Montag, 21. November 2016

Marrakesch

Um nach Marrakesch zu kommen, müssen wir erstmal den Hohen Atlas überqueren.
Auf der N-9, die über den berühmten Tizi-n-Tichka auf 2260m Höhe führt, brummt unser Töfftöff tapfer die Serpentinen hinauf und hinunter. Das Panorama ist immer wieder atemberaubend, aber nach dem ersten Fotostopp hüten wir uns, anzuhalten. An jedem Aussichtspunkt und natürlich auf dem Pass wartet bereits eine Meute von Mineralienhändlern, die den Touristen versuchen mehr oder weniger echte Stein- und Kristallstücken zu verkaufen.
Danke, wir kaufen nichts, wir haben alles und selbst wenn, wieviel solcher Stehrumchen kann der Mensch gebrauchen? Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Männer hier an der Straße viel Umsatz machen.



In Marrakesch finden wir erstaunlich schnell den Parkplatz hinter der Kutubiya Moschee, der größten und wichtigsten der Stadt. In einer stillen Ecke werden wir neben einem Schweizer Mobil eingewiesen. Außer uns beiden stehen nur PKWs hier. Das war mal anders.

Nach kurzer Pause machen wir uns auf zum Djamâa el Fna, dem Platz der Geköpften. In alter Zeit wurden hier die Hinrichtungen vollzogen, heute ist er der Treffpunkt für Touristen aus aller Welt, aber auch für die Marrakeschis, die in all dem Touristenrummel ihrem normalen Alltag nachgehen.
Am Zugang zum Platz warten die Pferdekutschen, die man für eine Stadtrundfahrt mieten kann. Schon hier ist kaum ein Durchkommen. Auf dem Platz selber kann man ebenfalls nur mit dem Strom schwimmen, sonst hat man keine Chance vorwärts zu kommen.
Was ist hier los? So voll hatten wir es nicht in Erinnerung. Aber wir lassen uns nicht entmutigen. Jette will ja was sehen und erleben.
Also stürzen wir uns ins Getümmel, trinken an einem der vielen Saftstände einen frisch gepressten Orangensaft, dann geht’s hinein in den Souq.
Es gibt nichts, was es hier nicht in abertausendfacher Ausführung gibt. Von Schals und Hosen, Kaftanen und Schuhen über Lampen und Kupfertabletts, -kannen und -becken, bis Taschen, Gürteln, Rucksäcken Duftsteinen und Gewürzen aller Art wird hier alles angeboten, ganz zu schweigen von Schmuck und Teppichen.

Draußen auf dem Platz werden inzwischen die mobilen, nummerierten Garküchen aufgebaut und als wir hinaus treten aus dem Gassengewirr der Händler, werden wir von Essensdüften und den vielen jungen Männern mit einer Speisekarte in der Hand empfangen, die für ihre Garküche Kunden werben.
Wir lassen an Nr. 30 locken und essen Lamm am Spieß und Kalamares. Allerdings mehr als wir bestellt hatten, was bei der Bestellung nicht immer leicht zu übersehen ist. Der Klassiker sozusagen.
So haben wir wieder was gelernt. Immer die Bestellung überprüfen.
Danach gehen wir auf die Suche nach den Gauklern und Geschichtenerzählern, den Wunderheilern und Hennafrauen.
Nur Letztere sind noch da und sie haben sich um ein Vielfaches vermehrt.
Die Gaukler sind von Harlekins und Clowns abgelöst worden, die Trommler und Sänger von Popgruppen, deren Publikum hauptsächlich Jugendliche sind, die die Auftritte mit dem Handy mitschneiden.
Statt der Geschichtenerzähler, die um eine kleine Lampe herum ihr Publikum versammelten und mit Stimme und Gestik fesselten, finden nun Boxkämpfe statt und Geschicklichkeitsspiele. Für die Touries treten professionelle Folkloregruppen auf.

In Marrakesch findet gerade die Weltklimakonferenz statt. Überall hängen die Plakate, die Stadt hat geflaggt, große rote Aufsteller mit dem Logo der Konferenz stehen überall als Wegweiser, die Militär- und Polizeipräsenz ist unglaublich. Wir registrieren 4 oder 5 verschiedene Uniformen.
Nun wird uns auch klar, wo die vielen Menschen herkommen. So eine Klimakonferenz hat, wie wir später feststellen, etliche Nebenveranstaltungen.

Zurück im Auto sind wir ganz benommen von dem Gedrängel und Geschubse.

Am nächsten Tag machen wir uns getrennt auf den Weg. Es ist Montag und die Stadt merklich leerer. Anscheinend gibt es viele Wochenendbesucher, denn auch der Parklplatz um uns herum ist auffallend leer.
Am Djamâa el Fna vorbei wollen Jette und ich ins Kasbah Viertel. Auf dem Platz sitzen schon die Hennafrauen auf ihren Höckerchen, die Wasserträger in ihren bunten Trachten bimmeln mit ihren Glocken. Wasser trinkt bei ihnen schon lang keiner mehr, aber man kann sie für einen Obolus fotografieren.
Die Metallkorpusse der Garküchen stehen kahl da, bis sie am Abend wieder mit Auslagen und Lämpchen bestückt werden.
Ich schaue mich um und bin einmal mehr enttäuscht. Der Platz hat seinen Zauber verloren. Durch die Metallkisten ist seine Anmut und Weite, die er am Tag hatte, nicht mehr vorhanden. Am Abend hat er nichts Geheimnisvolles mehr. Die abgelegene Ecke, in der die Wunderheiler und Arzneiverkäufer bei Schummerbeleuchtung ihre Künste anboten, ist nun hell ausgeleuchtet und die Medizinmänner verkaufen Arganöl.

