Donnerstag, 23. März 2023

Das verhüllte Tor

 




Das Atlasgebirge hat unserem IVECO so einiges abverlangt. Steile Anfahrten, enge Kurven, abschüssige Serpentinen verlangen viel von Mensch und Material. Bisher haben Rüdiger und er das prima gemeistert. Seit einiger Zeit gibt unser Auto allerdings zu erkennen, dass solche Strecken auf lange Sicht doch Folgen haben. Unsere Bremsen quietschen unschön.








Wieder kommen die Social Medias ins Spiel. In einem der Marokko-Foren empfiehlt ein anderer IVECO Fahrer eine Fachwerkstatt in Meknès. Genau zum richtigen Zeitpunkt. Da wir sowieso nach Meknès wollen, beschließen wir, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.

Die von Steineichen gesäumte Strecke von den Quellen des Oum Er-Rbia bis zu der großen Stadt ist noch einmal etwas anspruchsvoll.





Die Oase Azrou ist anscheinend auf Kirschen spezialisiert und wirkt auf uns sehr einladend, aber sie kommt auf unsere Liste fürs nächste Mal, denn wir haben ja ein Ziel.






Wir übernachten auf einem Parkplatz an der Straße mit einem überwältigenden Panorama.




Die Sonne geht in voller Pracht unter, übergießt den Himmel mit leuchtenden Farben von Rot bis Gold.




Genauso prachtvoll erhebt sie sich am nächsten Morgen. Während wir uns fertig machen, strömt eine Schulklasse aus einem Bus und bewundert die atemberaubende Aussicht.





Die IVECO Werkstatt liegt direkt an der N-13, wir fahren auf den Hof und werden gleich in die Halle dirigiert. 



Eine sehr freundliche, kompetente junge Frau empfängt uns im Büro. Soukayna spricht Englisch und versteht sofort, worum es geht. Sie spricht mit dem Werkstattmeister, ordert Ersatzteile und macht uns einen Kostenvoranschlag.

Zunächst aber bauen die Monteure alle Räder von unserem Wohnmobil ab. 






Die Diagnose lautet: wir brauchen neue Bremsscheiben und neue Bremsbeläge. Die Teile kommen erst am nächsten Tag. Damit haben wir gerechnet.

Schon lange haben wir die Idee wenigstens einmal in einem richtigen Riad, einem der orientalischen Stadthäuser, in einer Medina zu übernachten. Das ist die Gelegenheit. Einen Rucksack haben wir vorausschauender Weise dabei. Über booking.com ist bald ein Riad gefunden, dass uns zusagt. Das Problem ist nun, in die Stadt hinein zu kommen, denn die Werkstatt liegt außerhalb in einem Gewerbegebiet. Auch hier weiß Soukayna Rat. In einer Stunde macht die Werkstatt Mittagspause und einige der Monteure fahren in die City. Einer von ihnen wird uns mitnehmen. Für alle Fälle gibt sie mir ihre Telefonnummer, falls es ein Problem gibt oder wir sonst irgendwie Hilfe brauchen.



Wieder lernen wir etwas dazu, nämlich, dass das City Center etwas anderes ist, als die Medina, die Altstadt. Der freundliche Automechaniker setzt uns im City Center ab, das sich etwa 2 Kilometer von der Medina entfernt befindet. Ein Trinkgeld lehnt er konsequent ab. Das moderne Stadtzentrum pulsiert und der Verkehr ist nicht anders als in jeder anderen Stadt dieser Welt.




Wir trinken erst einmal einen Kaffee gegenüber vom alten Kino. 







Dann schultern wir die Rucksäcke und laufen los. Eine große Palmenallee mündet bei McDonalds in den Kreisverkehr, wir überqueren die Brücke über den Fluss und schon haben wir die Medina erreicht.




Hinter das alte Tor wäre kein Taxi gekommen, hier beginnt das Labyrinth der Gassen, in dem wir uns denn auch erst einmal ein bisschen verfitzen. Vorbei an kleinen Läden, öffentlichen Brunnen, Moscheen, über winzige Plätze, durch den überdachten Souq führt uns unser Navi. 










Irgendwann entdecken wir ein Schild, dem wir folgen, noch ein Schild und dann sind wir da. Eine unscheinbare Tür, die nur durch die Tafel daneben als Eingang zum Riad Zahraa erkennbar ist, ist erreicht. Wir drücken den ebenso unscheinbaren Klingelknopf – Sesam öffne Dich!






Was wir hinter diesen abweisenden Lehmmauern finden ist genauso, wie wir es uns gewünscht haben.







Es gibt sicher prächtigere Stadthäuser, aber dieses hier war, wie Fotos aussagen, eine Ruine, die liebevoll mit vielen Details wieder hergerichtet wurde. Es vermittelt durchaus dieses 1000-und-eine-Nacht-Gefühl, das ich mir gewünscht habe.







Unser Zimmer liegt an der unteren und unter der oberen Terrasse. Wir steigen hinauf und schauen über die Dächer von Meknès.








Am meisten gefreut habe ich mich auf das Bad. Das Zimmer ist nett, aber eher zweckmäßig eingerichtet, wie Hotelzimmer eben sind.





Das Bad hingegen ist mit seinen blauen Fliesen und dem bunten Waschbecken wunderschön.






