Montag, 16. April 2018

Baukasten Reisemobil



Man sollte Wünsche und Träume in Stein meißeln
aber Pläne in den Sand schreiben...

Liebe Freunde,
eine mehr als turbulente Zeit liegt hinter – und vor uns.
Zunächst überqueren wir das Meer,


verlassen Marokko fast fluchtartig, landen in Algeziras


und genießen nach über vier Monaten inbrünstig Schinken, Käse, Wein und viele andere Dinge auf die wir gern verzichtet hatten.


Die europäische Welt mit all ihren Annehmlichkeiten und ihrem Komfort ist fast ein Schock. Wir haben aber nicht viel Zeit uns dem hinzugeben, wir haben andere Sorgen. Überall blühte es, dass Mittelmeer strahlte in schönstem Blau, wir haben keinen Blick dafür. 



 
Die Bremsen werden immer schlechter. Rüdiger wehrt sich dagegen noch einmal jemanden dran rumschrauben zu lassen, das richtige Ersatzteil gäbe es ja hier auch nicht. Er erarbeitet sich eine Taktik mit Motorbremse, Handbremse und Gangschaltung zu bremsen und wir fahren, wo immer es möglich ist, Autobahn, damit so wenig wie möglich gebremst werden muss. Wir tun uns auf der spanischen Küstenautobahn A7/AP7 mörderische Tagesetappen an. Die erste führt uns bis Palamos, unser Ziel ist Alicante.
Warum Alicante?
Wie gesagt haben wir die Absicht uns von unserem Düdo zu trennen und eine Alternative zu suchen. Wie wir nun mal gestrickt sind, beginnt die Suche in unseren Köpfen schon in Marokko, nachdem der Beschluss gefasst ist.
Alle möglichen Varianten werden diskutiert.
Kastenwagen – in der Regel zu wenig Bodenfreiheit. LKW – hatten wir schon... viel zu groß. Was Neues, was Gebrauchtes? Sogar „Joghurtbecher“ war kurz im Gespräch – wurde aber schnell verworfen. Ein Pritschenwagen, auf den ein Wohnwagen gesetzt wird, ist eine ernsthafte Idee. Nicht unbedingt schön, aber selten. Auf der Suche nach einem passenden Wohnwagen stößt Rüdiger auf eine Anzeige, in der zwei nagelneue Wohnkabinen angeboten werden. Überproduktion aus einem Großauftrag, Produktionsstätte in Aspe bei Alicante.
Das ist es. Wir rufen die Firma an, verabreden, dass wir einfach hinfahren und uns die Kabinen ansehen können.
Das Industriegebiet, in dem sich die Produktionsstätte befindet, liegt dicht an einer der großen Fernverkehrsstraßen, also machbar. Freundlich werden wir empfangen, man hatte uns schon erwartet. Die beiden Alkovenkabinen stehen in einer Ecke der großen Werkshalle. Na klar, Joghurtbecher feeling, aber auf dem richtigen Fahrzeug wird das einmalig sein und wir sind zugegebenermaßen überwältigt von dem Raumgefühl. Rüdiger hat Stehhöhe, das Bad ist riesig, weil es sich über die gesamte Rückwand erstreckt.
Ein paar Verschönerungen, ein paar Basteleien hier und da, passt!
Wir nehmen Verbindung auf zu Stauber Motorhomes, Herr Stauber ist unkompliziert und kompetent. Nun fehlt uns noch das Fahrzeug. Klar ist zu dem Zeitpunkt schon, in Frage kommen Mercedes Sprinter oder Vario, IVECO, allenfalls Mitsubishi Canter. Und da wir nicht nur in Europa reisen wollen, darf er keine Euro4 Norm oder höher haben. Euro3 wäre ideal. Nicht leicht zu finden.
Rüdiger grast mobile.de und ebay Kleinanzeigen ab. Da ist wenig im Angebot, anscheinend sind diese Fahrzeuge sehr begehrt.
