Freitag, 10. Juni 2022

Wie Pistazien wachsen



Die D825 führt über Kahramanmaraş nach Gaziantep, auch kurz Antep genannt. Schon kurz hinter der Quelle beginnt es. Dicke Luft. Industrieanlagen zu beiden Seiten der Straße erklären, warum uns das Atmen plötzlich schwer fällt. Kahramanmaraş ist eine Großstadt. An die 20 Kilometer zieht sich die breite Autostraße an ihr entlang, durch müssen wir glücklicherweise nicht. Allerdings gibt es etwas, dass uns doch hineinlocken könnte. Von Vielen haben wir gehört, hier gäbe es ein besonderes Eis aus Ziegenmilch. Da wir ja durchaus auch auf einer kulinarischen Reise sind, reizt uns das schon. Doch in die Großstadt hineinfahren, herumirren, keinen Parkplatz oder das Eis nicht finden? Verzichten?

Wir haben Glück. An der Straße gibt es Imbißbuden und kleine Läden und auch eine winzige Eisdiele. Wir halten an. Ein schüchterner junger Mann löffelt aus einem Kühlbehälter unter Anleitung eines alten Herrn zwei Eiswaffeln voll. Das Eis sieht aus wie normales Vanille- oder Sahneeis.

Wir setzen uns auf eine der Polsterbänke vor dem Büdchen und kosten.



Unsere Geschmacksknospen tanzen Walzer. Das ist tatsächlich was Besonderes. Milchgeschmack ohne fad zu sein, die Konsistenz ein bisschen wie Kaugummi, aber unglaublich cremig. Wir genießen dieses Eis und den Augenblick, dann fahren wir weiter.



In Antep steuern wir zunächst den im Netz gefundenen, bewachten Parkplatz am Schloss an. Durch enge Gassen geht es, Rüdiger schwitzt, aber der Parkplatzwächter winkt schon von weitem ab. Alles voll. 




Also erstmal weiter geradeaus. Nur ein paar Ecken weiter finden wir einen großen, ziemlich mülligen Schotterplatz zwischen einer Schule, einem Hotel und einem Restaurant. Hier stehen wir gut, über den Müll sehen wir einfach hinweg.



Nur ein paar Schritte sind es bis zu einer kleinen Straße, in der sich Lokantas, Cafès, Bäckereien und Koaföre aneinanderreihen. Von dort ist es nicht weit zur Altstadt und dem Basar.





Auch Antep ist bekannt für spezielle kulinarische Genüsse. Ganz herausragend soll hier das Bakhlava sein und die Pistazien.

Zunächst streifen wir durch den Basar der Kupferschmiede. Rüdiger bekommt sofort leuchtende Augen, ist er doch auf der Suche nach einem Cezve, einem größeren Kaffekocher für uns und für unsere Jüngste.





Nachdem wir uns einen ersten Überblick verschafft haben, kehren wir in einem kleinen Laden ein und probieren Katmer, eine Bakhlavavariante.



Sehr sehr süß, aber durchaus lecker, muss es mit Tee heruntergespült werden. Bevor unsere Eingeweide völlig verkleben, gehen wir zurück zum Basar, schlendern noch eine Runde durch die verwinkelten Gassen. 













Dann ist es soweit. Wir betreten einen kleinen Laden und finden Cezve der richtigen Größe, schlicht aber schön.




Auf dem Rückweg zum Auto erstehen wir dann noch eine Schachtel Pistazien.



Der Tag ist wieder heiß, wir ruhen aus, bis die schlimmste Hitze vorbei ist. Bevor wir was essen gehen, will Rüdiger noch das zweite Objekt seiner Begierde finden, einen Outdor-Samowar, wie er ihn bei Zeki gesehen hat.

Mir ist ein bisschen plümerant, ich warte im Park am Schloss auf ihn.



Nach einiger Zeit kommt er strahlend mit einem Exemplar mit zwei Hähnen zurück. Nun haben wir das Abendessen verdient. In der Straße vor unserem Parkplatz finden wir das Köşk Kebap Restaurant. Rüdiger legt sein Heftchen mit der Spezialitätenliste vor und der eifrige Oberkellner findet eine, die sie uns servieren können. Wir bekommen Salat, Ayran und kaltes Wasser. Die Spezialität ist Alinazik Kebab. Das ist eine Hummus ähnliche Masse aus gegrillten Auberginen, gewürzt und belegt mit marinierten, gegrillten Lammwürfeln. 





Alles schmeckt wunderbar und wir verlassen gesättigt und zufrieden das Lokal.



Im Geschichtsunterricht wurde uns das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris als die Wiege der Menschheit präsentiert. Ich hatte einen tollen Geschichtslehrer, der das sehr anschaulich machte. Und so hat es sich mir eingeprägt und mich sehr fasziniert. Nun fahren wir zum Euphrat. Ich finde das sehr aufregend.

