Montag, 27. November 2023

Möchten Sie sich setzen?

 




"Möchten Sie sich setzen?" Es ist nach Elf Uhr abends, wir sind auf dem Weg nach Hause, fahren mit der U-Bahn Linie 5, als uns diese Frage von einem jungen Mann gestellt wird. Erstaunen unsererseits, ich nehme dankend an. Das passiert uns, seit wir öfter mit den ÖPNV fahren, nicht zum ersten Mal. Was geht hier vor? Sehen wir nun tatsächlich so alt aus oder ändert sich etwas in unserer Stadt?

Dieses Erlebnis rundet einen schönen Abend aufs Angenehmste ab, der in einem hervorragenden vietnamesischen Restaurant begann und im Pfefferberg-Theater mit einer Lesung von Andreas Altmann aus seinem neuen Buch „Morning has broken“ seinen Höhepunkt hatte. Andreas Altmann ist kein besonders guter Vorleser, alles ist ein wenig abgehackt, manchmal unzusammenhängend durch seine eingeschobenen Erklärungen, aber der Inhalt und sein Schreibstil sind immer wieder ein Genuss.






Dieser Abend ist einer in einer Reihe von so einigen kulturellen Events, die wir uns in diesem Winter gönnen. Wenn wir schon mal hier sein müssen...

Nach diesem stressigen Sommer, entspannt uns das.

Inzwischen ist auch die Solaranlage aufgebaut. Leider stellt sich heraus, dass die Lithiumbatterie kaputt ist. Wir schicken sie ein und bekommen sie repariert zurück. Das bedeutet mehrere Male den Beifahrersitz aus- und wieder einbauen. Irgendwann funktioniert dann alles.







Rüdiger und ich fahren nach Sachsen. Und finden wunderschöne Ecken.

In Bad Düben laufen wir den Lutherweg entlang,







in Grimma treffen wir auf eine der schönsten Altstädte Sachsens.








Rüdiger bleibt in dem schönen Städtchen an der Mulde und entdeckt ein tolles Radwegenetz, während ich mit dem Regionalzug nach Leipzig fahre.


Eine Reise nach Leipzig haben meine Freundin Tina und ich seit längerem verabredet und gebucht. Endlich ist es soweit. Mädelstage.




Wir steigen ab im ehemaligen Messehaus am Ring, dem damals zweitgrößten in Leipzig, heute das Travel24 Hotel.



Natürlich gehört eine Stadtführung zum Programm, denn Tina war noch nie in Leipzig und bei mir ist es Jahrzehnte her. Ich habe Leipzig als beeindruckende, aber graue und vor allem marode Stadt in Erinnerung. Wie hat sie sich verändert! Stolz und schmuck begrüßt sie uns.

Wir haben ausgesprochenes Glück mit unserer Stadtführerin. Frau Schäuble ist Leipziger Urgestein und bringt uns die Stadt und ihre Geschichte unterhaltsam und lebensecht nahe. Es macht großen Spaß ihren Anekdoten und Geschichtchen im schönsten Leipzscher Sächsch zu lauschen.







Wir erfahren viel über die Ursprünge der Stadt, dass ihr Name wohl soviel wie „Ort bei den Linden“ bedeutet, über den Pelzhandel, die Entstehung der Messe und natürlich über die Montagsdemonstrationen 1989.







Die berühmten Passagen, die die ganze Innenstadt durchziehen und deren berühmteste die Mädlerpassage mit Auerbachs Keller ist, versetzen uns in Staunen






ebenso wie die geniale Idee der Architekten, nach der Wende den Brühl neu zu bebauen, indem die alte Straßenführung nachempfunden wird und auf einige neue Fassaden die der alten Häuser als Pixel aufgebracht werden.

Nach der Führung besuchen wir noch die Thomaskirche, bekannt durch das Wirken Bachs und ihren weltbekannten Knabenchor, und die Nikolaikirche, wo 1989 die Montagsdemonstrationen ihren Anfang nahmen.








Am Nachmittag gehen wir ins Kino. Die Neuverfilmung von Erich Kästners „Das fliegende Klassenzimmer“ hat uns beide neugierig gemacht. Zunächst bin ich skeptisch, aber nach Kurzem wird mir klar, hier hat jemand Kästners Buch in die heutige Zeit übertragen und doch den Grundgedanken des Autors mitgenommen. Gut gemacht!


