Freitag, 6. Januar 2023

Die kleine Schwester von Marrakesch

 



Die ersten Geräusche, die am Morgen zu hören sind, kommen vom Kreisverkehr, der nur etwa 100 Meter vom Camping Municipal entfernt ist. Meist ist es da noch dunkel. Sobald es dämmert setzt ein vielstimmiges Vogelkonzert ein, es folgen die Stimmen unserer französischen Nachbarn, die ihre Hunde ausführen, sich zum Morgenschwatz zusammenfinden oder das Dach Ihres Wohnmobils putzen.

Ein neuer Tag beginnt in Tiznit.



Wir sind noch beim ersten Kaffee, da rollt schon die Karawane heran. Wohnmobile aus Frankreich, deren Besitzer Weihnachten mit der Familie hinter sich haben und nun den restlichen Winter in der Sonne auf einem Campingplatz mit allem Komfort verbringen wollen. Der Platz füllt sich.



Hier steht man nur ein paar Schritte von der Altstadt entfernt, wo es nicht nur alles gibt, was man für den täglichen Bedarf braucht, hier sind auch alle Dienstleister auf die Bedürfnisse der Wohnmobilisten eingestellt.

Ob kleine und große Reparaturen am Lack oder am Aufbau, Probleme mit dem Motor, dem Fahrgestell oder den Reifen, eine neue Markise, ein Vorzelt oder Bezüge für die Polster, alles wird hier direkt auf dem Platz gemacht oder angeliefert. Ein mobiler Friseur bietet seine Dienste an, Frauen nehmen die Wäsche zum Waschen mit und eine Gesundheitspraxis offeriert Cremes und Behandlungen für und gegen alles. Natürlich absolut Bio.

Da kann der wohnmobile Rentner es schon mehrere Monate aushalten.

Für ein paar Tage finden wir es ganz nett. Wir können ver- und entsorgen, unsere Vorräte auffüllen, unsere Wäsche waschen lassen, aber vor allem, nach den langen Fahrtagen, an- und runterkommen.

Dazu gehört vor allem der Bummel durch die Altstadt, ein Tee oder Kaffee am Marktplatz.




Mit allen Sinnen nehmen wir Marokko in uns auf. Die Melodie des Sprachengemisches aus Arabisch, Berberisch und Französisch, die Gerüche von Gewürzen, Gebratenem, Gebackenem, Gemüse und Früchten, Parfüm, Motoröl und Abgasen, die sich zu dem unnachahmlichen Aroma vermischen, das unseren Nasen signalisiert: wir sind wieder da.

Der Geschmack von frisch gebratenen Sardinen, frischem, Berberbrot, süßen Datteln und reifem Obst, Tajine Poulet und Minztee schmeichelt unseren Zungen.

Alles ist bunt und lehmfarben, chaotisch und hat doch eine eigene Ordnung, die nur der Einheimische wirklich durchschaut.






Das neue Jahr hat sich etabliert, wir sind angekommen und wieder autark für eine Weile.                    Zeit, weiterzuziehen.


Das Land hat sich verändert durch die Pandemie, erzählt der junge Mann, der unsere Campingplatzgebühren kassiert. Das Leben spielt sich mehr drinnen ab, die Leute gehen nicht mehr so viel raus, bleiben mehr daheim, in der Familie. Eine depressive Stimmung hat sich verbreitet.

Er hat zwei Jahre Deutsch gelernt, beim Studium in Marrakesch, spricht aber lieber Englisch. Ihm fehlt die Praxis in Deutsch. Ob das hier sein Traumjob ist? Ein Achselzucken. Immerhin ist es ein sicherer Job.

Breite Alleen führen aus der Stadt hinaus, in eine unendliche Landschaft.




Irgendwann beginnt die Fahrbahn, sich in die Berge des Antiatlas hinauf zu schlängeln.



Hier wachsen die berühmten Arganien zwischen kleinen Büschen, ab und zu liegt ein kleines Dorf am Weg, Täler öffnen sich und bieten dem Auge Abwechslung.





Gegen Mittag erreichen wir Tafraoute, auf 1000 m Höhe. Das Tal, in dem der belgische Künstler in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Felsen bemalt hat, ist einer unserer Lieblingsorte und liegt ganz in der Nähe. Leider ist die Gegend inzwischen gesperrt, weil Hunderte von französischen Trucks dort seit einigen Jahren um Silvester eine Technoparty feierten.

Wir durchqueren die Stadt, die für die Herstellung der bunten Babuschen berühmt ist, rollen dem nächsten Gebirgszug entgegen.






