Staunt
euch die Augen aus dem Kopf, lebt, als würdet ihr in zehn Sekunden
tot umfallen. Bereist die Welt. Sie ist fantastischer als jeder
Traum, der in einer Fabrik hergestellt wird.
Ray Bradbury
Ray Bradbury
Ja,
liebe Freunde, so ist es. Die Welt ist fantastisch. Und sie ist kein
Traum. Was wir in den letzten Tagen erlebt und gesehen haben war
traumhaft, aber wirklich.
Da
war zuerst Cordoba.
Am
ersten Abend schlendern wir an der spanischen Reitschule vorbei durch
die engen alten Gassen und lassen uns treiben.
Die Altstadt ist
voller Menschen, Bars, Cafès und Restaurants sind gut besucht, vor
den angesagten Etablissements stehen vor allem junge Leute in dichten
Trauben. Die Souvenirläden und einige andere sind geöffnet. So
finde ich zwei neue Tagebücher für kleines Geld, hergestellt in
Spanien. Perfekt.
Am
nächsten Tag laufen wir an der Stadtmauer entlang bis zur alten
römischen Brücke, die sich in einem leichten Bogen über den Rio
Guadalquivir spannt.
Früher
gab es hier vier Wassermühlen. Eins der alten Mühlräder ist
erhalten und wirkt wie ein hölzernes Riesenrad.
Am
Eingang der Burg, deren Garten als sehenswert im Reiseführer
gepriesen wird, steht eine lange Schlange. Darauf haben wir keine
Lust und begnügen uns mit der Betrachtung der Mauern und Zinnen von
außen.
Das
Herz der Altstadt ist die Mezquita Kathedrale, die mitten hinein in
eine Moschee gebaut wurde, welche an die 1000 Jahre alt ist. Eine
unglaubliche Symbiose.
Auf
den Fundamenten einer gotischen Basilika ließ Abd-ur-Rahman I. Ende
des 8. Jahrhunderts eine Moschee bauen. Sie wurde erweitert und
umgebaut bis sie die heutigen Ausmaße hatte. Nach der Eroberung
Cordobas 1236 wurde sie nicht etwa abgerissen, sondern dem
katholischen Kult geweiht. Ein späterer Bischof, der die Schönheit
des vorhandenen Baus zu würdigen wusste, fand einfallsreiche
Architekten, die eine katholische Kathedrale in den Bau der alten
Moschee einfügten. So ist der Geist beider Religionen erhalten
geblieben.
Das
Ensemble ist riesig. Würde es noch als Moschee genutzt, wäre sie
die drittgrößte der Welt.
An
Sonntagen öffnet sie für Besucher erst ab 15.00 Uhr, vormittags
wird die Messe gefeiert.
Wir
haben also Zeit und suchen uns eine Taverne. Sie ist klein und
gemütlich, die Wände tapeziert mit Plakaten für die Stierkämpfe
früherer Zeiten. Wir essen Tapas und trinken Bier,
dann
machen wir uns auf zur Kathedrale.
Die
Schlange am Ticketschalter ist lang, verkürzt sich aber deutlich,
als zwei weitere Schalter öffnen. Der schattige Innenhof mit den
Orangenbäumen macht das Warten angenehm.
Dann
betreten wir die Mezquita.
Wir
wandern durch den Wald aus Säulen und Bögen bis wir zum Hauptschiff
der Kirche gelangen. Bombastisch, pompös, überwältigend
präsentiert sich hier das christlich-katholische Abendland. Wir
schauen und staunen.
Wieder
draußen in der hellen Sonne ist es, als erwachten wir aus einem
Traum.
Die
Sonne steht schon tief und uns tun die Füße weh. Für diesmal ist
es genug.
Am
nächsten Morgen machen wir uns auf in Richtung Sevilla. Nach zwei
Tagen Pflaster treten brauchen wir eine Pause. Etwa 30 Kilometer
hinter Cordoba liegt Almodovar del Rio. Unterhalb der Burg soll es
einen Parkplatz geben, auf dem man übernachten kann. Auf geht’s.
Was
wir dann vorfinden ist grandios. Ein Parkplatz mit Panoramablick am
Fuße der Burg.
Das
Castello de Almodovar ist in Privatbesitz, kann aber besichtigt
werden. Eigentlich wollten wir ja ausruhen, aber das lassen wir uns
nicht entgehen. Ein steiler Pfad führt vom Parkplatz hinauf bis zum
Panoramaweg, der das Gemäuer halb umrundet und immer wieder
phantastische Ausblicke bietet. Dann sind wir oben.
Ihr
wollt eine Ritterburg wie aus dem Märchen? Hier ist sie.
Wir
sind ein weiteres Mal überwältigt. Türme und Zinnen, Rüstungen,
Wappen und Hellebarden sind liebevoll gepflegt und arrangiert. Aus
verborgenen Lautsprechern ertönt leise mittelalterliche Musik, die
Fahnen wehen auf den Türmen,
im Verlies sind zwei Gefangene
angekettet, bewacht von einem Soldaten,
im Hauptturm legt ein Vasall
den Eid ab. Auf einem der Türme finden wir den Stein mit dem
berühmten Schwert „Excalibur“
umringt von einer Sammlung anderer
berühmter Schwerter, darunter das des Cid, des Nationalhelden
Spaniens.
