Freitag, 27. Januar 2023

Fata Morgana

 




Die Wüste hat viele Gesichter. Von weiten ebenen Geröllflächen mit einzelnen Tamarisken, 



über braune Lehmhügel mit Abbruchkanten, Sandgelände das neben Tamarisken mit Akazien und Trockengras bewachsen ist, bis zur klassischen Dünenlandschaft und Mischungen aus diesen Formen ist alles vertreten, hier, im Erg Chegaga. Das alles sehen wir natürlich von unserem Campingplatz aus nicht. Hier gibt es eine kleine Düne, auf die man spazieren kann, aber die wirkliche Wüste erreicht man nur mit einem 4x4 Fahrzeug.




Man sagt, wer einmal in der Wüste war, den zieht es entweder immer wieder hin oder nie wieder. Wir haben uns auf unserer Reise durch Algerien in die Wüste verliebt. So schafft es schon diese kleine Düne, unsere Sehnsucht wieder ganz groß werden zu lassen. Da wir kein Allradfahrzeug haben, buchen wir eine Tagestour in die Sahara.


Abdul, einer der beiden Brüder, die den Camping La Boussole betreiben, holt uns morgens um 9.30 Uhr mit dem Geländewagen seines Cousins ab. Kilometer um Kilometer fahren wir zunächst durch die weite Ebene vor dem Gebirgszug des Djabal Bani. Während der Fahrt erzählt Abdul, dass er sein eigenes Auto während der Pandemie verkaufen musste, um die Familie zu ernähren. So teilt er sich nun den Mitsubishi mit seinem Cousin.



Er fragt, ob wir schon einmal in der Sahara waren. Wir erzählen von Algerien und er sagt:“ Hier ist das Tor zur Sahara, in Algerien ist das Haus“. Das hat er schön ausgedrückt. In Algerien ist wirklich der größte und schönste Teil der Sahara.

Zwischen den Tamarisken tauchen ein paar Kamele auf, Abdul hält an.





Bis auf ein, zwei Meter lassen mich die friedlich grasenden Tiere an sich heran. Möglicherweise könnte ich sie sogar anfassen, aber das lasse ich bleiben.



Die ersten kleinen Dünen tauchen auf. 




Dann werden die Dünen höher. Wir stoppen wieder und Abdul bittet uns zu warten, er wolle nur kurz einem anderen Cousin Hallo sagen.

Auf der kleinen Anhöhe aus Sand entdecken wir Abdul, wie er vor einem Rechteck aus Steinen steht, ein Grab. So ist das also.



Ich frage ihn, warum das Grab hier, mitten in der Wüste sei. Er antwortet, seine Familie habe bis vor wenigen Jahren als Nomaden gelebt. Wer starb, wurde an dem Ort seines Todes begraben.




Wir fahren weiter. Eine neue Pflanzenart taucht auf.               Turha heißt der gummibaumartige Strauch, dessen Blätter einen milchigen Saft enthalten, der giftig ist.




Lehmhügel wechseln sich mit weiten, mit kleinen Sträuchern bewachsenen Ebenen ab, die bis an die Berge heranreichen, hinter denen Algerien liegt.

Wieder halten wir. Diesmal um eine Mendesantilope zu bewundern. Auch sie grast friedlich. Mir fällt auf, dass sie ein Halsband trägt. Abdul erklärt, dieses Halsband hätten ihr die Wildhüter umgelegt, um ihren Bewegungsradius zu beobachten.





In der Ferne kommen hohe Dünen in Sicht. Davor stehen einige Lehmbauten, wie es aussieht an einem See. „Fata Morgana“ sagt Abdul. Es sieht tatsächlich täuschend real aus. Von diesen Luftspiegelungen haben wir schon viel gelesen. Das mit dem See erscheint irgendwie erklärlich. Aber wie entsteht eine Fata Morgana, die einem ein großes Glas Bier vorgaukelt? Da ist dann wohl doch eher der Wunsch der Vater des Gedanken.



Das Auto rumpelt über Pisten und Steinfelder, schlingert durch weichen Sand, überquert kleine Dünen. Abdul ist ein souveräner Fahrer, er kennt das Terrain wie die Tasche an seiner Galabija.



Während der Fahrt hat er das Radio an. Die Musik kommt uns bekannt vor. Wir fragen danach und er bejaht, es ist „Tinariwhen“, eine Tuareg-Band aus Algerien. Er staunt und freut sich, dass wir sie kennen und dreht das Radio laut.

Wir sind absolut empfänglich für diese Melange aus Wüstenlandschaft und der Musik aus der Sahara.

Gegen Mittag erreichen wir das zweite Camp der Familie, direkt an den hohen Dünen.




Schwarz gestrichene Lehmhütten stehen um gemütliche Sitzgruppen herum. Sie dienen als Gästebungalows und durch die schwarze Farbe wirken sie wie Beduinenzelte.




Wir haben anderthalb Stunden Zeit bis zum Lunch. Die nutzen wir natürlich, um auf die Düne zu laufen. Rüdiger klettert bis zur höchsten hinauf, das traue ich mich nicht, die Kanten sind mir zu steil.






Auf halber Höhe setze ich mich in den Sand, lausche der Stille und lasse den Blick über die weiten, ockerfarbenen Sandhügel gleiten, zu denen das strahlende Blau des Himmels einen so unglaublich schönen Kontrast bildet. Hier können alle Sinne auftanken und gleichzeitig ausruhen.





