Sonntag, 26. Juni 2022

Das Kloster im Nebel

 


Die Straße führt zwischen den Höhenzügen des Kalkanı Dagı und des Dağları Dagı hindurch. Eine unglaubliche Landschaft! Fast 3000 Meter hoch türmen sich die grün bewaldeten Gipfel um uns herum auf.




Bei Kürtün vereinen sich die Flüsse Doğankent und Kalinçam vor der großen Staumauer zum Harşit Çayı. Auf dem grün schimmernden Stausee schwimmen viele Fischzuchtanlagen. Hier kann man Bergbauer und Fischer zugleich sein.




Durch etliche Tunnel rollen wir und biegen bei Maçka in ein Seitental ab.





Viele Kurven und Anstiege später erreichen wir einen Schlagbaum, bezahlen jeder 100TL und folgen der Straße bis sie an einem doppelten Torbogen endet. Nach rechts werden wir auf einen großen Parkplatz geleitet, an dessen hinterem Ende wir uns aufstellen.

Das Wetter ist uns nicht wohlgesonnen, aus dichten grauen Wolken beginnt es zu nieseln, als wir aufbrechen um das Felsenkloster Sümela zu besichtigen. Wir gönnen uns für weitere 15TL ein Dolmuş, dass uns über noch steilere und engere Kurven 4 Km bis zu den Stufen fährt, die vom Aquädukt zum Kloster hinauf führen.





Die spektakuläre Ansicht, die man hier normalerweise hat, ist von Wolken verhüllt. Wir können sie nur auf der Eintrittskarte sehen.




Einer Legende nach, gegründet durch zwei junge Eremiten aus Athen, die, von Engeln dazu eingeladen, im Jahre 385 bei einer Wanderung in einer Höhle in den Felsen eine vom Evangelisten Lukas persönlich gemalte Ikone entdeckten, wurde das Kloster mehrfach zerstört und wieder aufgebaut.

Die ältesten Gebäude stammen aus dem 14. Jh., sein heutiges Aussehen erhielt das Kloster im 19. Jh.

1926 überrannten die Truppen Atatürks die Stätte, die Mönche mussten sie verlassen und nach einem Brand 1930 verfiel sie mehr und mehr. Erst 1972 stellte die türkische Regierung das Kloster Sümela als Nationalerbe unter Schutz. Das Areal wurde Besuchern zugänglich gemacht und 1998 mit der Restaurierung begonnen, die, wie wir sehen konnten, andauert.



Viele Stufen muss der Besucher hinauf, bevor er den Klosterhof erreicht. Nebelschwaden wabern um die Gebäude und verleiht dem Ort etwas Mystisches.




Wohnräume, Kapellen, Vorratsräume und eine Küche kann man besichtigen.






Der Mutter Maria des Schwarzen Berges geweiht, ist die innen und außen bemalte Kirche, für Christen ein wichtiger Wallfahrtsort und damit die Attraktion der Klosteranlage.




Leider haben der Zahn der Zeit und die überall vorkommenden Banausen den einst farbenprächtigen Bildern sehr zugesetzt.



Die Malereien im Inneren der Kirche stammen aus dem 12. Jh.,






die Außenfresken aus dem frühen 18. Jh. Dass sie überhaupt noch so gut zu erkennen sind, ist ein Wunder. Die Farben leuchten noch immer intensiv.



Treppauf und treppab, über Plateaus, durch Gänge und winzige Höfe kann man sich die Anlage erschließen.






Der Regen hat zugenommen, also fahren wir mit dem Dolmuş wieder hinunter.

Für 15TL dürfen wir auf dem Parkplatz übernachten, das ist weniger als 1€. Bei diesem Wetter wird er schnell leer, daher es wird eine sehr ruhige Nacht.


Bei Regen fahren wir am nächsten Morgen weiter, im Regen düsen wir nach Südwesten, durch Tunnel und über Pässe, der höchste ist auf 2000 Meter.






