Dienstag, 11. Juli 2017

Europas Älteste




Sommer

Im Sommer ißt man grüne Bohnen,
Pfirsiche, Kirschen und Melonen.
In jeder Hinsicht schön und lang
bilden die Tage einen Klang.

Durch Länder fahren Eisenbahnen,
auf Häusern flattern lust'ge Fahnen.
Wie ist's in einem Boote schön
umgeben von gelinden Höhn.

Das Hochgebirge trägt noch Schnee,
die Blumen duften. Auf dem See
kann man mit Glücklichsein und Singen
vergnügt die lange Zeit verbringen.

Reich bin ich durch ich weiß nicht was,
man liest im Buch und liegt im Gras
und hört von üb'rall die dummen,
unnützen Mücken, Fliegen summen.

Martin Walser



Liebe Freunde, 

die Geschichtsschreiber behaupten, sie sei die älteste Stadt Europas. Erste Siedlungsfunde stammen aus dem 6. Jahrtausend v.Ch. Ehrfurcht wandelt uns an, aber abgesehen davon - wir mögen sie. Plovdiv ist eine der schönsten und sympathischsten Städte, die wir bisher besucht haben.

Wir stehen unbehelligt und mit schönem Ausblick am Ufer der Mariza, nicht weit von der Altstadt. 

 
Plovdiv ist auf drei Hügeln gebaut, zwei davon besteigen wir. 
 

Zunächst aber machen wir einen Erkundungsgang die Fußgängerzone hinauf und hinunter, vorbei an der schönen alten Džumaja Moschee und den Resten des römischen Stadions.

Unter den weit ausladenden Kronen der Bäume laden Bänke zum verweilen ein, hier kann man wunderbar sitzen und „Leute gucken“.

Nach dem Essen trinken wir noch ein Bier in einer Studentenkneipe in einer der Nebenstraßen, die Atmosphäre ist der im Berliner Friedrichshain nicht unähnlich.

Am nächsten Tag steigt Rüdiger schon vor dem Frühstück auf den Berg der Befreier, wo die monumentale Figur des „Aljoscha“ steht.

 
Nach dem Frühstück beginnen wir mit dem Hügel Sahay, auf dem der Uhrenturm steht, der im 17. Jh. von den Türken gebaut wurde.



Zu seinen Füßen steht schon mal das Logo für „Europäische Kulturhauptstadt 2019“.





Dann erkunden wir die Altstadt.
Wunderschöne Wiedergeburtshäuser gibt es hier bis hinauf auf den Nebet Hügel,
 wo Reste der Zitadelle als „Archäologischer Komplex“ benannt werden. Von hier oben hat man einen schönen Blick auf die Stadt und vor allem auf den Sonnenuntergang. 





Wiedergeburtshäuser – das ist ein bestimmter Baustil, der sich nach der Befreiung von der türkischen Herrschaft verbreitete.






Wir beschließen den Tag auf dem Hügel mit guter bulgarischer Küche in einem schattigen grünen Biergarten.

Weiter durch die Thrakische Tiefebene geht es auf die Berge des zentralen Balkangebirges zu.
Das Straßensystem ist hier eigentlich wie bei uns, je mehrstelliger die Nummer der Straße ist, umso untergeordneter und kleiner ist sie. Im Prinzip.
Auf unserer Karte führt die Straße Nr. 56 geradewegs nach Kanzanlăk und von dort zum Šipka Pass. Bis Zelenikova ist sie auch in gutem Zustand, führt vorbei an Sonnenblumen- und Getreidefeldern und verschlafene kleine Dörfer. Danach aber ist es, als sei sie seit Jahren einfach vergessen worden. Zunächst ist sie nur fast zugewachsen.


Da sie sehr kurvig und schmal ist, ist es schon ein kleines Abenteuer, besonders in den Kurven. Viel Verkehr ist hier nicht, aber mulmig wird uns, als uns in einer Kehre ein LKW fast auf der Straßenmitte entgegen kommt und beide im letzten Augenblick ausweichen können. Herzklopfen kostenlos. Von nun an fährt Rüdiger besonders vorsichtig, denn Kurven gibt es jede Menge.
Wenigstens finden wir an einem Denkmal, irgendwo zwischen Wäldern und Feldern, eine Quelle und füllen unsere Flaschen auf.

  

Der Zustand der Straße verschlechtert sich dann zusehends. Zu den ausladenden Zweigen der Sträucher und Bäume kommen jede Menge Schlaglöcher.


 

Hinter Kazanlăk führt sie dann wieder als „ordentliche“ Straße hinauf in die Berge.


Der Šipka Pass ist nicht spektakulär hoch (1306 m), aber von besonderer Bedeutung, da hier im Russisch-Türkischen Krieg (1877/78) eine entscheidende Schlacht geschlagen wurde, die die Gründung des Bulgarischen Reiches zur Folge hatte. Deshalb steht auf 1326 m Höhe das „Denkmal der Befreiung“ zu dem man vom Hotel und Restaurant 900 Stufen hinauf steigen kann. 
 