Im Restaurant des Camps gibt es Bruchettes, Gemüse, Brot und Salat. Alles ist liebevoll zubereitet und schmeckt sehr gut. 





Wir besuchen noch kurz das saubere, schön gestaltete Sanitärgebäude, dann fragt uns Abdul, ob wir eine Nomadenfamilie besuchen möchten, um zu sehen, wie sie lebt.

Ich bin da immer etwas hin und hergerissen zwischen Neugierde und dem Gefühl, wie ein Spanner daher zu kommen. Abdul bemerkt unser Zögern und erklärt, das sei absolut in Ordnung, die Familie bessere damit ihren mageren Lebensunterhalt auf. Also erklären wir uns einverstanden.

Es geht noch weiter hinein in die Wüstenlandschaft. Dann sagt Abdul, da vorn an der Oase, müssten wir das Fahrzeug wechseln. Wir führen dann mit einem Landrover weiter. Rüdiger bekommt schon Glänzeaugen. Als wir das „Fahrzeug“ erreichen, lachen wir alle herzlich über Abduls Gag. Dieser Landrover fährt ganz sicher nirgendwo mehr hin.



Aber für einen Moment kann Rüdiger sich dem Gefühl hingeben, wie es wäre wenn...



Die Oase ist winzig und sieht aus, wie aus einem orientalischen Märchen, in dem die Karawane nach langer Wüstenreise das rettende Wasser erreicht. Ein paar Palmengruppen stehen um ein Rinnsal herum, dessen klares Wasser in einen klitzekleinen Teich fließt.





An den lehmfarbenen Ufern leben ebenfalls lehmfarbene, kleine Fröschlein.



Dem Gebäude neben der Oase sieht man an, dass es einst eine stattliche Herberge war. Nun verschmelzen die Mauern mit der Umgebung, das Tor ist geschlossen. Vor Corona gab es viele Gäste, meint Abdul, nun bleiben die Wüstenfahrer aus.

Von hier ist es nicht weit bis zu der Nomadenfamilie. Das ältere Paar begrüßt uns aus der Kochhütte heraus.



Während die Frau den Tee bereitet dürfen wir uns das Lager anschauen. Es gibt einen Esel, ein Dromedar, Zicklein und eine Hühnerschar mit zwei Hähnen und Küken, eine Mischung aus Zelt und Lehmbau unter einer großen Tamariske.







Für uns werden Decken auf die Erde gelegt und zwei Kissen herbeigeholt. Hier sitzt man auf Nomadenart. Zum Tee gibt es Datteln, die in Klumpen auf dem Teller liegen und sich als ausgesprochen lecker erweisen. Einige Stücken in Sand gebackenes Brot legt die Gastgeberin dazu.



Die Hühner merken sofort was Sache ist und kommen angelaufen, um ein paar Brotkrumen zu ergattern. Wir teilen gern. Die Hähne sind ein wenig schwerfällig, aber die Hühner, vor allem ein junges Hühnchen, sind schnell und so verschwindet unser Brot bald in den Schnäbeln.



Der Tee ist ausgetrunken, wir bedanken uns mit einem kleinen Obolus für die Gastfreundschaft und verabschieden uns von der Familie.

Die letzte Etappe der Tour führt durch ein trockenes Flussbett auf die Gebirgskette zu. Abdul stoppt an einem großen Geröllfeld. Hier könne man, mit etwas Glück, Fossilien finden erklärt er uns.




Und wir haben tatsächlich Glück. Jeder von uns findet einen Stein, in dem vor Jahrmillionen kleine Tiere oder Muscheln eingeschlossen wurden. Was beweist, dass, wo heute Wüste ist, einst ein Meer war.




Abdul hat einen besonders schönen Stein mit vielen Einschlüssen gefunden, den verehrt er mir als Geschenk. Danke, Abdul!

Am frühen Abend kommen wir durchgerüttelt und ziemlich k.o., aber voller schöner Eindrücke, wieder auf dem Campingplatz an.

Wir sind froh, dass wir diese Tour gemacht haben. Mit unserem IVECO wären wir an all die Orte, die wir an diesem Tag gesehen haben, nie gekommen.

Unsere Sehnsucht nach Wüste ist ein wenig gestillt – oder neu angefacht. Das wird sich noch herausstellen.

Leider verdirbt Abdul am Abend unseren wirklich guten Eindruck dadurch, dass er uns und anscheinend auch andere um Bier oder Wein anbettelt. Er hat ein deutliches Alkoholproblem. Wir sehen das gelassen, aber ein junges, holländisches Paar fühlt sich so bedrängt, dass es Hals über Kopf abfährt. Schade! Abdul ist ein guter Guide, aber so wird er wohl den einen oder anderen Gast vergraulen.


Wir bleiben trotzdem noch einen Tag, denn am Montagnachmittag ist Markt in Mhamid.  

Wir sind dann doch etwas zu früh dran, nachmittags bedeutet hier ab 17.00. Noch etwas geschafft vom Vortag, haben wir keine Lust bis zum Abend zu warten. So gönnen wir uns einen Kaffee und schlendern dann zurück zum Camping „La Boussole“.



Am anderen Morgen zuckeln wir zurück nach Zagora.  Dort werden wir die Bilder der letzten Tage sacken lassen und sortieren. Und dann sehen wir weiter...


Bis bald also

Doris und Rüdiger

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