Ein erster Versuch in Cloppenburg schlägt fehl. Das Auto dort (ein Mercedes Vario) ist reserviert, wie liebe Freunde die uns, die in der Nähe wohnen, recherchieren. Sie bleiben am Ball, würden für uns sogar das Fahrzeug besichtigen und im Ernstfall kaufen, aber einen Tag später kommt die Nachricht: tut uns leid, das Auto ist verkauft.
Drei Autos sind irgendwann noch in der engeren Auswahl. Ein Sprinter in München, ein IVECO in Darmstadt, ein Mitsubishi in Berlin. Der Sprinter hätte die idealen Maße, der Verkäufer, ein muffliger KFZ Meister, ist allerdings nicht bereit es zu reservieren und ist auch sonst nicht sehr gesprächig. Der IVECO hat noch einen Koffer drauf, ist aber glaubhaft in sehr gutem Zustand. Der Verkäufer des Mitsubishi klingt eher dubios.
Unser Höllentrip geht weiter. Rüdiger kämpft mit den Bremsen, ich versuche ihn moralisch zu unterstützen und kümmere mich um die organisatorischen Dinge. Wir düsen durch Frankreich, übernachten auf einem Rasthof, ganz ruhig und ungestört, unser Ziel ist München, das eigentlich nicht auf unserem Weg liegt. Noch einmal rufe ich dort an, es führt kein Weg zu einer Reservierung. Wir sind nicht schnell genug und es geht auf Ostern zu. Das heißt der Karfreitag fällt schon mal weg, uns bleiben wenige Tage. Die Beurteilungen die ich im Internet über den KFZ Meister finde, sind eher entmutigend. Was tun? Kurzentschlossen rufe ich in Darmstadt an. Auf Grund des Anzeigentextes für den IVECO hatten wir uns eine Frau vorgestellt, die einen Blumenladen hat und ein Auto, das von einem Rentner gefahren und gepflegt und gewartet wird. Der Rentner ist zu alt zum fahren, das Auto wird verkauft. Am Telefon habe ich eine hektische junge Frau, deren Mann ein Fuhrunternehmen gegründet und den IVECO von einer Gärtnerei gekauft hat. Wir erfahren, dass es noch einen weiteren Interessenten gibt, die Familie aber am Ostersonntag in den Urlaub fliegen will. Eine schwierige Situation. Die junge Frau schlägt eine Anzahlung vor. 500 € klingen für uns nicht nach betrügerischer Absicht, wir lassen uns darauf ein. Ein Besichtigungstermin für den Donnerstag vor Ostern wird vereinbart.
Eigentlich wollten wir mit dem Düdo so schnell wie möglich nach Birkenwerder ins Basiscamp. Mit den Jungs dort haben wir schon Kontakt aufgenommen, wir werden erwartet. Wir sagen alle Besuche bei unseren Freunden ab, die auf dem Heimweg geplant waren, so weh es auch tut. Aber Darmstadt ist gut per Autobahn zu erreichen, also werden wir diesen kleinen Umweg noch machen.
Ein weiterer langer Fahrtag bringt uns über Ettenheim bis Darmstadt. Pünktlich sind wir am verabredeten Ort, der Verkäufer des IVECO trifft wenig später ein. Das Auto ist auf einem Gehöft untergestellt in einer Halle, scheint der Beschreibung zu entsprechen. In der Anzeige war als Grund für den Verkauf „Verlust des Führerscheins“ angegeben. Nun erzählt er eine wilde Geschichte von Überladung und einer Polizeikontrolle. Irgendwie seltsam deswegen ein Auto gleich zu verkaufen, aber es scheint in Ordnung zu sein, also werden wir uns einig. Er übergibt uns einen Ordner mit und einen Schlüssel. Auch er hat nur einen Schlüssel bekommen. Sowas kommt öfter vor. 
 