Zunächst geht es durch weites, landwirtschaftlich genutztes Land. Was für Plantagen sind das?




Pilzförmige Bäume mit kleinen, grünen, mandelförmigen Früchten, mit ersten Rötungen, die in Trauben zwischen den dunkelgrünen, glänzenden Blättern hängen. Die Plantagen sind durch Mauern aus aufgeschichteten Steinen unterteilt. Wir halten an einer Mauer und schauen uns einen Baum näher an. Es dämmert uns. Das sind Pistazien!!! Hättet Ihr gewusst, wie Pistazien wachsen? Wir wussten es bis dahin nicht. Wir haben wieder was gelernt.



Die Pistazienplantagen erstrecken sich bis zum Horizont, so wie in Marokko und Spanien die Olivenhaine.





Dann ein Wegweiser: Rumkale. Wir folgen ihm und gelangen zum Hochufer des Euphrat, wo gegenüber, auf einer Felsenzunge, die in den Fluss ragt, die alte Festung Rumkale zu sehen ist. Sehr eindrucksvoll.



Auf unserer Seite ist das Ufer touristisch erschlossen. Es gibt eine Aussichtsplattform, Picknickplätze und Bootsanleger.




Wir suchen uns einen Platz unter einem Pistazienbaum gegenüber der Felszunge und unterhalb der angelegten Picknickterrassen. 




Von hier haben wir einen schönen Blick auf die Festung Rumkale.





Gegründet wurde die Stadt Rumkale schon 1230 v.Chr. Im Laufe seiner Geschichte herrschten hier die Hethiter, Assyrer, Meder, Perser, Makedonier, Seleukiden und Parther. Die Festung spielt eine wichtige Rolle in der Geschichte des Christentums, weil der Überlieferung nach der Apostel Johannes während der Römerzeit dort gewohnt und eine Kopie der Bibel in einer Höhle in Rumkale aufbewahrt haben soll.




Von 1150 war Rumkale der Amtssitz der armenischen Kirchenoberhäupter, bis es 1258 von den Muslimen erobert wurde.

Es ist eine Geschichte von Eroberungen und Rückeroberungen, Zerstörungen und Wiederaufbauten.

Schon im 18. Jahrhundert wurde die Festung Rumkale von Reisenden beschrieben, so auch vom Grafen Helmut von Moltke und Karl Humann und Otto Puchstein, die im Auftrage der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin die Region bereisten.

Momentan ist die Festung nicht zugänglich, weil dort Restaurierungsarbeiten stattfinden. Wir können das von unserem Standort gut beobachten.




Es wird heiß. Unser Thermometer zeigt eine Außentemperatur von 54°C, im WoMo sind es 38°C. Nachts wird es nicht wirklich kühl.



Wir verlassen unseren Pistazienbaum und machen uns auf zum Atatürk Stausee.

Unser Navi hat anscheinend einen Abseitswegefinder eingebaut. Es führt uns durch eine staubige, weite Einöde aus grauen Steinflächen, winzigen, grauen Dörfern und weiten Getreidefeldern. Die Ernte ist in vollem Gange.






Irgendwann erreichen wir dann die vierspurige Straße, die am Stausee entlang läuft. 





Bei Yaslıca biegen wir ab und erreichen ein Picknickgelände am Seeufer, das den Namen Hayal Park trägt, was übersetzt soviel wie Traum-Park bedeutet. Der Traum scheint schon lange ausgeträumt, das Gelände ist verwahrlost und vermüllt. Was einst schön gedacht und angelegt war, verfällt.

Trotzdem suchen wir uns einen Platz zwischen zwei Badestränden.





Über dem See liegt milchiger Nebel, so wirkt er noch unendlich größer, als er ohnehin ist. Es ist wie am Meer.





An einem Strand badet eine Gruppe junger Männer. Aha. Das ist also möglich. Nachdem sie weg sind, versuchen wir es auch. Es ist herrlich, kühl und erfrischend. Das Wasser ist milchig wie wir es vom schwarzen Meer kennen.

Allerdings gibt es hier gefühlte Hundertbillionen winziger Kriebelmücken, die durch alle Ritzen dringen und uns eine unruhige Nacht bescheren. Da ist ein Bad am nächsten Morgen genau das Richtige, bevor wir das Mückenparadies verlassen.

Bis Sanlıurfa, auch kurz Urfa genannt, ist es nicht weit. Auf Anhieb finden wir den großen Parkplatz zwischen dem Hilton Garden Hotel und dem Shopingcenter Piazza, direkt gegenüber vom Archäologischen Museum.



Wir nehmen Euch gern mit in die Stadt und das Museum und ins Piazza. Aber erst im nächsten Post.


Bis bald also

Doris und Rüdiger

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