Freitag, 26. März 2021

Onkel Pepe

 



Jerez de la Frontera ist eine Stadt, die man mit wachen Augen und voller Neugier erobern muss.

Sie gilt nicht nur als die Wiege des Flamenco und des Cherry, sie ist auch der Sitz der königlich andalusischen Reitschule, auf die das spanische Königshaus sehr stolz ist.

Wenn einen all das interessiert, hat Jerez viel zu bieten.

Es gäbe also viel zu sehen und zu erleben, wenn da nicht Corona wäre und die Tatsache, dass wir einfach stadtmüde sind. Wir haben in den letzten Wochen einige Städte kennengelernt. Alle waren schön, spannend, aufregend. Aber wieviel von dieser Schönheit kann der Mensch kurz hintereinander aufnehmen und verarbeiten?

Jerez ist nun, zugegebenermaßen, eher Pflichtprogramm.

Vom Stellplatz sind es etwa 4,5 Km bis zum Stadtzentrum. Da die Gegend eher flach ist, holen wir die Räder heraus und radeln schöne, Baum bestandene Alleen auf gut gekennzeichneten Radwegen entlang. Am

Parque Gonzales Hontoria halten wir kurz an. Viele Menschen sind hier zugange, anscheinend findet ein Antik- und Trödelmarkt statt.




Wir drehen eine kurze Runde und das ist unsere Ausbeute – natürlich nur virtuell. Praktisch haben wir keinen Platz für Stehrumchen.








Gegenüber dem Convento Santo Domingo schließen wir die Räder an und laufen hinein in die Fußgängerzone der Altstadt.

Überall sind Bars und Restaurants geöffnet und gut besucht, die Leute flanieren – vorschriftsmäßig mit Maske – und es geht fröhlich zu.



Aus den Kirchen strömen Familien mit Babys, anscheinend ist Taufsonntag.



Kurz vor der Alcazaba tauchen Droschken auf, die uns zum Mitfahren einladen.



Wir lehnen dankend ab und umrunden die alte maurische Festung, die leider geschlossen ist. Gerade noch so gelingt uns ein Blick in den Innenhof, bevor der Wachmann uns die Tür vor der Nase zu macht.





Durch den kleinen Orangenhain vor ihrem Eingang schlendern wir hinüber zur
Kathedrale.




Unterwegs treffen wir auf Tio Pepe – Onkel Pepe.


Tío Pepe ist der beste Wein aus Jerez. Zu 100% aus der Palomino-Traube hergestellt, ist er der weltweit bekannteste und meist prämierte der edlen Weine. Hergestellt wird er von der Bodega González Byass, deren Sitz sich hier befindet, gegründet 1835 von Manuel Maria Gonzalez, der den Weinkeller so benannte zu Ehren seines Onkels, der ihm alles über die Jerez-Weintradition beigebracht hatte.

Es gibt also eine Person, der dieses berühmte Gesöff seinen Namen verdankt.



Die Kathedrale ist ein imposantes Bauwerk aus Sandstein. Auch sie ist leider geschlossen. Schade!



Auf den Stufen und in den kleinen Grünanlagen um die Alcazaba herum sehen wir überall Leute mit Handys sitzen. Das liegt daran, dass es einen Innenstadtbereich mit freiem W-Lan gibt. Wir haben ihn rot markiert auf einer Karte mit Stadtrundgängen entdeckt. 

Durch die alten Gassen schlendern wir zurück zu einem schattigen Platz mit einer gemütlich aussehenden Bar. Spanisch-Peruanisch lesen wir, mal was anderes.



Und wirklich, hier scheinen nur Einheimische zu sitzen, man kennt sich.





Wir stärken uns




dann schlängeln wir uns durch das ehemalige jüdische Viertel zurück zuunseren Rädern.





Auch in Jerez haben wir übrigens viele „se vende“ Schilder gesehen, vom riesigen Palast bis zum kleinen Stadthaus ist auch hier alles dabei. Auch hier ist so einiges dem Verfall preisgegeben.



Nun haben wir auch diese berühmte Stadt gesehen, oder zumindest einen Teil davon. So richtige Begeisterung will aber irgendwie nicht aufkommen.

Jerez ist eine schöne Stadt, ohne Frage, aber alles ist groß, weitläufig und pompös. Uns haben es dann doch eher die kleinen, gemütlichen Städtchen angetan. Am besten gefallen hat uns nach wie vor Arcos de la Frontera.

