Um
nach Marrakesch zu kommen, müssen wir erstmal den Hohen Atlas
überqueren.
Auf
der N-9, die über den berühmten Tizi-n-Tichka auf 2260m Höhe
führt, brummt unser Töfftöff tapfer die Serpentinen hinauf und
hinunter. Das Panorama ist immer wieder atemberaubend, aber nach dem
ersten Fotostopp hüten wir uns, anzuhalten. An jedem Aussichtspunkt
und natürlich auf dem Pass wartet bereits eine Meute von
Mineralienhändlern, die den Touristen versuchen mehr oder weniger
echte Stein- und Kristallstücken zu verkaufen.
Danke,
wir kaufen nichts, wir haben alles und selbst wenn, wieviel solcher
Stehrumchen kann der Mensch gebrauchen? Es ist eher unwahrscheinlich,
dass die Männer hier an der Straße viel Umsatz machen.
In
Marrakesch finden wir erstaunlich schnell den Parkplatz hinter der
Kutubiya Moschee, der größten und wichtigsten der Stadt. In einer
stillen Ecke werden wir neben einem Schweizer Mobil eingewiesen.
Außer uns beiden stehen nur PKWs hier. Das war mal anders.
Nach
kurzer Pause machen wir uns auf zum Djamâa
el Fna, dem Platz der Geköpften. In alter Zeit wurden hier die
Hinrichtungen vollzogen, heute ist er der Treffpunkt für Touristen
aus aller Welt, aber auch für die Marrakeschis, die in all dem
Touristenrummel ihrem normalen Alltag nachgehen.
Am
Zugang zum Platz warten die Pferdekutschen, die man für eine
Stadtrundfahrt mieten kann. Schon hier ist kaum ein Durchkommen. Auf
dem Platz selber kann man ebenfalls nur mit dem Strom schwimmen,
sonst hat man keine Chance vorwärts zu kommen.
Was
ist hier los? So voll hatten wir es nicht in Erinnerung. Aber wir
lassen uns nicht entmutigen. Jette will ja was sehen und erleben.
Also
stürzen wir uns ins Getümmel, trinken an einem der vielen
Saftstände einen frisch gepressten Orangensaft, dann geht’s hinein
in den Souq.
Es
gibt nichts, was es hier nicht in abertausendfacher Ausführung gibt.
Von Schals und Hosen, Kaftanen und Schuhen über Lampen und
Kupfertabletts, -kannen und -becken, bis Taschen, Gürteln,
Rucksäcken Duftsteinen und Gewürzen aller Art wird hier alles
angeboten, ganz zu schweigen von Schmuck und Teppichen.
Draußen
auf dem Platz werden inzwischen die mobilen, nummerierten Garküchen
aufgebaut und als wir hinaus treten aus dem Gassengewirr der Händler,
werden wir von Essensdüften und den vielen jungen Männern mit einer
Speisekarte in der Hand empfangen, die für ihre Garküche Kunden
werben.
Wir
lassen an Nr. 30 locken und essen Lamm am Spieß und Kalamares.
Allerdings mehr als wir bestellt hatten, was bei der Bestellung nicht
immer leicht zu übersehen ist. Der Klassiker sozusagen.
So
haben wir wieder was gelernt. Immer die Bestellung überprüfen.
Danach
gehen wir auf die Suche nach den Gauklern und Geschichtenerzählern,
den Wunderheilern und Hennafrauen.
Nur
Letztere sind noch da und sie haben sich um ein Vielfaches vermehrt.
Die
Gaukler sind von Harlekins und Clowns abgelöst worden, die Trommler
und Sänger von Popgruppen, deren Publikum hauptsächlich Jugendliche
sind, die die Auftritte mit dem Handy mitschneiden.
Statt
der Geschichtenerzähler, die um eine kleine Lampe herum ihr Publikum
versammelten und mit Stimme und Gestik fesselten, finden nun
Boxkämpfe statt und Geschicklichkeitsspiele. Für die Touries treten
professionelle Folkloregruppen auf.
In
Marrakesch findet gerade die Weltklimakonferenz statt. Überall
hängen die Plakate, die Stadt hat geflaggt, große rote Aufsteller
mit dem Logo der Konferenz stehen überall als Wegweiser, die
Militär- und Polizeipräsenz ist unglaublich. Wir registrieren 4
oder 5 verschiedene Uniformen.
Nun
wird uns auch klar, wo die vielen Menschen herkommen. So eine
Klimakonferenz hat, wie wir später feststellen, etliche
Nebenveranstaltungen.
Zurück
im Auto sind wir ganz benommen von dem Gedrängel und Geschubse.
Am
nächsten Tag machen wir uns getrennt auf den Weg. Es ist Montag und
die Stadt merklich leerer. Anscheinend gibt es viele
Wochenendbesucher, denn auch der Parklplatz um uns herum ist
auffallend leer.
Am
Djamâa el Fna vorbei wollen
Jette und ich ins Kasbah Viertel. Auf dem Platz sitzen schon die
Hennafrauen auf ihren Höckerchen, die Wasserträger in ihren bunten
Trachten bimmeln mit ihren Glocken. Wasser trinkt bei ihnen schon
lang keiner mehr, aber man kann sie für einen Obolus fotografieren.
Die
Metallkorpusse der Garküchen stehen kahl da, bis sie am Abend wieder
mit Auslagen und Lämpchen bestückt werden.
