Es scheint, daß das Reisen für
mich eigentlich die zuträglichste Lebensart ist.
August Graf von Platen Hallermund
Wir
fahren durch eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch.
Unendliche
Felder, fette Wiesen, gesprenkelt mit prallen Kühen, dunkle Wälder.
Fliederhecken verströmen ihren Duft, alte Baumriesen ragen hoch auf,
Alleen bilden grüne Tunnel an deren Ende es oft gelb leuchtet –
Rapsfelder.
Es
gibt viele neue Straßen, die unser Navi nicht auf dem Schirm hat,
aber alles ist gut ausgeschildert, so fahren wir ohne Probleme immer
auf der Straße Nr. 16 durch Grudziąz,
Olsztyn bis Nowe Bagienice bei Mrągowo.
Wie
auf dem Feldherrenhügel stehen wir auf dem Campagro „Lorsby“ am
Sarz See. Ein traumhaftes Plätzchen. Hier bekommt man den Eindruck,
dass die Welt noch in Ordnung ist.
Wir sind mitten in der Masurischen Seenplatte. Vor 25 Jahren führte uns die letzte große Radtour mit unseren Kindern in diese Gegend. Es war ein heißer Sommer, Rüdiger und Jette fuhren auf dem Tandem, Hagen und ich mit eigenen Rädern. Wir landeten damals auf einem kleinen Camping an einem See, das Tandem hatte eine Panne, Rüdiger fuhr mit meinem Rad 50 Kilometer bis Olsztyn um Ersatzteile zu kaufen. Wir hatten auf besagtem Platz Mirek kennengelernt, einen Polen, der ebenfalls mit dem Rad unterwegs war. Als gelernter Flugzeugmechaniker reinigte er in Deutschland Gullys. So konnte er genau erklären, wo der Laden ist und schrieb die Ersatzteile auf Polnisch auf einen Zettel. Einige Nachbarn auf dem Platz steuerten Werkzeug und gute Ratschläge bei. Nach erfolgter Reparatur gab es eine, in der Familie legendäre Party, die morgens um 6.00 Uhr mit dem absingen von „Knocking on heavens door“ auf dem Steg am See endete.
Polen
hat sich natürlich seitdem verändert, aber einige Dinge gibt es
noch. So zum Beispiel Twarog, ein quarkähnlicher Käse, dessen
Zubereitung mit Tomaten, saurer Sahne und Frühlingszwiebeln uns
Mirek damals zeigte. Eine Köstlichkeit, die seitdem zum
kulinarischen Pflichtprogramm gehört, wenn wir in Polen sind.
Rüdiger
radelt die 7 Kilometer nach Mrągowo und kauft dort im
Biedronka-Supermarkt die nötigen Zutaten ein.
Die
Wettervorhersagen kündigen Wind und Regen an. Wir legen einen
Ruhetag ein, bevor es über Litauen nach Lettland geht. Der Platz ist
ideal dafür.
Der
Wind kommt, der Regen erst am Nachmittag. Petrus beschert uns einen
blau-weißen Tag, der Wind schiebt weiße Wattebäusche über den
Himmel und flüstert mit den Birken, neben denen wir stehen.
Leider
ist auch dieses Paradies nicht perfekt. Man kann nicht um den See
laufen. Rüdiger versucht es, doch die Ufer sind sumpfig und eine
Bahnlinie führt dicht daran entlang.
So begnügen wir uns mit der
Bank auf dem Steg um aufs Wasser zu gucken.
Gegen
Abend zieht ein Gewitter auf. Stundenlang grummelt es über dem See,
wir sitzen warm und trocken und planen den nächsten Tag.
Der
beginnt wieder strahlend und warm, wir starten nach dem Frühstück,
fahren weiter durch die Bilderbuchlandschaft, können uns gar nicht
satt sehen. Als wir durch Mikołajki, dem ehemaligen Nikolaiken,
fahren, muss ich an Siegfried Lenz denken, der hier geboren ist, und
an meine Oma Liesbeth, die mir von ihrer ostpreußischen Heimat
erzählt hat, als ich ein Kind war. Das ist über 50 Jahre her.
Die
Straßen sind inzwischen gut ausgebaut, am frühen Nachmittag
erreichen wir Litauen.
Durch Marijampole und Kaunas fahren wir nach Nordosten.
Durch Marijampole und Kaunas fahren wir nach Nordosten.
Auch
hier ist alles grün und üppig, die Felder riesig, die Kühe
wohlgenährt. Die Gehöfte und Häuser sind allerdings deutlich
kleiner als in Polen, das Land weniger dicht besiedelt.
Hinter
Kaunas verlassen wir die Autobahn und fahren weiter auf der 229 und
der 195 Richtung Krekenava.
Mitten
zwischen den großen Feldern finden wir einen kleinen See. An dessen
hohem Ufer entdecken wir ein seltsames Bauwerk, überwuchert und
zugewachsen. Ein ehemaliger Bunker, eine Verladerampe?
Daneben
findet sich eine kleine, ebene Fläche, hier werden wir übernachten.
Wir haben einen phantastischen Blick über die Felder und auf den
Sonnenuntergang.
Gegenüber
liegt hinter einem Waldstreifen ein Gehöft, ab und zu fährt ein
Auto vorbei, ein paar Jugendliche amüsieren sich auf dem Bunkerdach.
Nach einer Weile haben sie genug, fahren wieder weg, dann herrscht
himmlische Ruhe.
Morgen
wollen wir Riga erreichen. Wir sind sehr gespannt.
Bis
dann also
Doris
und Rüdiger
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