Am nächsten Tag kaufen wir beim Stellplatzbetreiber noch eine Flasche von dem köstlichen Cherry Cream mit dem wir auch dieses Mal wieder begrüßt wurden, ver- und entsorgen wieder gründlich und machen uns auf nach Conil de la Frontera.

Schon nach wenigen Kilometern kommt uns alles bekannt vor und als wir auf den Platz fahren, ist es ein bisschen wie nach Hause kommen.

Sogar unser alter Platz mit der grandiosen Aussicht ist frei, bis heute früh stand Udo noch dort, er musste zur Arbeit, kommt aber am Nachmittag wieder.



Auch Gustl kommt kurz vorbei zur Begrüßung – alle freuen sich über das Wiedersehen.

Vor uns liegen die Osterfeiertage.

Aus Deutschland hören wir vom harten Lockdown, hier in Spanien ist das Reisen zwischen den Provinzen wieder verboten, aber die Restaurants dürfen nun bis 22.30 öffnen und die Ausgangssperre ist um eine Stunde verkürzt worden, sie gilt jetzt von 23.00 bis 6.00 Uhr.

Wenn Ihr wissen wollt, wie wir die Osterfeiertage verbringen und Euch vielleicht ein bisschen wegträumen wollt, dass freut Euch auf den nächsten Post.


Bis bald also,

Doris und Rüdiger

Samstag, 20. März 2021

Die weißen Dörfer

 



Ronda ist eines der weißen Dörfer. Mit fast 34.000 Einwohnern ist es zwar kein Dorf mehr, aber es ist weiß und liegt auf einem Felsen, wie die anderen dieser Bezeichnung auch.

Dazu gehören auch Antequera, Zahara de la Sierra, Arcos de la Frontera und einige andere.

Ronda ist die wohl Berühmteste wegen ihrer Lage auf beiden Seiten der Tejo Schlucht auf einer Höhe von 723 m über dem Meeresspiegel.

Die Römer bauten 132 v. Chr. eine erste befestigte Anlage und nannten sie Arunda. Auch hier fielen wieder die Vandalen, Alanen und Sueben ein, als sie im Zuge der Völkerwanderung um die Mitte des ersten Jahrtausends vorbei kamen. Es folgten die Westgoten und Byzantiner und zu Beginn des 8. Jh die Mauren, die auf den Resten des früheren Arunda eine Burg errichteten.

Mit der Reconquista durch Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragon fiel sie dann in christliche Hand. Ferdinand gewährte den maurischen Bewohnern freien Abzug, aber sie mussten die Stadt verlassen.

Es folgten friedliche Jahrhunderte, in denen sich die Stadt zu einer Perle entwickelte.



Vom Stellplatz laufen wir die Calle de Malaga etwa 2 Km entlang bis zur Fußgängerzone. Hier beginnt der neuere Teil der Altstadt.

Läden, Cafès und Restaurants sind geöffnet und gut besucht. Es ist Wochenende.





Hinter der ehemaligen Stierkampfarena zieht sich die Paseo de Blas Infante am Rande der Schlucht des Tejo entlang. Neben Bodenplatten für die berühmtesten Torreros der Stadt







gibt es hier einen Gedenkort für den verstorbenen japanischen Maler Miki Haruta, der hier seine letzten Jahre verbrachte und einen Großteil seiner Arbeit in Ronda vollendete.



Ronda ist als die Geburtsstätte des Stierkampfs bekannt und die Arena war eine der ersten in Spanien. Hier, in dieser Arena entstanden neue Regeln, wie zum Beispiel der Kampf des Torero zu Fuß und die Verwendung des roten Tuches.



Am Mirador, dem Aussichtspunkt, steht ein Pavillon in dem sich eine Harfenspielerin niedergelassen hat. Leider macht sie gerade eine Pause.



Wir schlendern also weiter zur Plaza España von der die Puente Nuevo, die neue Brücke, das Wahrzeichen Rondas, sich über den Guadalevin Fluss spannt. Nach 42 Baujahren wurde sie 1793 vollendet und ist fast 100 Meter hoch.



Beim Fotos machen sollte man hier unbedingt auf seine Kamera achten. Es heißt, jedes Jahr werden hunderte Kameras am Boden der Schlucht gefunden.






Wir haben unsere noch und gehen über die Brücke in den ältesten Teil der Stadt.



An der Plaza Duquesa de Parcent bewundern wir die Kirche Santa Maria la Mayor und den Mondragòn Palast, in dem Königin Isabella und König Ferdinand ihren Hauptwohnsitz während ihrer Aufenthalte in Ronda hatten.

Es war übrigens die Isabella, die Christoph Kolumbus dazu verhalf auf die Suche nach dem Seeweg nach Indien starten zu können.






Leider ist – aus bekannten Gründen – alles geschlossen. Wir schauen uns also den schönen Platz von außen an und gehen weiter, bis wir auf ein geöffnetes Museum treffen.




Das Museum Lara – Museum für Wissenschaft und Geschichte empfängt uns mit offenen Türen.




Folgt uns auf die Reise durch die liebevoll gestalteten Räume und Vitrinen










und hinab in den Keller, der verheißungsvoll angekündigt wird.















Der Raum, in dem ich mich am liebsten mindestens eine Stunde aufgehalten hätte, ist dieser hier. Wer mich kennt, weiß warum










Über einen Teil der alten maurischen Befestigung und durch schmale Gassen 







gelangen wir danach zu diesem Turm



Gebaut als Minarett, wurde er nach der Eroberung durch die Christen im 15. Jh. umgebaut zu einem Kirchturm.

In seinem Schatten machen wir eine Pause, gehen von dort hinunter in den Rosengarten, der entlang der Stadtmauer mit schönen Aussichtspunkten angelegt wurde.








Und dann tun uns die Füße weh und wir treten den Heimweg an.

Unter normalen Umständen kann man in Ronda an so schönen Wochenenden sicher kaum treten. Jetzt ist es, der Jahreszeit und der Pandemie geschuldet, sehr entspannt, was wir natürlich sehr genießen.

Es sind kaum Touristen hier. So hat eben alles auch immer sein Gutes. In diesem Fall zumindest für uns. Die Hotel- und Restaurantbetreiber der Stadt sehen das sicher etwas anders.


Auf dem Stellplatz versorgen wir uns wieder mit Wasser, entsorgen gründlich und hier bekommen wir sogar unsere Gasflasche getauscht.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg ins nächste „weiße Dorf“.


Zahara de la Sierra thront hoch auf einem Felsen über dem Stausee Embalse de Zahara – El Gastor im Narurpark Sierra de Grazalema und ist verhältnismäßig klein.






Ein Zwischenstopp am schön gestalteten Mirador






gibt Rüdiger die Gelegenheit zu erkunden, wo es hier eine Möglichkeit zum Übernachten gibt. Am Stausee ist es verboten, eben weil es ja ein Naturpark ist.

Er findet einen Parkstreifen unterhalb des Städtchens. Dort stehen schon andere WoMos, wir fahren also dort hin, vorbei an blühenden Bäumen.




Am nächsten Tag steigen wir hinauf in den wunderschönen kleinen Ort.

Schon in Antequera gab es steile Straßen und viele Stufen, das war jedoch ein Klax gegen Zahara de la Sierra.





Überall treffen wir auf schwarz gekleidete, cool aussehende junge Leute mit viel Gerätschaft. Schon gestern hatte Rüdiger bei seinem ersten Erkundungsgang vermutet, dass hier ein Film gedreht wird.







Die Anwesenheit eines Polizeiautos älteren Baujahrs legt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Krimi aus der jüngeren Vergangenheit handelt.

An einigen Stellen wird schon wieder ab- an anderen aufgebaut.

Wir müssen einen Moment warten und werden gebeten ganz still zu sein, damit eine Szene abgedreht werden kann.




Weiter geht's aufwärts





Keuchend kommen wir dann oben beim Turm an, dem letzten Überbleibsel der maurischen Burg.





Der Blick von hier oben ist atemberaubend.






Wie ein riesiger Smaragd liegt der See unter uns. Schon im Vorbeifahren hatten wir gesehen, dass sein Wasserstand extrem niedrig ist. Die freigelegten Kalksteinufer sehen von hier oben aus, wie eine Fassung aus einem gelblichen Metall für dieses Juwel.





Eine Holztreppe führt hinab zum Friedhof, von dem man sicher einen wunderbaren Blick hat.



Unten angekommen, stehen wir vor einem mobilen Zaun. Wieder hoch ist nicht wirklich eine Option, das Hindernis nicht unüberwindlich.



Von dort laufen wir zum Platz vor der Kirche. Wir werfen einen Blick hinein












und machen eine Pause in der Venta gleich daneben.


Nun ist es nicht mehr weit zum Wohnmobil. Ein letzter Rundblick und auf geht's nach Arcos de la Frontera.


Wenn wir die anderen „weißen Dörfer“ schon wunderschön fanden, Arcos de la Frontera beeindruckt uns auf ganz besondere Weise. Es verzaubert uns mit seinem maroden Charme.

