Sonntag, 19. März 2023

Süß und salzig

 



Moulay ist ein kleiner, drahtiger, eher zurückhaltend wirkender Mann in abgewetzter Kleidung. 



Er fängt uns ab auf dem Weg zu den Quellen des Oum Er-Rbia, dem, trotz saisonaler Schwankungen, längsten und wasserreichsten Fluss Marokkos. Über 555 Kilometer windet er sich aus dem Mittleren Atlas bis zum Atlantischen Ozean.




Seine Quellen liegen etwa 40 Kilometer von der Oase Khenifra entfernt, die wir am Tag zuvor durchquert haben.









Die traumhafte, üppig grüne Gebirgslandschaft des Mittleren Atlas hatte uns auf dem Weg hierher in Begeisterung versetzt. 



Dunkelrote Erde bildet einen herrlichen Kontrast zu den bis hoch hinauf reichenden Zedernwäldern, Olivenhainen und den weiten frühlingsgrünen Feldern. Der Tizi n'Rechon (Pass) liegt auf 1948 Meter und der Blick über die Landschaft ist atemberaubend.










Irgendwann taucht der Fluss auf, in dem sogar Wasser fließt. 




Er begleitet uns hinunter bis zu dem großen, ordentlich geschotterten Parkplatz, auf dem wir uns einen Platz zum Übernachten suchen. 




Der Parkwächter begrüßt uns und bietet eine Tajine an, zubereitet von seiner Frau. Freundlich dankend lehnen wir ab, wir wollen lieber in einem der Restaurants am Fluss, nahe der Quellen essen, die nur 1,5 Kilometer entfernt liegen. Am frühen Nachmittag machen wir uns auf den Weg. Und hier sind wir nun.

Aus 40 Quellen entspringt der Fluss, erzählt uns Moulay, einige davon sind salzig. Er zeigt auf die gegenüberliegende Seite des kleinen Cañons, wo sich von den dahinterliegenden Bergen das Wasser in die enge Schlucht ergießt.




Gurgelnd und schäumend fließt es am Grund des schmalen Flussbetts entlang bis es jenseits der Straße in ein breiteres mündet.




I'm not a Guide“ betont Moulay immer wieder. Trotzdem will er uns zum Wasserfall führen und uns dann am Ende der Nicht-Führung zeigen, wo wir eine besonders leckere Tajine bekommen, direkt am Fluss. Nun ja, dass er uns nicht aus purer Liebe zu den Touristen angesprochen hat, war schon irgendwie klar. Andererseits, am Fluss essen wollten wir ja sowieso, also folgen wir ihm.




Auf sandigen Pfaden, vorbei an auf Betonsockeln errichteten Sonnendächern, läuft er uns voraus, auf die hohe rote Wand zu. Wir schlängeln uns an Felsbrocken vorbei, gehen über ein Brückchen und dann wird es abenteuerlich.







Die letzten Meter bis zum Wasserfall überlasse ich Rüdiger, das ist mir denn doch zu gewagt.




Ich schaue mich um. Entlang der glucksenden Wassermassen steht flächendeckend Hütte an Hütte.




Dazwischen rauscht es immer wieder in Strudeln und durch dünne Rohre. Das sind wohl die 40 Quellen, die den Bach speisen, der später zum Fluss wird.




Hier hinten sei das Wasser süß hatte unser Nicht-Guide erklärt. Frauen und Kinder füllen auf mitunter halsbrecherische Weise Wasser aus den Rohren in Flaschen, Töpfe oder Teekessel oder trinken direkt aus der hohlen Hand.



Nach einer Weile kommen die Männer zurück, Moulay führt uns nun auf der anderen Seite des Flüsschens hinauf und hinunter, zwischen den Hütten hindurch. Bei einer freundlichen Frau kaufen wir unterwegs ein Berberbrot, einen dieser großen, fluffigen Fladen, die wir so mögen.

Noch einmal werden wir gefragt, ob wir Tajine essen möchten, was wir bejahen. Moulay hatte uns gezeigt, dass hier auch Fisch gezüchtet wird, Forellen und Lachs. Wir fragen , ob wir dann Fischtajine bekommen können. Ja, auf jeden Fall, lautet die Antwort.

Noch eine Treppe, eine Steigung, ein Vorhang, dann sind wir da. Unter den Dächern sind einzelne Abteilungen durch aufgespannte Tücher abgetrennt. Die dadurch entstehenden kleinen Räume kann man anscheinend mieten.