 Wir fahren links hinter dem Hotel das Sträßchen ein Stück weiter und finden dort einen großen leeren Parkplatz.

 



 Der Vollmond ist schon zu sehen, als die Sonne langsam hinter den Bergen verschwindet und wir verbringen eine wunderbar ruhig Nacht auf dem Pass


Am nächsten Tag wandern wir ein Stück in die Berge hinein, hier oben hat es angenehme Temperaturen um die 24°, also ideales Wanderwetter.



Die nächste Station ist das Museumsdorf Etara. Es liegt nur einige Kilometer entfernt vom Pass beim Städtchen Gabrovo.
Aus dem ganzen Land sind hier alte Häuser und Handwerksstätten wieder aufgebaut oder kopiert worden. Das wollen wir uns anschauen. Auch hier stehen wir ganz unbehelligt über Nacht auf dem Parkplatz vor dem Dorf, bezahlen am nächsten Morgen unsere Parkgebühr von 2.- Lewa und hören nichts, außer dem Rauschen des Flüsschens.
Gegen Neun treffen die ersten Besucher ein, wir frühstücken in Ruhe und dann betreten auch wir für 5.- Lewa das Museumsdorf.
Willkommen geheißen werden wir von diesen Kollegen hier



die das ganze Areal bevölkern und von Kindern hergestellt wordens sind.
In den Werkstätten sitzen Handwerker und schnitzen, hämmern, flechten oder ziselieren, in viele Häuser kann man hinein schauen, es gibt ein Cafè und ein Restaurant und viele Souvenirs.


Besonders faszinieren uns die Wassermühlen und die mit natürlicher Wasserkraft betriebene Waschmaschine.


Langsam schlendern wir zurück und verabschieden uns von den freundlichen "Bewohnern".


Der Parkplatz ist inzwischen voll, es ist Sonntag und Etara ein beliebtes Ausflugsziel.

Loveĉ liegt beiderseits des Flusses Osăm und hat die einzige überdachte Fußgägerbrücke Bulgariens,


die die Neustadt und die Altstadt verbindet deren verwinkelte Gassen hinauf zu den Resten einer mittelalterlichen Festung und dem monumentalen Denkmal des Nationalhelden Vasil Levski.



Wir steigen hinauf und besuchen unterwegs das Ethnografische Museum, das eigentlich nur aus zwei Wiedergeburtshäusern besteht, deren Zimmer liebevoll eingerichtet sind. Sie zeigen die Wohnverhältnisse von Bauern und Bürgertum um 1930. 



Ein knorriges Männlein scheucht uns im Eiltempo durch die beiden Häuser und rattert dabei Erklärungen in einer Mischung aus Russich, Englisch, Französisch und einigen Worten Deutsch herunter.


Am Weg liegt auch das alte Kirchlein, schön, aber deutlich restaurierungsbedürftig.






 
In der Neustadt entdecken wir das Kino Kosmos. Das Pendant in Berlin, das wir als Jugendliche geliebt haben, steht zwar unter Denkmalschutz, ist aber kein Kino mehr. Dieses hier schon.



 Am nächsten Tag wieder ein Pass, wieder ein Denkmal. Diesmal der der Beklemeto-Pass, dass Denkmal für die Opfer, die ihr Leben ließen für die Befreiung Bulgariens.




Wir steigen hinauf zum Monument und wandern von dort aus weiter. 
 









Der Beklemeto ist 1648 m hoch. Immerhin.

 Diesmal schaffe auch ich einen Gipfel.


Von oben haben wir eine atemberaubende Sicht auf die Berge des zentralen Balkangebirges und ins Tal hinunter, das mit seinen Getreidefeldern aussieht wie ein grün-gelber Flickenteppich.





Unterwegs treffen wir allerlei Bergbewohner.


Dieser hier macht Geräusche wie eine Kinderrassel.
  
Und wie schon bei der letztenWanderung begleitet uns trillernd eine Lerche.
In der Nähe ist eine Quelle, wir haben also Wasser und bleiben über Nacht.




Wie Ihr vielleicht schon gemerkt habt, geraten wir bei unseren Berichten über Bulgarien ein bisschen ins Schwärmen.
Wir waren ja schon in einigen Ländern Osteuropas unterwegs und das Meiste, was wir gesehen und erlebt haben, hat uns gefallen. Aus verschiedenen Gründen sind wir bisher nie nach Bulgarien gekommen. Nun sieht es ganz so aus, wären wir dabei uns in Bulgarien zu verlieben.
Das teilen wir gern mit Euch.

Seid gegrüßt und bleibt uns gewogen
Doris und Rüdiger


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