An einer Ecke des Platzes ist die Hauptpost. Gleich daneben ein Gebäude der Stadtverwaltung. Dazwischen ist ein Areal mit Gittern abgesperrt an denen Plakate hängen. Hier bekommen wir einen Einblick in die andere Seite Marokkos. Wir lesen, dass es sich um einen 96 tägigen Sitz- und Hungerstreik arbeitsloser Lehrer handelt. 10 000 wurden vom Staat ausgebildet und sind nun ohne Anstellung, obwohl in den Schulen die Klassen mit bis zu 100 Schülern hoffnungslos überfüllt sind. Eine recht große Anzahl von Unterstützern kümmert sich um die Protestierenden.

Wir gehen weiter ins Kasbah Viertel, das hinter dem ältesten Stadttor, dem Bab Agnaou, liegt. Hier treffen wir kaum noch Touristen. Hier spielt das alltägliche Leben. Handwerker, Automechaniker, kleine Läden, ein Lebensmittelmarkt, nur hinter dem Tor ein, zwei Läden mit Schals, Kaftanen und Taschen.
Im Viertel gibt es einige nette Restaurants und ein, unter Backpackern legendäres, Café, das Clock. Von einem Amerikaner betrieben, der wohl selbst einst als Backpacker unterwegs war und deren Bedürfnisse kennt. Wir trinken frischen Orangensaft auf der Dachterrasse des Cafés, genießen den Blick über das Viertel und die ruhige, entspannte Atmosphäre. 

 
Wir schlendern noch ein bissel durch die Gassen, finden das eine oder andere schöne Fotomotiv 




Wir haben beschlossen, den Nachmittag im Hammam zu verbringen. Jette hat von einer Bekannten, die in Marokko lebt, eines empfohlen bekommen mit dem vielversprechenden Namen „Mille et un nuit“ - 1001 Nacht.
Wir finden es tatsächlich in einer der Gassen des Souq um den Djamâa el Fna. Ein paar Stufen führen hinunter in einen schmalen Empfangsbereich. Dort bekommen wir von der freundlichen jungen Frau hinter dem Tresen einen Termin für 16.00 Uhr.
Pünktlich sind wir da und dann geht es auch schon los.

Hammam:
Ein wunderbares Erlebnis.
Unsere Sachen werden in einen Korb gelegt und eingeschlossen. Dann geht es durch schmale Gänge und Türen in einen Raum mit schön gefliesten Bänken. Aus Eimern werden wir mit warmem Wasser übergossen. Eine weitere Tür öffnet sich. Wir sitzen im Dampfbad, wieder auf warmen Steinbänken. Wasserdampf strömt aus einem geöffneten Hahn in den Raum der sich nach und nach damit füllt. Es tropft von der Decke. Es ist nicht sonderlich heiß, aber sehr feucht.
Dann werden wir abgeseift, geschrubbt, gepeelt, und geknetet und immer wieder abgespült und ins Dampfbad geschickt, damit die Poren sich richtig öffen. Die Badefrauen sind lustig. Bei all dem wird viel gelacht.
Wir werden in Bademäntel verpackt und in einen Raum mit Ruheliegen gebracht. Schöne Einlegearbeiten an den Wänden, eine Spiegelsäule, bunte Tücher und Teppiche umgeben uns. Leise, arabische Musik trägt zur Entspannung bei. Es wird Thè à la menthe serviert, der grüne Tee mit Minze und viiiiel Zucker, den man hier überall trinkt.
Ich bin gerade am wegnicken, da wird das Licht heller und wir werden von Frauen in roten Kitteln durch Gänge und eine schmale Treppe hinauf geleitet zu den Massageliegen in, mit schönen Wandteppichen abgeteilte Kabinen.
Und jetzt kommt die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Eine Stunde Massage mit Arganöl von Kopf bis Fuß. Und diese Frauen sind Profis.
Nachdem wir noch etwas geruht und uns angezogen haben, bittet man uns in den Salon und es gibt wieder Tee.
Er ist rund, der Salon, und die Sofas üppig mit Kissen ausgelegt. Immernoch ertönt arabische Musik.
Tausend und eine Nacht.




Als wir das Hammam verlassen ist es dunkel geworden und der Vollmond strahlt über der Stadt.



Fast schwebend gehen wir zurück zum Auto, wo Rüdiger uns schon erwartet. Er hat die Stadt tagsüber mit dem Fahrrad erkundet und dann ein paar Stunden im Park nebenan richtig gute Musik gehört.
Gemeinsam beschließen wir den Tag auf der Dachterrasse des „Kasbah Cafè“ bei einem köstlichen Zitronenhuhn und dem besten Salade maroccain, den wir hier bisher gegessen haben.

Am nächsten Morgen bringen wir Jette in aller Frühe zum Flughafen. Für sie ist die Zeit in Marokko zu Ende.
Wir fahren zurück nach Ouarzazate, dann nach Zagora. Für uns beginnt nun eine freie, unabhängige Zeit.

Bis bald, liebe Freunde,
Doris und Rüdiger



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