Der Stadtführung folgt am nächsten Tag eine Stadtrundfahrt mit einem der Hop-on-hop-off-Busse. Wir steigen am Schlösschen Gohlis aus,





wandern durch den Leipziger Auwald, vorbei an Leipzigs ältestem Baum







von dort zum Schillerhaus




steigen wieder in den Bus und lassen uns an den Sehenswürdigkeiten vorbei kutschieren.

Auch hier erklärt eine alte Leipzigerin, was wir sehen: Die Universität, das Völkerschlachtdenkmal, das Gewandhaus.









Und dann ist es auch schon wieder vorbei. Die Zeit vergeht wie im Flug, schön und intensiv war sie, aber zu kurz, wie immer in solchen Fällen.

Danke Tina!

Wir gehen zurück zum Bahnhof, ich steige wieder in die Regionalbahn, für den hier anscheinend die fast historischen Züge benutzt werden,






Rüdiger steht schon am Bahnhof.

Nächster Halt ist Dessau. Dort wartet ein spannender Abend auf uns, eine Welturaufführung.

Zuvor jedoch essen wir ein weiteres Mal hervorragend bei „Tobi or not to be“




dann gehen wir hinüber zum Theater.






Wir erleben Ferdinand von Schirach zum ersten Mal als Schauspieler auf der Bühne mit seinem Stück „Regen“. Ein anderthalbstündiger Monolog, der nicht eine Sekunde langweilig ist, von philosophischer Tiefe und Zeugnis einer umfassenden humanistischen Bildung des Autors. Großartig!



Die Stadt Dessau hat sich für Leute, die nachts die Stadt mit dem Auto verlassen wollen ein paar besondere Irreführungen durch Baustellen und missverständliche Umleitungsschilder ausgedacht. Nach ein paar Ehrenrunden finden wir aber doch hinaus und erreichen einen Übernachtungsplatz, von dem aus wir am nächsten Morgen nach Sachsen-Anhalt fahren.

Der Garten wird winterfest gemacht, wir nehmen Abschied für dieses Jahr, obwohl es für Ende Oktober noch erstaunlich warm ist.





Als Kind habe ich die meisten Sommer in Woltersdorf/Erkner bei Berlin verbracht, im Garten meiner Großeltern. Als Garten unserer Familie existiert er nicht mehr, aber es weckt schöne Erinnerungen wieder nach Woltersdorf zu fahren. Dort wohnen Kerstin und Lutze, die wir in Waffenrod kennengelernt haben. Wir verbringen einen ausgesprochen netten Abend bei den Beiden und machen uns am anderen Morgen auf den Weg nach Berlin.



Hier wartet unser nächstes Event auf uns. Im Speicher in Kreuzberg besuchen wir „Dalí surreal“, ein Erlebnis der besonderen Art.



Wir waren schon in Figueres, im Dalí Museum, das hat uns ziemlich beeindruckt, aber das Werk Dalís erschließt sich hier noch einmal von einer ganz anderen Seite. Er hat sämtliche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit aufgesogen wie ein Schwamm, in seinem Werk interpretiert und einfließen lassen.







Eine 3D Brille sorgt dafür, dass wir inmitten seiner Figuren sitzen und von ihnen umschwebt werden.





Dann kommt das Unglaublichste.

Ich habe schon einiges von Cyberbrillen gelesen, aber noch nie eine ausprobieren können. Rüdiger geht es genauso. Nun bekommen wir die Möglichkeit mit einer solchen Brille in Dalís Universum einzutauchen.




Es ist unbeschreiblich. Wir wandern durch diese virtuelle Welt, es fühlt sich so echt an und nur die schwebenden Taucherhelme, als die wir die anderen, die mit uns im Raum sind, sehen, erinnern uns daran, dass wir in einer nicht real existierenden Welt spazieren gehen.

Wir befinden uns auf den Planken eines Schiffes, dass durch ein blaues Meer fährt, Schmetterlinge umgauckeln uns, am Horizont steht goldgelb die Sonne, bis sich das Wasser in Sand verwandelt, eine Wüste, durch die Elefanten auf langen dünnen Beinen staksen. Später schweben wir durchs All, die Schmetterlinge leuchten nun wie Glühwürmchen...