Zunächst finden wir einen Parkplatz unterhalb der Altstadt, wo wir unbehelligt stehen können. Am Tag füllt er sich mit den Autos der Leute, die etwas in der Stadt zu erledigen haben, abends wird es still.



Über eine Fußgängerbrücke gelangen wir zu einer Treppe, die in die Altstadt hinauf führt. Etwa 60 Stufen sind zu bewältigen und dann tauchen wir ein in das Gewirr von Gassen, Treppen, Durchgängen und Altanen.







Alles erinnert unweigerlich an die arabischen Städte Nordafrikas, die Struktur dieses Ortes erzählt die Geschichte seiner Entstehung besser, als jedes Geschichtsbuch es könnte.

Das Meiste hier hat schon bessere Zeiten gesehen. In fast jeder Straße gibt es ein, zwei Häuser, die zum Verkauf stehen, viele Läden sind geschlossen.



Unter anderem treffen wir auf diesen Herrn.



Julio Marescal Montez war ein Poet und Flamenco Komponist. Er wurde 1922 in Arcos geboren, starb 1977 in Cadiz und wird sehr verehrt.

Angekommen auf dem großen Platz, besichtigen wir die Kirche Santa Maria de la Asunciòn.











Dann nimmt uns der „Glöckner“ mit hinauf auf den Turm. Hier oben steht man direkt unter den Glocken und hat eine wunderbare Aussicht.







Die Burg ist Privatbesitz und kann leider nicht besichtigt werden.



Dann traben wir weiter hinauf und hinab, bis uns dieses Schild den Weg zum Mirador weist.




Ganz allein können wir hier über die schöne Landschaft gucken.


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In den Sträßchen hinter der Kirche finden wir die Bar „San Marco“. Die Leute, die hier sitzen sind augenscheinlich Stammgäste, Touristen sind wohl momentan eher selten.

Ein ausgesprochen netter junger Kellner serviert uns ein ausgesprochen köstliches Menu del dia.





Wir sitzen in einer schattigen Nische und beobachten fasziniert, wie die Autos durch die engen Gassen kurven. Nach unserem Gefühl passen mal gerade zwei Fußgänger aneinander vorbei, aber hier braust sogar der öffentliche Nahverkehr in Form eines Mini-Busses um die Ecke.



Bei einem begeisterten jungen Bäcker kaufen wir später die Spezialität des Ortes.





Die Bollos de Arcos sehen aus wie Donuts, aber der Teig ist schwerer, in Fett gebacken und es hat eine deutliche Anisnote. Er freut sich besonders, dass ich ein Glas Honig mitnehme, das von seinem Freund kommt, der, wie er versichert, alles 100% natürlich herstellt. Er zeigt mir ein Video von den Bienen auf ihrer Weide im Wald in den Bergen. .

Da wir uns hier so wohlfühlen, bleiben wir noch einen Tag, machen einen weiteren Rundgang. Immer mehr und mehr Häuser entdecken wir mit dem Schild „se vende“. Die halbe Altstadt ist zu verkaufen, unter anderen das Haus, in dem sich die kleine Bäckerei befindet. Es ist regelrecht erschütternd, dass diese schöne Stadt anscheinend immer leerer wird.

Aber die, die noch da sind, feiern das Leben. Noch einmal kehren im „San Marco“ ein, dort sitzt die selbe Frau wie gestern, begrüßt uns herzlich, weißt auf das schöne Wetter hin und freut sich, als ich ihr sage, wie schön wir die Stadt finden.

Drei weitere Frauen setzen sich an den Nebentisch, bestellen eine Flasche Wein und fragen uns, ob es stört, wenn sie rauchen. Und das im Freien! Wir verneinen freundlich, da sagt eine von ihnen, sie habe heute Geburtstag. Daraufhin singen alle Gäste lauthals die spanische Version von Happy Birthday „Feliz Cumpleaños ...“ und wir singen und klatschen mit. Es ist eine fröhliche Gemeinschaft von Nachbarn und Freunden, und es macht Spaß mittendrin zu sein.





Wieder ist das Essen ein Gedicht, der junge Kellner ist begeistert, dass es uns so geschmeckt hat und wie gestern bekommen wir einen Kräuterlikör aufs Haus.



Noch einmal schlendern wir durch die Straßen und besuchen den freundlichen Bäcker, gönnen uns einen Nachtisch und gehen beschwingt zurück nach Hause.















Am nächsten Morgen fahren wir nach Jerez de la Frontera.

Mögt Ihr Cherry? Der aus Jerez ist weltberühmt. Aber auch wenn nicht, kommt mit und entdeckt mit uns seine Heimat.


Bis bald also

Doris und Rüdiger