Mittwoch, 15. November 2017

Wie im Märchen


Staunt euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
          Ray Bradbury
 


Ja, liebe Freunde, so ist es. Die Welt ist fantastisch. Und sie ist kein Traum. Was wir in den letzten Tagen erlebt und gesehen haben war traumhaft, aber wirklich.


Da war zuerst Cordoba.
Am ersten Abend schlendern wir an der spanischen Reitschule vorbei durch die engen alten Gassen und lassen uns treiben. 



Die Altstadt ist voller Menschen, Bars, Cafès und Restaurants sind gut besucht, vor den angesagten Etablissements stehen vor allem junge Leute in dichten Trauben. Die Souvenirläden und einige andere sind geöffnet. So finde ich zwei neue Tagebücher für kleines Geld, hergestellt in Spanien. Perfekt.
Am nächsten Tag laufen wir an der Stadtmauer entlang bis zur alten römischen Brücke, die sich in einem leichten Bogen über den Rio Guadalquivir spannt. 

 
Früher gab es hier vier Wassermühlen. Eins der alten Mühlräder ist erhalten und wirkt wie ein hölzernes Riesenrad.


Am Eingang der Burg, deren Garten als sehenswert im Reiseführer gepriesen wird, steht eine lange Schlange. Darauf haben wir keine Lust und begnügen uns mit der Betrachtung der Mauern und Zinnen von außen.
 
Das Herz der Altstadt ist die Mezquita Kathedrale, die mitten hinein in eine Moschee gebaut wurde, welche an die 1000 Jahre alt ist. Eine unglaubliche Symbiose.
Auf den Fundamenten einer gotischen Basilika ließ Abd-ur-Rahman I. Ende des 8. Jahrhunderts eine Moschee bauen. Sie wurde erweitert und umgebaut bis sie die heutigen Ausmaße hatte. Nach der Eroberung Cordobas 1236 wurde sie nicht etwa abgerissen, sondern dem katholischen Kult geweiht. Ein späterer Bischof, der die Schönheit des vorhandenen Baus zu würdigen wusste, fand einfallsreiche Architekten, die eine katholische Kathedrale in den Bau der alten Moschee einfügten. So ist der Geist beider Religionen erhalten geblieben.
Das Ensemble ist riesig. Würde es noch als Moschee genutzt, wäre sie die drittgrößte der Welt.
An Sonntagen öffnet sie für Besucher erst ab 15.00 Uhr, vormittags wird die Messe gefeiert.
Wir haben also Zeit und suchen uns eine Taverne. Sie ist klein und gemütlich, die Wände tapeziert mit Plakaten für die Stierkämpfe früherer Zeiten. Wir essen Tapas und trinken Bier,


dann machen wir uns auf zur Kathedrale.
Die Schlange am Ticketschalter ist lang, verkürzt sich aber deutlich, als zwei weitere Schalter öffnen. Der schattige Innenhof mit den Orangenbäumen macht das Warten angenehm. 

 
Dann betreten wir die Mezquita.
Wir wandern durch den Wald aus Säulen und Bögen bis wir zum Hauptschiff der Kirche gelangen. Bombastisch, pompös, überwältigend präsentiert sich hier das christlich-katholische Abendland. Wir schauen und staunen.







Wieder draußen in der hellen Sonne ist es, als erwachten wir aus einem Traum.
Die Sonne steht schon tief und uns tun die Füße weh. Für diesmal ist es genug.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf in Richtung Sevilla. Nach zwei Tagen Pflaster treten brauchen wir eine Pause. Etwa 30 Kilometer hinter Cordoba liegt Almodovar del Rio. Unterhalb der Burg soll es einen Parkplatz geben, auf dem man übernachten kann. Auf geht’s.
Was wir dann vorfinden ist grandios. Ein Parkplatz mit Panoramablick am Fuße der Burg.




Das Castello de Almodovar ist in Privatbesitz, kann aber besichtigt werden. Eigentlich wollten wir ja ausruhen, aber das lassen wir uns nicht entgehen. Ein steiler Pfad führt vom Parkplatz hinauf bis zum Panoramaweg, der das Gemäuer halb umrundet und immer wieder phantastische Ausblicke bietet. Dann sind wir oben.
Ihr wollt eine Ritterburg wie aus dem Märchen? Hier ist sie.

 





Wir sind ein weiteres Mal überwältigt. Türme und Zinnen, Rüstungen, Wappen und Hellebarden sind liebevoll gepflegt und arrangiert. Aus verborgenen Lautsprechern ertönt leise mittelalterliche Musik, die Fahnen wehen auf den Türmen,


im Verlies sind zwei Gefangene angekettet, bewacht von einem Soldaten,


im Hauptturm legt ein Vasall den Eid ab. Auf einem der Türme finden wir den Stein mit dem berühmten Schwert „Excalibur“ 


umringt von einer Sammlung anderer berühmter Schwerter, darunter das des Cid, des Nationalhelden Spaniens. 


Wir lassen uns ein auf diese Zeitreise und tauchen in eine Märchenwelt ein in der es sogar echte Ritter gibt.