Hohe, rote Felswände streben himmelwärts, zu ihren Füßen erstreckt sich das Tal der Ammeln, einem Berbervolk, das hier in den Dörfern lebt.




Wir lassen sie links liegen und fahren die kurvenreiche Straße Richtung Igherme, weiter hinauf in die Berge.





Die Straße wird schmaler, der Asphalt ist abgefahren, nur einen Streifen in der Mitte gibt es noch, flankiert von Waschbrettstreifen.




Bei Tiguermine gabelt sich der Weg, die bequemere Straße führt über Igherme, wir nehmen die Strecke über Toufelazt nach Taroudant.

Den Gegenverkehr können wir an zehn Fingern abzählen, ab und zu liegt ein Dorf mitten im Nichts, die Leute grüßen und winken, dann sind wir wieder allein.






So haben wir es am liebsten: nur die unendliche Landschaft, die Straße und wir.





Immerwieder sehen wir zerfallende Ksare, die befestigten Lehmdörfer der Berber, um die herum neue Betonhäuser entstehen. Ihre stolze Vergangenheit sieht man ihnen noch an, aber für die Bewohner wurde der Erhalt wohl zu mühsam. Nach jedem Regen müssen die Mauern neu hergerichtet werden. Das ist mit der neuen Lebensweise schwer zu vereinbaren.



In zahllosen Serpentinen windet sich die inzwischen gute Teerstraße durch den Antiatlas. Hinter jeder Kehre tun sich neue, großartige Aussichten auf.




Auch wenn wir fast allein auf der Straße sind, erfordert die Streckenführung doch volle Konzentration. Es gibt nur teilweise Leitplanken oder deutliche Seitenbegrenzungen an der Fahrbahn. Oft fällt das Gelände auf einer Seite steil ab, während auf der anderen eine Böschung oder Wand aufragt.

Am Nachmittag tut sich vor uns die weite Ebene vor Taroudant auf, in der Ferne ist im Dunst der Hohe Atlas zu erahnen.




Taroudant ist die sauberste und gepflegteste Stadt, die wir in Marokko kennen. Die Stadtmauer aus gestampftem Lehm ist ihr Wahrzeichen. Deshalb wird sie auch die „kleine Schwester von Marrakesch“ genannt. 





An dieser Stadtmauer gab es noch vor vier Jahren einen Stellplatz vor einem Hotel. Jetzt ist der Parkstreifen leer, bis auf ein Wohnmobil, dass offensichtlich zu einer Gruppe gehört und auf Mitfahrer wartet. Ein Schild an der Einfahrt sagt deutlich, dass das Parken für Wohnmobile hier verboten ist.

Wir stellen uns also neben das andere WoMo und warten auf Jan und Ute.

Es gibt am Stadtrand einen Campingplatz „Du Jardin“, das ist die Alternative.

Dort ist genug Platz für uns und wir checken ein.






Am nächsten Morgen bitten wir den Campingplatzbetreiber, uns ein Taxi zu rufen. Das bringt uns bis zum Suq.




Wir schlendern durch die Vielfalt, die sich uns hier bietet, saugen Bilder, Gerüche und Geräusche ein,











trinken am Ende einen Tee und gönnen uns dann eine Pferdekutsche zurück zum Campingplatz. L










Anschließend gönnt sich Rüdiger einen Besuch beim Barbier.



Uns fällt auf, dass seit unserem letzten Besuch hier, viel mehr Fahrräder den Verkehr beleben. An einer Mauer gegenüber des großen Platzes entdecken wir sogar ein Wandbild dazu.



Taroudant hat sich anscheinend zur Fahrradstadt entwickelt, was uns als längjährige Alltagsradler natürlich freut. Männer und Frauen jeden Alters sind mit dem Fahrrad unterwegs und besonders in der Nähe von Schulen nimmt die Fahrraddichte enorm zu. In Gruppen oder einzeln radeln die Kinder und Jugendlichen zum Unterricht oder nach Hause. Vor den Schulen und vor öffentlichen Gebäuden gibt es zum Teil überdachte Fahrradabstellanlagen, Fahrradständer vor Geschäften oder die Drahtesel stehen einfach an Laternen oder an den Bordstein gelehnt.

Das ist doch mal eine positive Entwicklung, finden wir.









Am Abend gibt es Couscous, zubereitet von der Frau des Chefs. Es ist lecker und reichlich.




Und wieder machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg.

Eine Weile werden wir noch mit unseren Freunden unterwegs sein. Ein paar Highlights sind geplant, aber auch einige Ruhetage.

Kommt mit uns und erlebt die Stationen unserer gemeinsamen Reise.


Bis bald also,

Doris und Rüdiger




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