Hinter Gümüşhane taucht am Horizont ein heller Streifen auf, wir biegen ab nach Westen auf die D40.



Die schlängelt sich durch das Giresun Gebirge, ein Gebirgszug des ostpontischen Gebirges.

Die Landschaft, die wir nun durchmessen, ist von einer fast unwirklichen Schönheit. Bunte Wiesen, eingerahmt von sattem Grün säumen die Straße, alle paar Kilometer sehen wir Ansammlungen von vielen Bienenstöcken und manchmal Camps, in denen die Imker den Sommer verbringen. Selten sieht man ein Haus und noch seltener ein Dorf. Der Landstrich wirkt über viele Kilometer fast unberührt.






An einer Quelle, zwischen blühenden Heckenrosen an einer der farbenprächtigen Wiesen, finden wir einen Platz zum Übernachten. Es summt und duftet um uns herum, unsere Sinne können all das kaum erfassen.





Am nächsten Morgen nehmen wir uns Zeit, diesen wunderbaren Ort noch eine Weile zu genießen, bevor wir weiterfahren.





Die Gegend bleibt atemberaubend schön, bis kurz vor Şebinkarahirsar die erste Staumauer auftaucht.




Immernoch ist spektakulär was wir sehen, aber der Eingriff des Menschen ist hier deutlich sichtbar.



Wie ein Flickenteppich ziehen sich Felder und Gärten die Hänge der Berge hinauf, die mit zeitloser Gelassenheit dem Treiben zusehen.





Am Stausee machen wir eine ausgiebige Pause, dann fahren wir wieder Richtung Norden. 




Wir haben uns in den Kopf gesetzt, in dem charmanten Forellenrestaurant hinter Niksar am Abend essen zu wollen.

Noch einmal halten wir an einer Quelle neben einigen LKWs. Die Fahrer, die gerade dabei sind ihr Mittagessen zu kochen, grüßen herüber und laden uns freundlich ein. Es sind iranische Trucker, die in 25 Tagen zwischen dem Iran und Deutschland Waren hin und her transportieren. 


In dem Staufach unter der Ladefläche befindet sich eine mit allem Notwendigen ausgestattete Küche. Wir bekommen Kaffee und Obguscht, ein wohlschmeckendes Gericht aus gepökeltem Fleisch, Kartoffeln und Kichererbsen mit einem Gewürz, das aussieht und riecht wie Curry, und lernen unser erstes persisches Wort: Mamnun. Das heißt Danke. Eines der wichtigsten Wörter überhaupt.



Ibrahim, der mit Akribie das Gemüse schnippelt, singt sogar ein Lied für uns. Wir sind sehr gerührt.



Von dem hauchdünnen Fladenbrot haben sie mehrere Pakete dabei. Vor dem Verzehr wird es aus einer Sprühflasche mit Wasser besprüht, zusammengefaltet, damit die Feuchtigkeit sich verbreiten kann, dann ist es weich und schmeckt wirklich wunderbar.

Mit Hilfe des Translaters plaudern wir ein wenig, es wird nach der Familie und dem Alter gefragt, die Zeit vergeht. Nach einer Stunde verabschieden wir uns. Das war eine dieser Begegnungen, die das Reisen so spannend und wundervoll machen.

Kurz vor Sieben am Abend erreichen wir den Forellenhof um festzustellen, dass die Küche schon oder noch, das bekommen wir nicht heraus, geschlossen ist. So ein Pech aber auch! Wir kaufen noch ein paar Beutel Haselnüsse und fahren zurück Richtung Kapadokien.

Oberhalb der Stadt Niksar verbringen wir die Nacht und der prächtige Sonnenuntergang entschädigt uns für die Enttäuschung. Wenigsten einen Vorrat an Haselnüssen haben wir nun.



Wie es weitergeht, ob wir bei unserem zweiten Besuch in Kapadokien unseren Traum wahr machen können, ist im nächsten Bericht zu lesen.


Bis bald also

Doris und Rüdiger