès ist es
nicht weit und so lassen wir uns am nächsten Morgen Zeit.
Wir fahren
Autobahn und werden gut bewacht. Auf jeder Brücke stehen zwei
uniformierte Wachen.
Als wir uns der
Stadt nähern, sind auch an den Auf- und Abfahrten und an jeder
Kreuzung Polizeikräfte postiert. Aus diesem Aufgebot folgern wir,
dass der König erwartet wird.
Wir werden
jedenfalls erwartet – von Ute und Jan auf dem Campingplatz „Diamant
vert“. Sie haben die Stadttour für den nächsten Tag organisiert
und für uns gekocht.
Ihr seid
großartig, ihr Beiden!
„Al Maghreb
nennen wir unser Land, was soviel bedeutet wie 'Land der Wunder' oder
auch 'Westen'. Marokko ist der Name den die Europäer benutzen.“
erklärt uns Nordin, unser Guide. Er führt uns durch Fès und
erzählt viel über die Königsdynastien und die Geschichte der
Stadt. Man merkt dass er stolz ist ein Fassi zu sein, einer, der in
Fès geboren ist.
Er hat uns mit
einem Taxi vom Campingplatz abgeholt, es geht zuerst zum Königspalast
(nur von außen zu besichtigen),
dann hinauf zur
ehemaligen Burg, von wo wir einen grandiosen Blick auf die älteste
Stadt Marokkos haben.
Es stürmt und ab
und zu geht ein Schauer nieder, wir lassen uns nicht abschrecken.
Fès ist berühmt
für seine Handwerkskunst.
Das Taxi bringt
uns in eine Töpferei, wir bekommen gezeigt und erklärt, wie die
berühmten Kacheln und Mosaiken hergestellt werden
und natürlich
gibt es einen großen Verkaufsraum. Schöne Sachen gibt es hier und
einen Rabatt für Kunden mit Reiseführer – wir brauchen trotzdem
nichts.
Weiter geht es zur
Medina. Das Tor wie aus sieht aus wie aus 1001 Nacht,
tritt man durch
nehmen einen die engen Gassen des Souk gefangen.
Nordin stürmt
voran, muss aber immer wieder stehen bleiben, weil er Freunde und
Bekannte trifft. Wir halten an „dem einzigen Minarett der Welt,
dass nicht zu einer Moschee gehört“, sondern zu einer Madrassa,
einer Koranschule. Wir dürfen gegen ein geringes Entgelt in den
Innenhof, die schönen Mosaike und Schnitzereien bewundern.
Nächste Station
ist eine Weberei. Ein junger Mann erklärt in bestem Deutsch
Webstuhl,
Material und
Verarbeitung. Wir dürfen probieren wie fest und haltbar die
Agavenfasern sind, aus denen die glänzenden Teile der Stoffe
bestehen. Wunderschöne Dinge werden aus diesen herrlichen Stoffen
gemacht. Aber wie viele davon kann man gebrauchen?
Die Gassen werden
immer schmaler, immer mehr Menschen tummeln sich, es ist Sonntag, die
Leute haben Zeit zum bummeln.
Nordin erklärt
und weist auf besonders schöne architektonische Details hin.
Das Mausoleum
eines Heiligen befindet sich mitten im Gassengewirr ebenso wie die
Pilgerstätte senegalesischer Gläubiger.
Durch die
Fleischergasse geht es zur
Gewürzgasse von der die Kräutergasse abzweigt, dann kommen wir an
den Kleiderläden vorbei in denen aufwendige Festtagsroben
ausgestellt sind.
Nach 4 Stunden
sind wir alle etwas fußlahm, aber nun kommt der Höhepunkt der
Führung – das Gerberviertel.
Ein schmaler
Hauseingang, eine ebenso schmale Treppe, drei Stockwerke hinauf, dann
stehen wir auf einer überdachen Terrasse von der aus man hinunter
schauen kann auf die aus Lehm gemauerten Bottiche der Gerber und
Färber.
