...
Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort
auch die zukünftigen Brötchen und Brezeln.
Eidechsen zucken von Ort zu Ort..
Und die Wolken führen Regen an Bord
und den spitzen Blitz und das Donnerwort.
Der Mensch treibt Berg- und Wassersport
und hält nicht viel von Rätseln.
Er hält die Welt für ein Bilderbuch
mit Ansichtskartenserien.
Die Landschaft belächelt den lauten Besuch
sie weiß Bescheid.
Sie weiß, die Zeit
überdauert sogar die Ferien.
Erich Kästner
Liebe
Freunde,
könnt
Ihr Euch vorstellen einen ganzen Tag Eisenbahn zu fahren, nur zu
Eurem Vergnügen? Nein? Genau das haben wir gemacht und es war ein
toller Spaß.
Die
Rhodopenbahn ist die einzige Schmalspurbahn Bulgariens. Sie fährt
von Dobrinište nach Septemvri, eine
Strecke zwischen Pirin Gebirge und Rhodopen.
Am
Tag vorher stellen wir uns mit dem Düdo vor dem Bahnhof in
Dobrinište auf und erkunden erstmal die Lage. Entgegen
anderslautender Aussagen im Internet fährt die Bahn nach wie vor auf
besagter Strecke. Beim netten „Station Manager“ erfahren wir die
Abfahrtszeiten. Morgen früh um 10.10 Uhr soll es losgehen. Tickets
gibt’s auch morgen.
Soweit
so gut. Da vom Tag noch einiges übrig ist, erkunden wir den kleinen
Ort. Viel ist nicht zu sehen, aber das wenige ist ganz charmant. Als
sehenswert wird die Peter und Paulskirche auf den Wegweisern
angezeigt. Wir können sie nicht verfehlen.
Im
Café Fontana im kleinen Stadtpark gibt es eine sehr nette junge
Frau, die gut Englisch spricht und einen kleinen Imbiss. Danach
schlendern wir zum Rathaus. Aus dem Kulturhaus gegenüber ertönt
bulgarische Volksmusik. Ein Chor und eine Volkstanzgruppe proben. Wir
gönnen uns ein Eis, setzen uns auf eine der Bänke vor dem Rathaus
und bekommen ein weiteres Konzert gratis.
Pünktlich
um 10.10 Uhr setzt sich am nächsten Morgen die Schmalspurbahn in
Bewegung. Zuvor hat Rüdiger beim Diensthabenden unsere Tickets
erstanden. Wir sind ein weiteres Mal verblüfft ob des Preises.
Die Hin- und Rückfahrt für zwei Personen kostet ganze 24.- Lewa (12.-€)
Einen
schönen Fensterplatz bekommen wir im vorletzten der vier Waggons,
noch ist die Bahn leer.
An
jeder Station steigen Fahrgäste ein und aus.
Hier
wird noch von Hand abgepfiffen und mit der Kelle das Abfahrtssignal
gegeben.
Wir
sind vollkommen damit beschäftigt die immer wechselnde Landschaft zu
betrachten,
Fotos zu machen, die Streckenführung auf unserem Tablet
zu verfolgen
so
vergeht die Zeit wie im Fluge.
Die
Streckenführung allein ist schon eine spannende Sache. In vielen
Kurven, Schleifen und Kringeln windet sich die kleine Bahn durch die
Berge.
Viele Tunnel durchfährt sie und überwindet etliche
Steigungen.
Die Landschaft ist üppig
grün, abwechslungsreich und bietet immer wieder neue Ausblicke.
Auf
dem Bahndamm blüht es überall. Natürlich ist das Blumen pflücken
während der Fahrt verboten, aber die Durchschnittsgeschwindigkeit
unseres Bähnleins ließe das durchaus zu. Für die 125 Kilometer
braucht sie immerhin 5 Stunden.
Einige
Stationen sind gut gepflegt, andere sind nur Haltepunkte, manche
haben schon deutlich bessere Zeiten gesehen,
Auf
fast jedem Bahnhof dümpeln in irgend einer Ecke alte Relikte der
Eisenbahn, die sich langsam mit der Natur vereinen.
Und
dann sind da die Menschen, die mit uns fahren. Die alten Weiblein,
die mit Kopftuch und langen Röcken unterwegs sind, knorrige alte
Männer mit Hut, die jungen Leute, die sich nicht von denen bei uns
unterscheiden, rundliche Frauen mit Einkaufstaschen, schwieligen
Händen und Kindern im Schlepptau, ab und zu ein Mann in
Arbeitskleidung.
In
Septemvri gibt es nicht viel zu sehen und es ist auch nur 1 Stunde
Zeit bis es wieder zurück geht nach Dobrinište.
Wir umrunden also einmal das Bahnhofsgebäude, schauen uns ein wenig
um und finden uns rechtzeitig wieder auf unserem Bahnsteig ein, wo
der Zug schon wartet.
Trotz aller Tristesse ist Septemvri ein
nationaler Eisenbahnknotenpunkt. Hier steigt man um, wenn man nach
Sofia will und umgekehrt. Der Zug aus der Hauptstadt ist noch nicht
da und wir warten. Mit 20 Minuten Verspätung kommt er dann aber und
bringt noch ein paar Fahrgäste für die Schmalspurbahn mit. Endlich
kann es losgehen. Die kleine Diesellok dreht ordentlich auf um die
Zeit wieder herauszuholen.
Reisen macht hungrig, wir packen unseren Proviant aus.
Und
dann regnet es. Schnell werden alle Fenster geschlossen, was bei
Temperaturen von 30° recht unangenehm ist. Glücklicherweise ist
nach einer halben Stunde alles vorbei und wir können wieder Luft
herein lassen.
Im
letzten Schein der Abendsonne erreichen wir wieder Dobrinište.
„Nikopolis
ad Nestum entstand im Jahr 106 unter Kaiser Trajan und wurde
anlässlich des Sieges der Römer über die Daker gestiftet.“ So
der Reiseführer.
Einige
Kilometer hinter Goce Delčev, beim Dörfchen Gârmen, finde wir die
Überreste der alten römischen Festung.
Das
Gelände ist mit EU-Mitteln schön hergerichtet, die alten Mauern
freigelegt und gesichert.
Bei
38° im Schatten verfolgen wir die Wege an den Wällen entlang und
über die weitläufigen Wiesen mit riesigen Bäumen. Wir sind die
einzigen Besucher.
Weiter
geht es auf der Straße 198 über den Popski Pass (1120m) durch das
Pirin Gebirge. Hinter Petriĉ, biegen wir ab auf die 108. Unser Ziel
ist das Baba Vanga Museum bei Rupite.
Baba
Vanga war eine Hellseherin und Heilerin, der im Alter von 6 Jahren
ein Engel erschien und sie vor die Alternative stellte die Realität
oder die Zukunft zu sehen. Sie entschied sich für die Zukunft. Bis
zu ihrem Tode 1994 und darüber hinaus bis heute wurde sie sehr
verehrt. Hochrangige Parteimitglieder kamen zu ihr um sich den
rechten Weg weisen zu lassen.
Nie
hat sie aus ihrer Gabe versucht Kapital zu schlagen und lebte bis zu
ihrem Tode sehr bescheiden. Sie soll den 11.September und die
Auflösung des kommunistischen Systems vorausgesagt haben.
Das
Museum ist ein weitläufiger Park mit zwei Termalteichen (das Wasser
kommt hier mit 75° aus der Erde) der modernen Kirche Sv. Petka,
dem
kleinen Museum und einem Bronzedenkmal der erblindeten Hellseherin.
Außerhalb
des Museumsgeländes führt ein kleines Sträßchen nach rechts und zu einigen
kleinen weiteren Termalseen, die frei zugänglich sind und wo wir
übernachten wollen. Die ganze Anlage befindet sich im Krater eines
erloschenen Vulkans.
Wenn
die Sonne weg ist, kommen die Leute aus der Umgebung her, reiben sich
mit dem feinen Heilschlamm ein und baden in dem hier nur etwa 35°
warmen Wasser.
Wir tun es ihnen gleich.
Irgendwann
wird es ruhig und man hört die Erde stöhnen und ächzen, wenn sie
gluckernd den Schlamm und das heiße Wasser hervorbringt.
Nach
einem warmen Morgenbad brechen wir auf nach Melnik. Der Ort ist
berühmt für seine gut erhaltenen Wiedergeburtshäuser und steht
unter Denkmalschutz. Außerdem wird hier ein besonderer Wein gemacht
aus einer Traube, die es nur hier gibt.
Am
Ortseingang gibt es einen Parkplatz vor einem noch im Bau
befindlichen Hotel, wir stellen uns dorthin und bleiben unbehelligt.
Wir verkosten
den berühmten Wein und der Winzer erzählt uns einiges über die
Verhältnisse in Bulgarien und hält nicht mit seiner Meinung die EU
betreffend hinterm Berg. „Die Vereinheitlichung ist dumm.“ sagt
er, „die Leute kaufen nur die weit verbreiteten Rebsorten, wie
Merlot und Pinot Noir und die individuellen Weine bleiben wenigen
Kennern vorbehalten. Dabei wurde von unseren Vorfahren, den Thrakern
schon Wein gekeltert, als die Römer noch gar nicht wussten was das
ist.“
Vor
der EU war Russland Bulgariens wichtigster Handelspartner. Durch das
Embargo ist diese Ader versiegt.
Nach
einer Pause suchen wir uns abends ein Restaurant mit Terrasse,
speisen vorzüglich,
bekommen von zwei Bulgaren eine Liste mit
Sehenswertem und lernen bei einem Absacker Armin aus Salzburg kennen.
Wieder
wird es ein schöner Abend. Armin ist viel gereist, wir haben uns
gegenseitig viel zu erzählen.
Am
nächsten Morgen schaut er noch auf einen Kaffee herein, bevor er
weiter fährt nach Griechenland.
Wir
haben nur eine kurze Strecke zu bewältigen.
10
Kilometer vor Melnik, in dem ruhigen Dorf Kromidovo betreiben die
Engländer Sarah und John den „Kamping Kromidovo“. Wir stehen
sozusagen in ihrem Garten.
Nicht,
dass wir es wirklich vermisst hätten, aber das ist seit Wochen der
erste Camping mit westeuropäischem Standard. Super Sanitäranlagen,
Mülltrennung und eine Waschmaschine. Alles ist liebevoll und durchdacht eingerichtet und wir fühlen uns auf Anhieb wohl.
Die Beiden betreiben den Platz
nach ökologischen Grundsätzen, was uns ja durchaus entspricht.
Bei 41° im Schatten, kann man eigentlich überhaupt nichts tun, außer
warten bis die Sonne weg ist und es erträglicher wird. John lädt uns ein ins Haus zu kommen, da ist es noch am kühlsten.
Im
Dorf gibt es zwei Läden und ein Thermalbad. Letzteres nur ein paar
Schritte die Straße runter. John meint ab Montag soll die Temperatur
auf nur 30° sinken.
Wir
werden also ein paar Tage hier bleiben und klar Schiff machen, bevor
wir unsere Rundreise fortsetzen.
Von
unseren Kindern und Freunden hören wir, dass Berlin wegschwimmt und
man bei 19° bibbert. Sarah erzählt, dass sie aus England ähnliches
hört.
Wen
immer von Euch das betrifft, Ihr habt unser Mitgefühl. Gern würden
wir Euch ein bisschen Sonne schicken. Vielleicht klappt's ja.
Seid
gegrüßt und bleibt uns gewogen.
Doris
und Rüdiger
Herrlich wieder Deine Reportage!!!! *Gg* dass Ihr da auch gleich danach mit der Schmalspurbahn gefahren seid, finde ich ja echt witzig! Habt Ihr auch die Chefin von der Bahn gesehen? Wurde auch berichtet, dass in den Dörfern die Bahn im Winter die einzige Verbindung zur Außenwelt ist! Ja und schade, dass diesen individuellen Weine nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird! Macht's gut! Und gut schwitz! *gg* Ute
AntwortenLöschen