Freitag, 17. Mai 2024

Bran – Reise in unsere Vergangenheit Teil II

 




Teil zwei unserer persönlichen Zeitreise führt uns von Bukarest nordwärts, Richtung Braşov. Bald wird es ländlich. 








Wir entdecken am Wegrand in einem Dorf den Verkaufsstand eines Bauern.



So direkt vom Erzeuger wie hier, bekommen wir es so schnell nicht wieder. Wir halten an, der Bauer kommt aus dem Haus. Wir müssen alles verkosten, was schon fast einer vollwertigen Mahlzeit gleichkommt. Käse, Schinken, Marmelade, Schnaps... das Angebot ist vielfältig.



Von all den Köstlichkeiten wählen wir etwas aus und kehren reichlich versorgt zum Auto zurück.

Schon in Bukarest versuchten wir uns an den Weg zu erinnern, den wir 42 Jahre zuvor gefahren waren. Nur bruchstückhaft ist unsere Erinnerung, nur vereinzelte Bilder sind noch abrufbar. Es ist eher ein allgemeiner Eindruck, eine bestimmte Art Landschaft, die da vor unserem inneren Auge auftauchen.

Zu Hause werden wir die wenigen Fotos, die wir damals geknipst haben, raussuchen und mit denen, die wir jetzt machen, vergleichen.






Dann kommt Schloss Bran in Sicht.



Genauso wunderschön, genauso idyllisch, genauso romantisch, wie wir es in Erinnerung haben, grüßt es von seinem Hügel herüber.



Der öffentliche Parkplatz ist nur ein paar hundert Meter entfernt und völlig leer. Perfekt für eine Nacht.



Wir hatten uns eigentlich vorgenommen, das Schloss nicht zu besuchen, damit wir es so in Erinnerung behalten, wie wir es 1982 gesehen haben: das Märchenschloss schlechthin. Aber da wir nun mal da sind, treibt uns die Neugierde doch hinauf.

Was wir vorfinden ist, wie befürchtet, eine Disney-Version der zauberhaften kleinen Burg. Souvenirshops, Restaurants und ein eingezäunter Park rahmen den Burghügel ein, vor dem steinernen Weg zum Burgtor, an dem damals nur ein paar Mütterchen saßen und uns Kirschen verkauften, stehen nun Ticketschalter und Wachleute. Menschenmassen sind unterwegs, um das angebliche Schloß Draculas zu besichtigen. Und die Saison hat noch nicht einmal begonnen. Dass Fürst Dracul nie einen Fuß in die Burg gesetzt hat, tut der Legende keinen Abbruch, sie wird nach Kräften vermarktet.

Schulklassen und chinesische Reisegruppen bevölkern den einst so stillen Ort.





Wollen wir uns das antun? Nun, wenn wir bis hier gekommen sind, gehen wir auch hinein.






Die Räume sind recht hübsch möbliert, das Wenigste stammt wirklich aus dem Schloss, alles ist renoviert und auf Hochglanz gebracht.













Über Treppen und Galerien, Balkone und mit visuellen Burggespenstern bespielte Kammern wandern wir mit vielen Anderen durch dieses neue Schloss Bran.










Seltsamerweise stört uns das wenig, wir sind in unserem ganz privaten Film unterwegs. Wir sind wieder jung, frisch verliebt und topfit. So haben wir ein inneres Bild vor Augen: fast leere Räume, kein Mensch außer uns, Stille, Sommer.






Trotz all dem Trubel, nimmt uns der Zauber dieses kleinen Schlösschens wieder gefangen.



Ob es das alte Gästebuch noch gibt, in irgendeinem Archiv? Wir tragen uns in das aktuelle ein, 




dann verlassen wir die Burg, schlendern durch das Dorf zurück zum Auto und verbringen einen Abend, an dem wir unsere Erinnerungen noch einmal Revue passieren lassen.

Die Straße Nr. 12 führt uns am nächsten Tag zunächst wieder durch weite Felder mit Raps und Getreide, dann wird es wieder hügeliger. An einer Quelle füllen wir unsere Wasservorräte auf. Es hat wieder begonnen zu regnen, Nebelfetzen hängen in den Tälern, die Straße schlängelt sich in Haarnadelkurven hinauf ins Gebirge.