Wieder hat Nordin
uns an einen Deutsch sprechenden Führer weitergereicht, der uns
erklärt, dass hier keine Chemie verwendet wird. Die Felle werden mit
Taubenmist und Kalk gegerbt, gefärbt wird mit Henna, Eichenrinde und
Indigo für das berühmte Fès-Blau.
Er führt uns vor,
woran man natürlich bearbeitetes Leder erkennt, wirbt mit
Maßanfertigung von Lederkleidung in kürzester Zeit und wieder gehen
wir durch Räume voller wunderschöner Dinge, die wir nicht brauchen.
Fünf Stunden sind
vergangen, wir sind geschafft. Das Taxi bringt uns zurück zum
Campingplatz.
Nach einer
angemessenen Ruhepause nehmen wir im Restaurant unser Abschiedsessen
ein. Es gibt noch einmal Bastilla und Couscous, beides köstlich.
Am nächsten
Morgen fahren Jan und Ute an die Atlantikküste, wir düsen Richtung
Mittelmeer nach Martil.
Die Strecke
verwöhnt uns noch einmal mit einer grandiosen Landschaft, die
geradezu idyllisch zu nennen ist. Satte grüne Wiesen und Felder,
Schafherden, Alleen.
Lehmfarbenes
Wasser wälzt sich durch die Flüsse, auf den Feldern stehen große
Pfützen, die Stauseen treten fast über die Ufer. Zum Schmelzwasser
aus den Bergen kam wohl noch reichlich Regen.
Unterwegs tritt
unser altes Problem wieder in Erscheinung – die Bremsen. So langsam
nervt es nicht nur, es macht uns Angst. Die Strecke ist zum Teil sehr
bergig, Rüdiger ist froh, dass wir die Motorbremse haben, aber im
Stadtverkehr von Tetouan, wo wir auch noch einige Umleitungen durch
enge Straßen fahren müssen, schwitzt er Blut und Wasser. Mal bremst
sie, die Bremse, mal nicht.
Wir sind
erleichtert, als wir auf dem Campingplatz ankommen.
Wieder stürmt und
regnet es, aber am nächsten Morgen kündigt die Sonne den Frühling an.
Unsere Zeit in
Marokko geht zu Ende. Wir gönnen uns einen Tag in Martil zum
entstauben und ausruhen, dann verlassen wir das Land der Wunder.
Fünf Monate waren
wir hier, haben viel gesehen und erlebt viele liebenswerte Menschen
kennengelernt und wiedergetroffen.
Einen Teil dieser
Reise haben wir in Werkstätten verbracht.
Nach all der
Aufregung und den technischen Problemen haben wir nun einen
folgenschweren Beschluss gefasst:
wir trennen uns –
von unserem Düdo.
Es fällt uns
nicht ganz leicht, wir lieben ihn durchaus, zumal wir inzwischen jede
Schraube persönlich kennen, aber nach intensiven Diskussionen sind
wir zu einem grundsätzlichen Schluss gekommen: der Grund für
unseren Ausstieg war nicht, dass wir mit alten Autos unterwegs sein
wollen, das hatte sich eher zufällig so ergeben, der eigentliche
Grund war, wir wollen reisen. Daran hat sich nichts geändert. Wir
wollen unsere Zeit und unsere Energie nicht damit verbringen,
Werkstätten und Ersatzteile zu suchen, für Autos die cool sind,
aber alt. Für die meisten von ihnen ist es schwer, wenn nicht
unmöglich, welche zu bekommen.
Die nächsten
Reisen die wir geplant haben, werden an sich schon aufregend genug,
da brauchen wir das nicht auch noch. Ja klar, man kann es als Teil
des Abenteuers betrachten. Wir haben keine Lust mehr darauf.
Wir werden also
mit unserem goldenen Schmuckstück nach Hause fahren und uns nach
einem neuen Reisefahrzeug umsehen.
Wer Lust auf
unseren Düdo hat kann sich gern bei uns melden.
Wir werden Euch
weiter auf unsere Reisen mitnehmen, egal mit welchem fahrbaren
Untersatz wir unterwegs sind.
Bis bald also,
liebe Freunde, bleibt uns gewogen
Doris und Rüdiger
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