Hier frönen wir auch wieder unserer heimlichen Leidenschaft, dem Treppensteigen.



Selbst die Toiletten fügen sich ins Ambiente.


Die Krönung ist dann der Sonnenuntergang, der die weite Landschaft unter uns in Feuer taucht. Der Himmel brennt.



Im Shop stoßen wir auf einige eindeutige „Devotionalien“ und mir wird klar, dass wir uns am Drehort von „Game of Thrones“ befinden. Fans hätten das wahrscheinlich gleich beim betreten der Burg bemerkt, aber da wir seit einigen Jahren ohne Fernsehen leben, kenne ich die Serie nur aus der unvermeidlichen Werbung in Zeitschriften.
Als wir hinunter steigen leuchtet die angestrahlte Burg wie ein goldenes Juwel im Abendlicht. Von meinem Fenster aus kann ich sie sehen. Sie schwebt förmlich in der Dunkelheit. Ob ich sie wohl mit in meine Träume nehme?



 


Und dann Sevilla.
Auch durch Sevilla fließt der Guadalquivir, überspannt von vielen Brücken. Unser Stellplatz befindet auf dem Hafengelände, so müssen wir, um ins Centro zu gelangen, über eine davon. Das machen wir mit dem Fahrrad. Am Fluss entlang gelangen wir zum berühmtesten Bauwerk der Stadt, der Catedral y Giralda, der größten gotischen Kathedrale der Welt. Nach der Rückeroberung Sevillas durch Ferdinand III. wurde sie auf den Fundamenten der Hauptmoschee der Stadt gebaut. Erweitert durch Renaissance- und Barockbauten besteht sie aus zig Seitenschiffen und -kapellen. Man kann sich in ihr verlaufen.



Die Altäre, Chöre und Kapellen sind prunkvoll. Gold glänzt, Juwelen funkeln, Ornamente ranken sich wohin das Auge blickt.













Die Grabstätte Christoph Kolumbus' ist fast schlicht zu nennen in all dem Pomp. 

 
Dabei gibt es viele schöne Details: die Decken, die Schnitzereien, die lebendig wirkenden Figuren, die Gemälde berühmter Meister – Goya und Murillo, um nur zwei zu nennen – die herrlichen Glasfenster und vieles mehr.





 
Es sollte uns doch ein ehrfürchtiger Schauer anwandeln. Wandelt aber nicht, wir sind eher etwas überfordert. Deshalb steigen wir auf den Turm. Vierunddreißig Etagen müssen wir bewältigen und machen uns wieder auf Stufen gefasst. Aber ein barmherziger Baumeister hat statt der Treppen langsam ansteigende Schrägen eingebaut. Das geht viel leichter.


 Oben hängen die mächtigen Glocken über uns und wir haben einen schönen Blick über die Stadt. 


 Wieder unten gehen wir über den Orangenhof unter der Sonnenuhr hindurch auf die Plaza Virgen de los Reyes hinaus. 


Gegenüber, vor der Real Alcazar, der Königsburg, steht eine lange Menschenschlange. Wir gehen daran vorbei, einmal ums Karree zur Plaza Nueva, dann zurück zu unseren Rädern. Über die Avenida del Cid und durch den Parque de Maria Luisa erreichen wir die Plaza España.
Durch ein riesiges Gebäude im Halbrund von 200 Metern Durchmesser entsteht der weitläufige Platz. Errichtet anlässlich der Iberoamerikanischen Ausstellung, die Sevilla 1929 veranstaltete, soll es eine Umarmung der südamerikanischen Kolonien durch Spanien symbolisieren. 




 Ringsum verläuft ein Kanal auf dem man mit Booten rudern kann. 

 Vier Brücken überspannen ihn, die die vier Königreiche Spaniens repräsentieren. 


 An den Wänden befindet sich eine Reihe von 48 Kachelornamenten für die spanischen Provinzen. 

 
Kacheln sind überhaupt das hervorragende Gestaltungselement. 


Die Geländer am Kanal und über die Brücken, die Bänke, die Stufen... überall findet man sie.
Hier, an der Plaza España haben wir das erste Mal das Gefühl von Ruhe. Man kann sich auf eine der Bänke am Rand des Kanals oder im Park setzen und einfach alles auf sich wirken lassen.
Da sämtliche öffentlichen Toiletten die wir finden ausser Betrieb sind treibt es uns zurück zum Düdo.
Und irgendwie ist es auch genug.
Sevilla ist schön, keine Frage, grandiose Bauten, weitläufige Alleen kunstvolle Architektur, herrliche Parks, aber irgendwie macht es uns nicht an. Wir empfinden es als hektisch und sehr touristisch. Im Gegensatz dazu war Cordoba entspannt und gemütlich. Dort spürten wir ihn, den Schauer.
Wir werden also morgen diese berühmte, spektakuläre Stadt verlassen und Richtung Meer fahren.
Der Plan ist, spätestens am Wochenende nach Marokko überzusetzen.


Bis bald also
Doris und Rüdiger






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