Donnerstag, 27. Juni 2019

Die schöne Wassilissa

Liebe Freunde,

das russische Telefonsystem ist doch ein Mysterium. Weil wir die SIM Karte in Volgograd haben aufladen lassen, ist in St. Petersburg plötzlich meine Nummer gesperrt.
Entsperren dauert einige Tage. Deshalb die längere Pause. Nun wird alles nachgeholt.

Viel Spaß beim Lesen!


Hundert Rubel sind kein Geld,
hundert Jahre kein Alter,
hundert Meilen keine Entfernung.

Aus Sibirien


Nach der Legende soll sich Fürst Jaroslaw Mudryj – der Weise – aus Kiew im Jahr 1010 mit einem Bären angelegt und ihn mit der Streitaxt getötet haben. So trägt die Ansiedlung, die als erste an der Wolga entstand, den Bären im Wappen.



Seit dem 16. Jahrhundert war Jaroslawl eine Stadt reicher Kaufleute, zeitweilig sogar Hauptstadt Russlands. Die Kaufmannsgilde stellte viel Geld zum Bau monumentaler Kirchen zur Verfügung, im 17. Jahrhundert waren es über 30.
Und wirklich, an jeder Ecke findet sich mindestens eine davon.





Wir haben mal wieder Glück und finden auf einem kleinen Parkplatz zwischen Kotorosl, dem Fluss der hier in die Wolga mündet, und dem Christi-Verklärungs-Kloster einen Platz. 



Es ist sogar relativ ruhig, denn hierher kommen vor allem Jogger, Familien und Leute, die nur angesichts des Flusses eine Zigarette rauchen und wieder davonfahren.
Das Kloster steht als erstes auf unserem Programm. Im 15. Jahrhundert galt es als eines der reichsten Klöster und eine der best geschützten Anlagen Russlands. Zehn Meter hoch und drei Meter dick sind die Klostermauern, die wir von unserem Fenster aus sehen. 





Wir schlendern also zwischen den geführten Touristengruppen und den Familien durch die schöne Anlage, lauschen dem Glockenspiel,


statten natürlich dem im Reiseführer angepriesenen Markt der Handwerkskunst einen Besuch ab.



Auch hier geht man mit der Zeit...






Und dann finde ich sie, die schöne Wassilissa.
Wer schon länger unseren Blog verfolgt weiß, dass ich mir da, wo es mir gut gefällt, zur Erinnerung ein Tagebuch kaufe. Hier ist es eines mit einer der berühmten Lackmalereien auf dem Einband, die schöne Wassilissa, die in vielen der russischen Märchen vorkommt, die ich so liebe.


Fünf Jahre war ich alt, als ich mein erstes im Kino sah – „Abenteuer im Zauberwald“. Es war eines der kleinen Flohkinos, die den Krieg überlebt hatten, bei uns um die Ecke, in der Nähe des Bersarinplatzes. Seitdem bin ich ihnen verfallen. Ich schwelge also ein bisschen und dann laufen wir die Uferpromenade entlang zum Kunstmuseum.

Im Hause des ehemaligen Gouverneurs und in dem parkartigen Garten wird russische Kunst vom 13. Jahrhundert bis in die Gegenwart gezeigt. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der weltlichen Kunst des 18. und 20. Jahrhunderts.


Wir beginnen mit der Skulpturensammlung im Garten.





Im Haus finden wir zunächst die übliche Sammlung von Porträts und Landschaften, aber dann entdecken wir das eine oder andere Bild, das uns sehr gefällt.







Besonderes Vergnügen bereitet uns ein kleiner Zeichentrickfilm der nicht die bekannten ausgetuschten Figuren zeigt, sondern wie mit bunten Stiften gemalt ist und trotzdem die weichen, federnden Bewegungen der russischen Trickfilme hat. Ein kleiner Junge fährt mit seinem Dreirad durch den Ort und begegnet den ulkigsten Figuren. Ein zweiter Teil zeigt, wiederum als Trickfilm, wie die einzelnen Teile zusammengesetzt werden.

Auf dem Rückweg genehmigen wir uns noch einen Kwas, unser derzeitiges Lieblingsgetränk, und kommen an der Stelle vorbei, wo der Kotorosl in die Wolga mündet.



Ein Stück wollen wir an diesem Tag noch fahren, also packen wir zusammen und los geht’s.
Am Rande eines Dorfes finden wir eine kleine Bucht neben einem Bagger, der Sand aus großen Lastkähnen schaufelt.


Unser Weg führt immer am Rybinsker Stausee entlang, dem zweitgrößten europäischen, der ebenfalls mit Wolgawasser gefüllt ist.
Die Landstraße von Jaroslawl Richtung Pieter, wie die Einheimischen St. Petersburg liebevoll nennen, verlangt uns und unserem Auto eine Menge Widerstandsfähigkeit ab.
Etwa 80 % sehen so aus


die etwas besseren Abschnitte, auf denen man schneller als 40 km/h fahren kann so


Nur ab und zu wird das durch ein, zwei Kilometer neu geteerte Straße unterbrochen, mit der wohl die schlimmsten Löcher geflickt wurden. Wir werden ordentlich durchgerüttelt, hoffen, dass unser Auto das weiter so gut übersteht und sind fast erstaunt, dass wir bisher außer dem Nagel im Reifen noch keine Panne hatten. Abends sind wir kaputt, als wären wir den Weg gelaufen.
Aber wir werden belohnt.
Fast am Ende des Sees, kurz vor Mjarksa, gibt es, etwa 500 Meter von der Straße entfernt, am Ufer des Sees eine Art Sportcamp.







Für 150 Rubel dürfen wir hier stehen mit Toiletten und Wasser.
Wir sind die einzigen Gäste, die Wiese hinter der Balustrade, an der wir stehen, wächst fast hüfthoch, es flattert, gaukelt, summt und piepst und am Abend versammeln sich die Schwalben auf der Stromleitung direkt neben uns.


Gern wären wir noch geblieben, aber unsere Zeit läuft ab und Pieter wartet auf uns.
Dreißig Tage sind einfach zu wenig für diese enormen Strecken, die hier zu bewältigen sind, zum Teil in sehr schlechter Qualität. Wer dieses riesige Land erfahren will, muss mehr Zeit haben. Die werden wir uns beim nächsten Mal nehmen, das steht fest.
Wir machen uns also auf den Weg.
Zunächst rumpelt es wieder ganz schön. Dann erreichen wir Tscherepowez, eine kleine Stadt an der Spitze des Stausees. Von da an heißt die Straße A114 und macht ihrem Namen alle Ehre. Von Tscherepowez führt eine glatte Asphaltbahn bis St. Petersburg. Wir genießen das Gefühl fast dahinzugleiten und schaffen an diesem Tag 520 Kilometer.
Der Plan ist, kurz vor Pieter auf einer Autostojanka zu rasten, etwas zu schlafen und morgens zwischen 3.00 und 4.00 Uhr in die Stadt zu fahren, wenn die Straßen noch leer sind.

Drückt uns die Daumen, dass der Plan aufgeht!
Bis bald also,
Doris und Rüdiger




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