Dienstag, 21. Mai 2019

Knocking on heavens door


Es scheint, daß das Reisen für mich eigentlich die zuträglichste Lebensart ist.
August Graf von Platen Hallermund






Wir fahren durch eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch.
Unendliche Felder, fette Wiesen, gesprenkelt mit prallen Kühen, dunkle Wälder. Fliederhecken verströmen ihren Duft, alte Baumriesen ragen hoch auf, Alleen bilden grüne Tunnel an deren Ende es oft gelb leuchtet – Rapsfelder.
Es gibt viele neue Straßen, die unser Navi nicht auf dem Schirm hat, aber alles ist gut ausgeschildert, so fahren wir ohne Probleme immer auf der Straße Nr. 16 durch Grudziąz, Olsztyn bis Nowe Bagienice bei Mrągowo.








 
Wie auf dem Feldherrenhügel stehen wir auf dem Campagro „Lorsby“ am Sarz See. Ein traumhaftes Plätzchen. Hier bekommt man den Eindruck, dass die Welt noch in Ordnung ist.






 Wir sind mitten in der Masurischen Seenplatte. Vor 25 Jahren führte uns die letzte große Radtour mit unseren Kindern in diese Gegend. Es war ein heißer Sommer, Rüdiger und Jette fuhren auf dem Tandem, Hagen und ich mit eigenen Rädern. Wir landeten damals auf einem kleinen Camping an einem See, das Tandem hatte eine Panne, Rüdiger fuhr mit meinem Rad 50 Kilometer bis Olsztyn um Ersatzteile zu kaufen. Wir hatten auf besagtem Platz Mirek kennengelernt, einen Polen, der ebenfalls mit dem Rad unterwegs war. Als gelernter Flugzeugmechaniker reinigte er in Deutschland Gullys. So konnte er genau erklären, wo der Laden ist und schrieb die Ersatzteile auf Polnisch auf einen Zettel. Einige Nachbarn auf dem Platz steuerten Werkzeug und gute Ratschläge bei. Nach erfolgter Reparatur gab es eine, in der Familie legendäre Party, die morgens um 6.00 Uhr mit dem absingen von „Knocking on heavens door“ auf dem Steg am See endete.

Polen hat sich natürlich seitdem verändert, aber einige Dinge gibt es noch. So zum Beispiel Twarog, ein quarkähnlicher Käse, dessen Zubereitung mit Tomaten, saurer Sahne und Frühlingszwiebeln uns Mirek damals zeigte. Eine Köstlichkeit, die seitdem zum kulinarischen Pflichtprogramm gehört, wenn wir in Polen sind.
Rüdiger radelt die 7 Kilometer nach Mrągowo und kauft dort im Biedronka-Supermarkt die nötigen Zutaten ein.





Die Wettervorhersagen kündigen Wind und Regen an. Wir legen einen Ruhetag ein, bevor es über Litauen nach Lettland geht. Der Platz ist ideal dafür.
Der Wind kommt, der Regen erst am Nachmittag. Petrus beschert uns einen blau-weißen Tag, der Wind schiebt weiße Wattebäusche über den Himmel und flüstert mit den Birken, neben denen wir stehen.

Leider ist auch dieses Paradies nicht perfekt. Man kann nicht um den See laufen. Rüdiger versucht es, doch die Ufer sind sumpfig und eine Bahnlinie führt dicht daran entlang. 


So begnügen wir uns mit der Bank auf dem Steg um aufs Wasser zu gucken.
 

Gegen Abend zieht ein Gewitter auf. Stundenlang grummelt es über dem See, wir sitzen warm und trocken und planen den nächsten Tag.


Der beginnt wieder strahlend und warm, wir starten nach dem Frühstück, fahren weiter durch die Bilderbuchlandschaft, können uns gar nicht satt sehen. Als wir durch Mikołajki, dem ehemaligen Nikolaiken, fahren, muss ich an Siegfried Lenz denken, der hier geboren ist, und an meine Oma Liesbeth, die mir von ihrer ostpreußischen Heimat erzählt hat, als ich ein Kind war. Das ist über 50 Jahre her.
Die Straßen sind inzwischen gut ausgebaut, am frühen Nachmittag erreichen wir Litauen. 




Durch Marijampole und Kaunas fahren wir nach Nordosten.
Auch hier ist alles grün und üppig, die Felder riesig, die Kühe wohlgenährt. Die Gehöfte und Häuser sind allerdings deutlich kleiner als in Polen, das Land weniger dicht besiedelt.
Hinter Kaunas verlassen wir die Autobahn und fahren weiter auf der 229 und der 195 Richtung Krekenava.
Mitten zwischen den großen Feldern finden wir einen kleinen See. An dessen hohem Ufer entdecken wir ein seltsames Bauwerk, überwuchert und zugewachsen. Ein ehemaliger Bunker, eine Verladerampe?




Daneben findet sich eine kleine, ebene Fläche, hier werden wir übernachten. Wir haben einen phantastischen Blick über die Felder und auf den Sonnenuntergang.


Gegenüber liegt hinter einem Waldstreifen ein Gehöft, ab und zu fährt ein Auto vorbei, ein paar Jugendliche amüsieren sich auf dem Bunkerdach. Nach einer Weile haben sie genug, fahren wieder weg, dann herrscht himmlische Ruhe.

Morgen wollen wir Riga erreichen. Wir sind sehr gespannt.

Bis dann also
Doris und Rüdiger

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