Wir werden in einem davon auf Kissen platziert. Eine Frau begrüßt uns, fragt noch einmal: „Tajine?“. Auf Rüdigers „Na'am, Samak“ (Ja, Fisch) reagiert sie nicht, was wir darauf zurückführen, dass sie möglicherweise nur Tamazigt spricht, die Berbersprache. Sie verzieht keine Miene und verschwindet. 



Moulay erklärt, sie bereite jetzt die Tajine zu, er müsse wieder zurück, würde aber gern schon mal das Geld für das Essen kassieren. Es ist etwas teurer als gewöhnlich, aber wir sagen uns, der besondere Ort und der frische Fisch sind uns schon ein paar Dirham mehr wert.



Aus der Abteilung neben uns duftet es verführerisch. Zwei junge Männer grillen dort mitgebrachte Hähnchenteile, schöpfen Wasser aus dem Bach für ihren Tee. Ein Lächeln, ein Gruß und schon sind wir in ihr Abteil eingeladen, bekommen ein paar Hähnchenteile vorgelegt und einen Tee eingegossen. Sie freuen sich, dass wir den Weg hierher gefunden haben, machen Fotos mit uns.




Während wir noch auf unsere Tajine warten, beenden sie ihr Mahl und verabschieden sich fröhlich.

Nach einer Weile kommt die ernst blickende Frau, bringt uns die Tajine und ein Tablett mit Tee und schon entschwindet sie wieder, wohin auch immer.



Ein paar Katzen fordern Miete in Form von Naturalien für einen Platz in ihrem Revier, den sie vorübergehend mit uns teilen müssen.




Erst nach einigen Bissen wird klar, Fisch ist das auf keinen Fall, das ist eindeutig Rind. Das Gemüse ist, wie bei Tajinengerichten üblich, so über das Fleisch drapiert, dass man es erst findet, wenn man das Gemüse beiseite schiebt. Das tut man gewöhnlich mit den ersten Bissen. Wir sind enttäuscht und verärgert, aber was können wir tun? Wir machen uns keine Hoffnung in diesem Labyrinth die Köchin zu finden, geschweige denn Moulay, der sicher längst wieder an der Straße auf Kundenfang ist. Also essen wir unsere Tajine, die, wenn man Rind bestellt hätte, gar nicht schlecht schmeckt und machen uns auf den Weg zurück zum Wohnmobil.

Hätten wir vielleicht doch lieber das Angebot des Parkwächters annehmen sollen?

Der riesige Parkplatz ist nach wie vor leer, bis auf zwei französische Wohnmobile, die sich natürlich direkt neben uns gestellt haben.

Für 20 DH haben wir hier sehr sicher und ruhig übernachtet.

Solch kleine „Betrügereien“ und Geldschneidereien passieren uns in Marokko leider doch ab und zu. Wir verstehen sehr wohl, dass hier kein Betrug im großen Stil geschieht und dass die kleinen Leute sich damit keine goldenen Nasen verdienen. Meist sind es Menschen, die von dem Bisschen, das für sie durch die Touristen abfällt große Familien ernähren müssen, aber bei allem Verständnis und Berücksichtigung unterschiedlicher Weltsichten und Mentalitäten, bleiben es doch Betrügereien. Das trübt dann für eine Weile unsere Freude an diesem wunderbaren Land, zumal wir an anderen Stellen hier in Marokko genau Gegenteiliges erlebt haben. Wie in Zagora mit dem Inhaber eines Standes, der Arganöl feilbietet. Sein Nachbar, unser junger Lieblingsgemüsehändler, vertrat ihn, während er in der Moschee zum Gebet war. Der Preis, den der junge Mann genannt hatte, kam uns zu hoch vor, also gingen wir wieder. Etwas später hatten wir uns im Netz ein bisschen informiert und der Preis erschien nun doch nahe an der Realität. Wir gingen also wieder zurück. Inzwischen hatte der Inhaber sein Gebet beendet und übernahm die Verhandlungen. Er nannte einen deutlich niedrigeren Preis und schaute den jungen Mann streng an. Dieser entschuldigte sich dann mehrmals und versuchte zu erklären, er sei eben nur die Vertretung, hätte die Preise nicht so drauf, was wir natürlich freundlich lächelnd akzeptierten.

Kann ja mal vorkommen.

Solche Erlebnisse versöhnen uns dann immer wieder und lassen unseren Ärger wie Butter in der Sonne schmelzen.





Mit einer weiteren Erfahrung und der Erkenntnis, dass gesundes Misstrauen durchaus angebracht und man eben doch genauer nachfragen und hinschauen muss, machen wir uns auf den Weg nach Mekness.


Auch hier werden wir eine neue Erfahrung machen, die wir gern mit Euch teilen.


Bis bald also

Doris und Rüdiger



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