Wir verabreden mit dem Vermieter der Halle, dass Rüdiger das Auto ein paar Tage später abholt. Wieder geht es auf die Autobahn. Wieder übernachten wir auf einem Rasthof ruhig und ungestört. Am Karfreitag gegen Abend sind wir in Berlin, stellen den Düdo am Verein ab und sind froh, heil angekommen zu sein. Das Osterwochenende verbringen wir nun doch mit Kindern und Enkeln. Rüdiger holt ein Überführungskennzeichen
Für die Zulassungsstelle braucht man ja bekanntlich eine EVB-Nummer von seiner Versicherung. Da unsere nicht reagiert hatte, hatte Rüdiger im Internet über ein Versicherungsvergleichsportal die preiswerte Sparkassen-Versicherung gefunden. Zunächst mal muss der IVECO ja als LKW gemeldet werden. Als er nun von der Zulassungsstelle zurück kommt, ruft unsere Versicherung an. Wir bekommen ein Angebot, das weit über dem liegt was die Sparkassen-Versicherung verlangt. Die nette Mitarbeiterin macht Rüdiger darauf aufmerksam, dass man bei LKWs seine Schadenfreiheitsklasse nicht mitnehmen kann. Er fragt bei der Sparkassen-Versicherung nach. Die dortige Mitarbeiterin wundert sich: „Wie sind sie denn da durchgeschlüpft? Wir dürfen eigentlich keine LKW versichern. Die Zulassungsstelle hätte das an der EVB Nummer sehen müssen“. Wir sind baff. Kann man sich noch auf irgendwen verlassen?
Egal, wir haben ein Kennzeichen und mit dem wird das Auto geholt. Am Freitag will Rüdiger nach Darmstadt fahren.
Am Donnerstag sind wir bei unserem Sohn, gehen nicht zu spät nach Hause, der Zug fährt morgen um 4.35 Uhr. Im Treppenhaus bleibt Rüdiger plötzlich stehen und wird ganz blass, ich denke jetzt ist es soweit, jetzt ist alles zu viel, frage nach. Ihm ist gerade eingefallen, dass der Schlüssel vom IVECO im Düdo liegt, der steht seit gestern in Birkenwerder, es ist 18.00 Uhr. Wir stornieren die Fahrkarte, buchen für Samstag.
Am nächsten Tag fährt er also ins Basiscamp, die haben den Düdo fertig. Super. Und was war es nun? Der Hauptbremszylinder leckte. Ach nee! Und der linke Radbremszylinder war völlig hinüber. Nun sind neue Teile eingebaut worden, alles funktioniert wieder wie es soll. Rüdiger fährt also nach Darmstadt, bringt den IVECO nach Sachsen-Anhalt in unseren Garten. Dort soll der Möbelkoffer abgebaut werden.
Er kommt zurück nach Berlin, wir mieten einen Motorradhänger und düsen mit dem Düdo nach Neumünster. Warum das? Schon seit dem letzten Jahr denkt Rüdiger darüber nach ein Moped zu kaufen. Man könnte damit Ausflüge vom jeweiligen Standort machen, einkaufen auch wenn man weiter von einem Ort entfernt steht, kurz, man ist mobiler.
Von Marokko aus findet er den idealen Roller zum besten Preis. Er ist gebraucht, aber in einem super Zustand. Das Autohaus Aschkar ist freundlich und unkompliziert, Kaufvertrag und Anzahlung werden online getätigt, als wir in Deutschland sind und uns melden, bekommen wir sofort die Papiere geschickt, damit wir ihn anmelden können.
Nun fahren wir also in den Norden und holen unseren Honda SH 125.

Damit fahren wir dann endlich in unseren Garten.
Da stehen sie dann hintereinander in der Zufahrt – der alte Düdo und der wesentlich jüngere IVECO. 


 
Während Rüdiger sich daran macht, den Koffer des IVECO abzubauen,
 






räume ich den Düdo aus. Und es überkommt mich doch so etwas wie Abschiedsschmerz. Schöne Reisen haben wir mit ihm gemacht, viel Zeit und Arbeit haben wir in die Innenrestauration gesteckt, er war für fast drei Jahre unser Zuhause.
Nun wird er nach Berlin gefahren und verkauft.
Darum werde ich mich kümmern, während Rüdiger nach Spanien fährt um die Kabine zu holen.
Ob alles so reibungslos klappt, wie wir es uns vorstellen?

Wir werden es Euch berichten.

Bis dann also,
Doris und Rüdiger

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