Wir hatten gehofft, auf dem Pass einen Übernachtungsplatz zu finden, aber der Parkplatz vor dem dortigen Restaurant ist abfallend und ziemlich schlammig. Also weiter. Irgendwann finden wir einen geschotterten Parkplatz in der Nähe eines Ausflugslokals, oberhalb der Bicaz Klamm und des gleichnamigen Stausees.



Der nächste Tag ist der Tag der spektakulären Landschaften. Der Nebel, der am Morgen noch alles grau färbt, lichtet sich bald und macht einem blau-weißen Himmel Platz.

Zunächst rollen wir durch die Bicaz Klamm, deren enge Felswände oft scheinbar bis ins Unendliche aufragen.









Ein Stopp oberhalb des Stausees,





dann öffnet sich der Canyon in ein weites, liebliches Tal. Saftige, grüne Wiesen, dunkle Wälder über schönen Dörfern mit hübschen alten Häusern bestimmen das Bild.








Und mittendrin liegt der Camping „Doru Muntelui“. Die von Butterblumen gelbe Wiese, auf der normalerweise die Camper stehen, ist vom Regen getränkt, wir befürchten stecken zu bleiben und dürfen auf einer Schotterfläche stehen.






Weiter geht’s am anderen Morgen, diesmal sind wir uns relativ sicher, dass wir diese Strecke schon kennen.

Die Häuser in den Dörfern haben schmucke Bauchbinden, Flieder und andere blühende Sträucher umrahmen sie aufs Schönste, der Frühling ist hier erst am Start.





Wieder schlängelt sich die Straße in unendlichen Kurven hinauf und hinauf.






Auf dem Borsa Pass steht ein Kloster, umrahmt von der Silhouette verschneiter Berggipfel.

Ein kurzer Stopp und weiter geht’s.






Unser Ziel ist Vişeu de Sus. Von hier fährt die Mocăniţă, die Wassertalbahn. Sie ist die letzte schmalspurige Waldbahn der Ostkarpaten, die noch in die Wälder nahe der ukrainischen Grenze fährt. Nach dem ersten Weltkrieg für den Holztransport gebaut, wird sie seither für diesen Zweck eingesetzt. Zuerst mit Dampfloks, später auch mit kleinen Dieselloks, fährt sie als letzte Forstbahn Europas die etwa 60 Kilometer lange Strecke.

Auf etwas mehr als 20 Kilometern wird sie mittlerweile als Personenbahn für Touristen genutzt. Durch herrlichste Natur stampfen die Dampfloks von Vişeu de Sus bis Paltin durch das Vaser-Tal. Die Vaser durchquert das Maramureş-Gebirge, ein letztes Stück fast unberührter Natur.





Vor 16 Jahren hatten wir schon einmal versucht, diese spektakuläre Bahnstrecke zu fahren. Damals hätten uns die Holzfäller mit ihrem Arbeitszug mitgenommen. Leider kamen wir nur ein paar Kilometer weit, dann ging die Diesellok kaputt und wir mussten zurück.

Man hatte gerade erst begonnen, auch eine Touristenbahn fahren zu lassen, aber mit dem Arbeitszug wäre es natürlich ein echtes Abenteuer gewesen.

Inzwischen gibt es einen richtigen Bahnhof mit Cafè und Souvenirshop, der Zug fährt in der Vorsaison drei Mal täglich. Nichtsdestotrotz wollen wir diesmal hinauf in den Wald fahren.




Am Bahnhof gibt es einen großen Parkplatz, auf dem man auch übernachten darf, im schmucken Bahnhofsgebäude können wir die vorher online gebuchten Tickets abholen, man spricht Deutsch.



Unser Wecker kllingelt um 7.00 Uhr, damit wir pünktlich am Bahnsteig sind. Unser Zug fährt um 10.00 Uhr, wir wurden gebeten, uns eine halbe Stunde vorher einzufinden.




Dampfend, fauchend und immer wieder schrill pfeifend steht die schwarze Lok am Gleis, als käme sie direkt aus Lummerland und Lukas, der Lokomotivführer, wäre nur noch schnell einen Kaffee trinken gegangen. Man erwartet fast, dass Jim Knopf jeden Moment um die Ecke kommt.





Sechs Waggons sind hinter dem Tenderwagen angehängt, der mit Holz beladen ist. Wir steigen in den letzten und suchen uns Plätze am Fenster.




Ein zünftiger Pfiff ertönt, der Zug ruckelt ein paar Mal, dann rollt er aus dem Bahnhof. Langsam fährt er zuerst noch durch kleine Ortschaften, vorbei an alten und neuen Häusern, es folgen Wiesen und kleinen Gärten. Dann aber rücken Wald und Felsen so dicht an die Gleise, dass man sie mit der Hand berühren kann.







Das Bähnlein zuckelt gemächlich dahin, stößt immer mal wieder einen Pfiff und jede Menge Dampf aus. Mitunter überqueren wir den Fluss, die Ausblicke wechseln. Irgendwann endet die bisher parallel laufende Straße, es gibt nur noch Schlammwege und Furten.





Nach etwa anderthalb Stunden erreichen wir die erste Station.




In Glimboaca wird die Lok mit Wasser aufgetankt, für die Fahrgäste gibt es am Kiosk einen Imbiss, Kaffee und kalte Getränke.

Wieder mit einem langgezogenen Pfiff ruft der Lokführer zur Weiterfahrt.

Die Vaser rauscht neben uns, gespeist von unzähligen Bächlein, Rinnsalen und Wasserfällen, die sich aus den Bergen in sie ergießen.





Durch schöne lichte Buchenwälder, über zwei Brücken und durch ein schön geschnitztes Tor stampft die Wassertalbahn um Kurven und auf Geraden bis Paltin, der Endstation, über der der Novicior 1452m hoch aufragt.

Alles aussteigen!






Auf einfache Weise ist man hier auf die Touristen vorbereitet. Es gibt Speis und Trank und ein kleines Museum, das die Geschichte der Mocăniţă erzählt. Ein kurzer Film zeigt die Bahn aus Perspektiven, die man natürlich aus dem Zug heraus und von unten nicht sehen kann.






Und er zeigt sie im Winter, im Schnee, was seinen ganz eigenen Reiz hat.



Wir vertreten uns noch ein wenig die Füße bis es wieder los geht.







Nach anderthalb Stunden ertönt der melodische Pfiff der kleinen Lok. Einsteigen bitte!

Es geht zurück nach Vişeu de Sus.

Blitzartig leert sich die Station, die eben noch voller Menschen war. Auch das Personal hat in Rekordtempo alles auf und eingeräumt, zugeschlossen und verriegelt und steigt in einen älteren kleinen Ford-Bus, der, auf Schmalspurschienen gesetzt, hinter uns her rollt.







Waren wir auf der Hinfahrt im letzten Waggon, sind wir jetzt im ersten, direkt hinter dem Tender.



Noch einmal genießen wir die traumhafte Strecke durch das Vasertal. Wir fühlen uns wie die Kinder. Allein das Geräusch und der Geruch einer Dampflok versetzt uns in unsere Kindheit zurück.

Was für ein wunderbarer Tag!







Wieder am Bahnhof angekommen, verbringen wir eine weitere Nacht auf dem Parkplatz, der sich am nächsten Morgen schnell mit Autos füllt. Als drei kleine Loks zum Einsatz abgeholt werden, verlassen wir das Bahnhofsgelände.



Auf der Straße Nr. 18, einer phantastischen Bergstrecke, schlängeln wir uns durch viele Haarnadelkurven zunächst bis zum Gasthaus „Hanul Tentea“. Hier essen die Fernfahrer, es muss also gut sein. Wir bekommen üppige Maramureş Küche, viel Gegrilltes, das wir nicht schaffen. Die Reste werden uns eingepackt. Das Beste aber ist Papanaşi, das Dessert, das wir uns hier gönnen. Unglaublich köstlich!








Weitere Kurven, bergauf und bergab gilt es zu bewältigen, bis nach Baja Mare.


Auf dem Parkplatz vor dem Ethnologischen Museum finden wir einen Platz für die Nacht.




Wie es weitergeht und warum wir doch schneller als gedacht wieder in Berlin sind, erfahrt Ihr beim nächsten Mal.


Bis bald also

Doris und Rüdiger