Nach 12 Minuten ist es vorbei und ich kann verstehen, warum man danach süchtig werden kann.

Diese Ausstellung ist einfach grandios.


Anfang November besuchen uns Andrea und Kai aus Friesoythe. Wir freuen uns riesig, dass das nach langer Zeit endlich geklappt hat.

Die Beiden haben sich das volle Tourie-Programm gewünscht. Wir fahren also mit der Kanzler-U-Bahn bis zum Brandenburger Tor



bummeln die Linden hinunter,



streifen durchs Holocoust-Mahnmal,




schauen kurz im Humboldt-Forum vorbei,



besuchen die Weltzeituhr und den Alexanderplatz, essen bei Konopke im Prenzlauer Berg eine Currywurst, bevor wir zu Hause eine Ruhepause einlegen.



Für den Abend hat Rüdiger etwas auch für uns ganz Neues und Spannendes herausgesucht: ein Konzert im ORWO-Haus.



In der ehemaligen Produktionsstätte für Filmmaterial haben junge Musiker ein Domizil für Bandproben gefunden. Ab und zu gibt es Konzerte.

Uns erwartet an diesem Abend Doom-Metal unter anderem aus Finnland.




Das Publikum ist phantasievoll schwarz gekleidet und zum größten Teil jung. Wir bilden da schon eine Ausnahme, aber niemand schaut uns komisch an oder grinst. Alle sind freundlich und wir kommen mit zwei jungen Männern ins Gespräch, die es cool finden, dass wir uns auf was Neues einlassen in unserem Alter.


Und dann geht es los. Die ersten Töne zerreißen uns fast das Trommelfell, der Sänger röhrt ins Mikrofon. Die Songs haben Titel, die auf ernsthafte Texte schließen lassen, die man bei dieser Gesangstechnik leider nicht mal im Ansatz versteht. Das ist die erste Band.

Vier Bands spielen an diesem Abend jeweils etwa eine Dreiviertelstunde.

Die zweite ist leider kaum zu hören, weil ihre Technik irgendwie nicht richtig funktioniert, aber die dritte reißt uns dann richtig mit. Die Barden aus Finnland machen ordentlich was her, schwenken ihre blonden, zu vielen Zöpfen geflochtenen Mähnen und auch im Publikum ist „headbanging“ angesagt. Mir tut meine Halswirbelsäule schon beim Hingucken weh, aber alle haben anscheinend richtig Spaß.




Danach sind wir platt. Die vierte Band braucht einfach zu lange, um ihre Instrumente aufzubauen, es ist kurz vor Mitternacht, wir verabschieden uns von den beiden netten jungen Männern – alte Leute brauchen ihren Schlaf.


Unsere Gäste reisen augenscheinlich zufrieden nach diesem ereignisreichen Wochenende wieder ab.

Wir machen uns bereit für einen weiteren Einsatz zum Hunde-und-Hühner-hüten in der Prignitz bei unserer Jüngsten.

Die ruhigen Tage in der Abgeschiedenheit tun uns ausgesprochen gut. Das nächste Großereignis steht ja auch schon wieder bevor. Mein Vater wird 90 Jahre alt und das muss natürlich entsprechend gefeiert werden.

Es wird eine Familienfeier mit allem Drum und Dran.







Es folgt oben beschriebener literarischer Abend mit Andreas Altmann, einem unserer Lieblingsreiseschriftsteller.

Am nächsten morgen fahren wir noch einmal ins Havelland, um uns von unserem Sohn und Familie zu verabschieden. Diesmal sind wir mit dem Zug unterwegs, denn um in dieser Jahreszeit alle Wege zu bewältigen haben wir uns ein Deutschlandticket geleistet. Berlin hat ein, wie wir finden, sehr gutes öffentliches Nahverkehrsnetz und bei den vielen Veranstaltungen lohnt sich das einfach. Wir fahren also Bahn, S- und U-Bahn, Straßenbahn und Bus, wie immer wir es brauchen. Sehr bequem.


Leider haben wir uns irgendwo unterwegs einen Infekt eingefangen. Wir husten und schnupfen ein paar Tage vor uns hin, sehen aber zu, dass wir für die letzten zwei Wochen vor unserer Abreise in den Süden wieder fit werden. Wir haben noch einiges vor.

Doch darüber berichten wir beim nächsten Mal.


Bis dann also

Doris und Rüdiger