Wir lassen uns ein auf diese Zeitreise und tauchen in eine
Märchenwelt ein in der es sogar echte Ritter gibt.
Hier
frönen wir auch wieder unserer heimlichen Leidenschaft, dem
Treppensteigen.
Selbst
die Toiletten fügen sich ins Ambiente.
Die
Krönung ist dann der Sonnenuntergang, der die weite Landschaft unter
uns in Feuer taucht. Der Himmel brennt.
Im
Shop stoßen wir auf einige eindeutige „Devotionalien“ und mir
wird klar, dass wir uns am Drehort von „Game of Thrones“
befinden. Fans hätten das wahrscheinlich gleich beim betreten der
Burg bemerkt, aber da wir seit einigen Jahren ohne Fernsehen leben,
kenne ich die Serie nur aus der unvermeidlichen Werbung in
Zeitschriften.
Als
wir hinunter steigen leuchtet die angestrahlte Burg wie ein goldenes
Juwel im Abendlicht. Von meinem Fenster aus kann ich sie sehen. Sie
schwebt förmlich in der Dunkelheit. Ob ich sie wohl mit in meine
Träume nehme?
Und
dann Sevilla.
Auch
durch Sevilla fließt der Guadalquivir, überspannt von vielen
Brücken. Unser Stellplatz befindet auf dem Hafengelände, so müssen
wir, um ins Centro zu gelangen, über eine davon. Das machen wir mit
dem Fahrrad. Am Fluss entlang gelangen wir zum berühmtesten Bauwerk
der Stadt, der Catedral y Giralda, der größten gotischen
Kathedrale der Welt. Nach der Rückeroberung Sevillas durch Ferdinand
III. wurde sie auf den Fundamenten der Hauptmoschee der Stadt gebaut.
Erweitert durch Renaissance- und Barockbauten besteht sie aus zig
Seitenschiffen und -kapellen. Man kann sich in ihr verlaufen.
Die
Altäre, Chöre und Kapellen sind prunkvoll. Gold glänzt, Juwelen
funkeln, Ornamente ranken sich wohin das Auge blickt.
Die Grabstätte
Christoph Kolumbus' ist fast schlicht zu nennen in all dem Pomp.
Dabei
gibt es viele schöne Details: die Decken, die Schnitzereien, die
lebendig wirkenden Figuren, die Gemälde berühmter Meister – Goya
und Murillo, um nur zwei zu nennen – die herrlichen Glasfenster und
vieles mehr.
Es
sollte uns doch ein ehrfürchtiger Schauer anwandeln. Wandelt aber
nicht, wir sind eher etwas überfordert. Deshalb steigen wir auf den
Turm. Vierunddreißig Etagen müssen wir bewältigen und machen uns
wieder auf Stufen gefasst. Aber ein barmherziger Baumeister hat statt
der Treppen langsam ansteigende Schrägen eingebaut. Das geht viel
leichter.
Oben hängen die mächtigen Glocken über uns und wir haben
einen schönen Blick über die Stadt.
Wieder
unten gehen wir über den Orangenhof unter der Sonnenuhr hindurch auf
die Plaza Virgen de los Reyes hinaus.
Gegenüber, vor der Real
Alcazar, der Königsburg, steht eine lange Menschenschlange. Wir
gehen daran vorbei, einmal ums Karree zur Plaza Nueva, dann zurück
zu unseren Rädern. Über die Avenida del Cid und durch den Parque de
Maria Luisa erreichen wir die Plaza España.
Durch
ein riesiges Gebäude im Halbrund von 200 Metern Durchmesser entsteht
der weitläufige Platz. Errichtet anlässlich der
Iberoamerikanischen Ausstellung, die Sevilla 1929 veranstaltete, soll
es eine Umarmung der südamerikanischen Kolonien durch Spanien
symbolisieren.
Ringsum verläuft ein Kanal auf dem man mit Booten
rudern kann.
Vier Brücken überspannen ihn, die die vier Königreiche
Spaniens repräsentieren.
An den Wänden befindet sich eine Reihe von
48 Kachelornamenten für die spanischen Provinzen.
Kacheln
sind überhaupt das hervorragende Gestaltungselement.
Die Geländer
am Kanal und über die Brücken, die Bänke, die Stufen... überall
findet man sie.
Hier,
an der Plaza España
haben wir das erste Mal das Gefühl von Ruhe. Man kann sich auf eine
der Bänke am Rand des Kanals oder im Park setzen und einfach alles
auf sich wirken lassen.
Da
sämtliche öffentlichen Toiletten die wir finden ausser Betrieb sind
treibt es uns zurück zum Düdo.
Und
irgendwie ist es auch genug.
Sevilla
ist schön, keine Frage, grandiose Bauten, weitläufige Alleen
kunstvolle Architektur, herrliche Parks, aber irgendwie macht es uns
nicht an. Wir empfinden es als hektisch und sehr touristisch. Im
Gegensatz dazu war Cordoba entspannt und gemütlich. Dort spürten
wir ihn, den Schauer.
Wir
werden also morgen diese berühmte, spektakuläre Stadt verlassen und
Richtung Meer fahren.
Der
Plan ist, spätestens am Wochenende nach Marokko überzusetzen.
Bis
bald also
Doris
und Rüdiger
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen