„Bei einem
ersten Aufenthalt in Russland sollte man sich, eifriger noch als in
anderen Ländern, jeden Tag den Gott werden lässt, vorhalten:
Vergiss die Vorurteile, die positiven wie die negativen, urteile
nicht – schaue!“
Erika und Klaus MannManni
Die Einwohner von Welikij Nowgorod nennen ihren Kreml Detinez,
„starker Bursche“. Von einem wasserlosen Graben umgeben liegt er
am Ufer des Wolchow, der in den Ilmensee fließt.
Parken dürfen wir in der Nähe vor der Touristeninformation und den
vielen Souvenirständen.
Es ist noch früh am Tage als wir ankommen und wir machen einen
ersten Gang durch den Park zum Kreml.
Das Erste auf das man stößt, wenn man das ovale Gelände betritt,
ist das Nationaldenkmal „1000 Jahre Russland“, das im Jahr 1862
eingeweiht wurde.
wo wir schon die weißen Dampfer liegen sehen.
Wann, wenn nicht jetzt? Wer weiß, wie das Wetter wird.
Wir gehen also an Bord.
Leider verstehen wir die Erklärungen nicht, die in Russisch aus
einem Lautsprecher kommen, aber dazwischen ertönt russische
Volksmusik und die passt ausgezeichnet zu dem, was wir sehen.
Das Schiff fährt auf dem breiten Fluss bis zur Mündung in den
Ilmensee
dann tuckert er zurück.
Vom Wasser aus sieht die Kremlburg noch einmal so beeindruckend aus.
Wieder mit festem Boden unter den Füßen, gehen wir über die Brücke
auf die andere Seite hinüber. Dort sind noch ein paar Zeugnisse der
glorreichen Zeiten als Hansestadt zu sehen.
Wir entdecken ein Kinomuseum, das leider leider geschlossen hat
und eine Markthalle, die wir natürlich inspizieren.
Als wir uns am nächsten Morgen zum Aufbruch fertig machen, spricht
uns ein Mann an, auf Deutsch mit russischem Akzent. Er habe unser
Berliner Kennzeichen gesehen und könne es kaum glauben. Er wohne
seit 20 Jahren in Deutschland, in der Nähe von Berlin. Wir plaudern
eine Weile und er schaut etwas ungläubig, als wir erzählen, wie gut
uns Russland gefällt. „Aber es ist alles nicht so... so neu und
gepflegt wie in Deutschland.“ Da mag er Recht haben, aber dafür
sieht auch nicht alles so... so gleich aus.
„Ja,“ gibt er zu, „das stimmt“.
Kaum hat er sich verabschiedet, fährt ein Oldtimer auf den Platz,
dem bald ein zweiter und ein dritter folgen. Verstaubt und etwas
mitgenommen sehen die alten Wagen aus, die sonst aber gut in Schuß
sind.
Aber Moment mal, was sind denn das für Schilder über den hinteren
Kennzeichen?
Wow! Ich befrage schnell mal Herrn Google und erfahre, dass es die 7.
Rallye ihrer Art ist. In 36 Tagen muss diese Strecke von den
Fahrzeugen bewältigt werden, die nicht jünger als Baujahr 1976 sein
dürfen.
Einer der Teilnehmer, Hans aus München, spricht uns an.
Ja, es sei schon hart, gibt er zu, nicht immer das reine Vergnügen.
Bei Pannen ist Improvisationsgeist gefragt. In Sibirien hat ihm einer
„eine Hinterachse aus einem Gartentürl gebaut“, erzählt er uns
und verabschiedet sich dann bald. Heute soll St. Petersburg erreicht
werden. Dort gibt es einen Tag Pause, dann geht es mit der Fähre
nach Helsinki. Drei Tage später werden die Teilnehmer in Paris
erwartet.
Gute Fahrt!
Wir brauchen mal wieder eine Stadtpause und finden tatsächlich einen
Platz am Ufer des Wolchow, nahe am Ilmensee, gleich neben einer
kleinen Klosteranlage. Ein großes Schild enthält das Wort
„geschlossen“.
Wir stellen uns neben die Autos der Angler, Bootfahrer und Familien,
die hier picknicken.
Gerade haben wir uns eingerichtet, da klopft es.
Ein Klosterbruder in der typisch russisch-orthodoxen Kleidung steht
davor und erklärt in Englisch, das Gelände werde nachts
geschlossen.
So ein Pech aber auch. Dann müssen wir uns wohl was anderes suchen.
Wir räumen zusammen, da klopft es wieder. Wieder steht das Mönchlein
vor der Tür. Er sagt: „Maybe you can stay this night.“ Es sei
nur so, dass um zehn Uhr abends der Schlagbaum runter ginge. Er
benutzt wirklich das deutsche Wort „Schlagbaum“. Zu meinem
persönlichen Entzücken.
Unsere Russischlehrer haben uns in der Schule vorenthalten, dass die
russische Sprache viele deutsche Worte übernommen hat. Oder hab ich
es nur vergessen? Tatsächlich haben wir auf einer Speisekarte das
„Buterbrot“ entdeckt und freuen uns jedesmal, wenn wir über
einem Friseursalon den Schriftzug „Parikmacherskaja“ entdecken.
Da gibt auch noch den Buchgalter, den Stul, das Ziferblat, das
teatr...
Jedenfalls dürfen wir in dieser Nacht bleiben wo wir sind. Wir
bedanken uns herzlich.
Die Abendsonne taucht alles in ein weiches Licht, der letzte Dampfer
fährt vorbei, wir ruhen aus von der Stadt, schlafen wunderbar und
ruhig.
Weiter geht es nach Pskow, einer der ältesten Städte Russlands. Sie
soll die letzte Station unserer Reise sein.
Die Stadt hat sich entsprechend vorbereitet und veranstaltet uns zu
Ehren die „Internationalen Hansetage“. Oder sollte das Zufall
sein?
Wir bekommen jedenfalls einen Parkplatz direkt neben dem Festgelände
und einige Schritte vom Kreml entfernt.
Alles wird gut bewacht, an allen Zugängen steht Polizei, zum
Kremlinneren muss man sogar durch eine elektronische Kontrolle, die
Beamten und Beamtinnen werfen auch einen forschenden Blick in jede
Tasche.
Wir spazieren also am Pskowa Fluss entlang, schauen uns die Stände,
Aktivitäten und Grillbuden an, machen Halt an der einen oder anderen
Bühne und lauschen den Darbietungen.
Auf der großen Bühne im Kreml wird noch geprobt. Ein
Kinderbalalaikaorchester, ein Kinderchor, warten auf ihre
Instruktionen.
In der ganzen Stadt trifft man auf Leute in traditionellen Kostümen.
Viele Kirchen haben wir in Russland gesehen, wenige von innen. Oft
muss man als Frau Rock und Kopftuch tragen, das hatte ich nicht immer
bedacht.
Aber in die Dreifaltigkeitskathedrale im Kreml von Welikij Nowgorod
darf ich hinein wie ich bin.
Weiter laufen wir, immer am Fluss entlang.
Es ist unser letzter Abend in Russland. Wir feiern ihn mit einem
zünftigen Schaschlik von Plastiktellern, mit Bier und Kwas.
Vier Wochen sind wir durch den europäischen Teil dieses riesigen
Landes gefahren, 5307 Kilometer haben wir auf seinen Straßen
zurückgelegt.
Ohne Erwartungen haben wir versucht, Russland mit neuen Augen zu
sehen. Und was wir gesehen und erlebt haben, hat uns sehr gut
gefallen.
Nicht eine Minute haben wir uns unsicher gefühlt, die unfreundlichen
Verkäuferinnen sind eine Legende, genau wie der ständig im
Wodkarausch befindliche Russe.
Wir haben viele nette Menschen getroffen, mit einigen konnten wir uns
austauschen, mit anderen leider nicht, weil unser Russisch mehr als
dürftig ist. Das lässt sich auffrischen.
Wir haben gestaunt, wie sauber und gepflegt alles ist. Nicht einmal
an den Rändern der Fernstraßen liegt Müll.
Die Landflucht ist nicht zu übersehen, viele der schönen alten
Holzhäuser stehen leer und verfallen, aber vielen anderen sieht man
an, dass sie liebevoll erhalten werden.
Wir haben uns verliebt. In die endlosen Weiten, in die üppig grünen
Landschaften, die weißen Birken, in die wunderschönen Holzhäuser
mit den verzierten Fenstern und Giebeln, die robusten russischen
Autos, vor allem den Buchanka, die Zwiebeltürme, die unendlichen
Himmel, die majestätischen Flüsse, die riesigen Seen. Und nicht
zuletzt in die zurückhaltenden, aber freundlichen und hilfsbereiten
Menschen.
Es war ganz sicher nicht unser letztes Mal!
Unser Visum läuft ab, wir müssen Russland verlassen.
Bis bald also, liebe Freunde,
Doris und Rüdiger
Wieder ein wunderschöner und äußerst interessanter Bericht! Freue mich auch, dass das Wetter wieder besser wurde! Liebe Grüße, Ute
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