Ich
schaue mich um und bin einmal mehr enttäuscht. Der Platz hat seinen
Zauber verloren. Durch die Metallkisten ist seine Anmut und Weite,
die er am Tag hatte, nicht mehr vorhanden. Am Abend hat er nichts
Geheimnisvolles mehr. Die abgelegene Ecke, in der die Wunderheiler
und Arzneiverkäufer bei Schummerbeleuchtung ihre Künste anboten,
ist nun hell ausgeleuchtet und die Medizinmänner verkaufen Arganöl.
An
einer Ecke des Platzes ist die Hauptpost. Gleich daneben ein Gebäude
der Stadtverwaltung. Dazwischen ist ein Areal mit Gittern abgesperrt
an denen Plakate hängen. Hier bekommen wir einen Einblick in die
andere Seite Marokkos. Wir lesen, dass es sich um einen 96 tägigen
Sitz- und Hungerstreik arbeitsloser Lehrer handelt. 10 000 wurden vom
Staat ausgebildet und sind nun ohne Anstellung, obwohl in den Schulen
die Klassen mit bis zu 100 Schülern hoffnungslos überfüllt sind.
Eine recht große Anzahl von Unterstützern kümmert sich um die
Protestierenden.
Wir
gehen weiter ins Kasbah Viertel, das hinter dem ältesten Stadttor,
dem Bab Agnaou, liegt. Hier treffen wir kaum noch Touristen. Hier
spielt das alltägliche Leben. Handwerker, Automechaniker, kleine
Läden, ein Lebensmittelmarkt, nur hinter dem Tor ein, zwei Läden
mit Schals, Kaftanen und Taschen.
Im
Viertel gibt es einige nette Restaurants und ein, unter Backpackern
legendäres, Café, das Clock. Von einem Amerikaner betrieben, der
wohl selbst einst als Backpacker unterwegs war und deren Bedürfnisse
kennt. Wir trinken frischen Orangensaft auf der Dachterrasse des
Cafés, genießen den Blick über das Viertel und die ruhige,
entspannte Atmosphäre.
Wir
schlendern noch ein bissel durch die Gassen, finden das eine oder
andere schöne Fotomotiv
Wir
haben beschlossen, den Nachmittag im Hammam zu verbringen. Jette hat
von einer Bekannten, die in Marokko lebt, eines empfohlen bekommen
mit dem vielversprechenden Namen „Mille et un nuit“ - 1001 Nacht.
Wir
finden es tatsächlich in einer der Gassen des Souq um den Djamâa
el Fna. Ein paar Stufen führen hinunter in einen schmalen
Empfangsbereich. Dort bekommen wir von der freundlichen jungen Frau
hinter dem Tresen einen Termin für 16.00 Uhr.
Pünktlich
sind wir da und dann geht es auch schon los.
Hammam:
Ein
wunderbares Erlebnis.
Unsere
Sachen werden in einen Korb gelegt und eingeschlossen. Dann geht es
durch schmale Gänge und Türen in einen Raum mit schön gefliesten
Bänken. Aus Eimern werden wir mit warmem Wasser übergossen. Eine
weitere Tür öffnet sich. Wir sitzen im Dampfbad, wieder auf warmen
Steinbänken. Wasserdampf strömt aus einem geöffneten Hahn in den
Raum der sich nach und nach damit füllt. Es tropft von der Decke. Es
ist nicht sonderlich heiß, aber sehr feucht.
Dann
werden wir abgeseift, geschrubbt, gepeelt, und geknetet und immer
wieder abgespült und ins Dampfbad geschickt, damit die Poren sich
richtig öffen. Die Badefrauen sind lustig. Bei all dem wird viel
gelacht.
Wir
werden in Bademäntel verpackt und in einen Raum mit Ruheliegen
gebracht. Schöne Einlegearbeiten an den Wänden, eine Spiegelsäule,
bunte Tücher und Teppiche umgeben uns. Leise, arabische Musik trägt
zur Entspannung bei. Es wird Thè à la menthe serviert, der grüne
Tee mit Minze und viiiiel Zucker, den man hier überall trinkt.
Ich
bin gerade am wegnicken, da wird das Licht heller und wir werden von
Frauen in roten Kitteln durch Gänge und eine schmale Treppe hinauf
geleitet zu den Massageliegen in, mit schönen Wandteppichen
abgeteilte Kabinen.
Und
jetzt kommt die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Eine Stunde Massage
mit Arganöl von Kopf bis Fuß. Und diese Frauen sind Profis.
Nachdem
wir noch etwas geruht und uns angezogen haben, bittet man uns in den
Salon und es gibt wieder Tee.
Er
ist rund, der Salon, und die Sofas üppig mit Kissen ausgelegt.
Immernoch ertönt arabische Musik.
Tausend
und eine Nacht.
Als
wir das Hammam verlassen ist es dunkel geworden und der Vollmond
strahlt über der Stadt.
Fast
schwebend gehen wir zurück zum Auto, wo Rüdiger uns schon erwartet.
Er hat die Stadt tagsüber mit dem Fahrrad erkundet und dann ein paar
Stunden im Park nebenan richtig gute Musik gehört.
Gemeinsam
beschließen wir den Tag auf der Dachterrasse des „Kasbah Cafè“
bei einem köstlichen Zitronenhuhn und dem besten Salade maroccain,
den wir hier bisher gegessen haben.
Am
nächsten Morgen bringen wir Jette in aller Frühe zum Flughafen. Für
sie ist die Zeit in Marokko zu Ende.
Wir
fahren zurück nach Ouarzazate, dann nach Zagora. Für uns beginnt
nun eine freie, unabhängige Zeit.
Bis
bald, liebe Freunde,
Doris
und Rüdiger
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