Frisch geduscht und etwas ausgeruht begeben wir uns wieder in das Gassengewirr der Medina zurück auf der Suche nach einem Abendessen.








Durch ein kleines Tor verlassen wir das Viertel, stehen an einer großen Straße. Es ist Freitagabend.

Meknès gehört seit 1996 zum UNESCO Weltkulturerbe. Der Name leitet sich vom Berbstamm der Miknasa ab, der hier ursprünglich lebte. Mehrfach umgestaltet, verfallen und wieder aufgebaut, gehört Meknès neben Fès, Marrakesch und Rabat zu den vier Königsstädten.

Zwei Hälften, die Medina im Westen und die Ville nouvelle (oder Center City) im Osten treffen sich am Oued Bou Fekrane, der die natürliche Grenze zwischen den beiden Stadtteilen bildet.

Vor etlichen Jahren waren wir schon einmal hier. Wir saßen auf dem großen Platz gegenüber dem Bab Mansour, dem berühmten, in allen Marokko-Reiseführern abgebildeten Tor. Den Platz finden wir wieder, das Tor nicht. Es ist verhüllt, genau wie die alte Markthalle, vor der ein Bauzaun das Areal deutlich verkleinert. Die Sehenswürdigkeiten werden restauriert, was wohl einige Zeit dauern wird.


In





Zwischen den Bauzäunen haben viele Händler ihre Waren ausgebreitet, Menschenmassen schieben an den Ständen entlang, wir lassen uns mitziehen durch das bunte Gewimmel.






Nach einigen Irrwegen finden wir die Straße mit den Restaurants. Auch hier ist richtig was los. Wir essen Mergueswürstchen mit allerlei Zutaten. 



Zum Nachtisch holen wir uns süßes Gebäck und setzen uns in eins der Cafès an der Straße zum „Leute gucken“. 



Die Atmosphäre nimmt uns derart gefangen, dass wir stundenlang hier sitzen könnten, 





aber es wird kühl, wir müssen noch den Weg durch die nun dunklen Gassen zurück finden und morgen heißt es nicht so lange trödeln, die Werkstatt schließt mittags, es ist Wochenende.





Am morgen bekommen wir ein leckeres Frühstück, der Inhaber des Riad plaudert ein bisschen mit uns und dann machen wir uns auf den Weg zurück.




Und wieder lernen wir etwas: die Petit Taxis dürfen den Innenstadtring nicht verlassen, da passt die Polizei auf. Weiter hinaus dürfen nur die Grand Taxis. Der nette Taxifahrer fährt uns also zum Gare Rourtiere, wo Busse und die Grand Taxis die Fahrgäste der Petit Taxis übernehmen. Alles läuft wie geschmiert. Er übergibt uns einem Einweiser, der sucht sofort das Fahrzeug in die richtige Richtung für uns und führt uns hin. Ein Trinkgeld will auch er nicht annehmen.

Los geht’s. Im Taxi spricht uns eine junge Frau an, auf Deutsch. Sie erzählt, dass sie in der Schule Deutsch lernt, gerade ihr Abitur macht. Danach will sie in Deutschland Krankenschwester lernen. Ich frage, ob das denn so einfach sei, mit dem Visum und so. Ja, meinte sie, wenn man eine Ausbildung in einem der Berufe macht, die in Deutschland dringend Leute suchen, sei das kein Problem. Sie stellt uns ihre Mutter vor, die neben ihr sitzt und uns mit einem lieben Lächeln einlädt, beim nächsten Mal unbedingt in ihr Haus zu kommen und Couscous zu essen.

Wieder einmal sind die modernen Social Medias hilfreich. Wir verbinden uns auf Instagram, können so in Verbindung bleiben ohne persönliche Daten preisgeben zu müssen.



Das Taxi hält direkt vor der Werkstatt. Die Räder unseres IVECO liegen noch am Boden. Der Werkstattmeister erklärt, die hinteren Bremsscheiben seien in Marokko nicht zu bekommen, man habe aber die alten abgeschliffen, das sollte gehen. Während wir noch reden kommen die Ersatzteile. Ruck-zuck werden sie eingebaut. Der Meister und Rüdiger machen eine Probefahrt, alles ist gut, unsere Bremsen sind wieder sicher.




Wir bezahlen unsere Rechnung, die deutlich unter dem Kostenvoranschlag bleibt, verabschieden uns von den Monteuren mit einem Beitrag für die „Teekasse“, der zunächst auch vehement abgelehnt wird, und starten durch.



Ein gutes Gefühl begleitet uns. Nicht nur weil wir wieder einwandfrei funktionierende Bremsen haben, sondern auch weil wir so viele freundliche hilfsbereite Menschen getroffen haben.

Mit diesem Gefühl machen wir uns auf den Weg weiter Richtung Norden. Nicht weit von Meknès liegt die alte römische Ruinenstadt Volubilis. Schon lange wollten wir sie besuchen, irgendwie hat es sich nie ergeben. Diesmal nun soll es sein.

Zunächst fahren wir auf den Camping Zerhoun Belle Vue, nur ein paar Kilometer von der antiken Stätte entfernt. Hier treffen wir noch einmal auf Connie und verbringen zwei schöne ruhige Tage, bevor wir uns dann an die Besichtigung von Volubilis machen.






Wenn Ihr Lust habt uns zu begleiten, lest den nächsten Bericht.


Bis bald also

Doris und Rüdiger

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