Nur eine große Sache,
Die einzige:
Leben.
In der Hütte, auf Reisen
Zu sehen, wie der große Tag heraufzieht
Und das Licht, das die Welt erfüllt.
altes Inuit-Gedicht
Diesem
Zustand nähern wir uns immer mehr an, liebe Freunde. Das verdanken
wir, neben dem blauen Himmel und der tagsüber warmen Sonne,
Mustapha und Astrid.
Morgens bringt er
uns frische Crepes von seiner Mutter, kauft für uns einige Dinge,
die wir nur zum Touristenpreis bekämen und zeigt uns seine Welt.
So
bittet er Muhammed, der manchmal den Platz bewacht, für uns Gnaua
Musik zu machen.
Ein Feuer wird entfacht, Mustapha kocht Tee und wir hören die traditionelle Musik, die aus dem Sudan stammt und mit den schwarzen Sklaven hierher kam. Auch Muhammeds Vorfahren wurden auf diesem Weg von den Arabern nach Nordafrika verschleppt.
Das Feuer wärmt uns, denn die Nächte sind kalt, während Muhammed auf seiner Bendir (Heschhusch auf Berber) spielt und Mustapha die Schellen im Takt dazu schlägt.
Und
wir sind entspannt. Ob die Wirkung allein von dem Pulver kommt, oder
ob die Musik und die Wärme des Feuers das Ihre dazu beitragen,
spielt keine Rolle.
Wie
auch immer, es ist ein wunderbarer Abend.
Bei
unserer ersten Marokkoreise probierten wir in Marrakesch Schafskopf
aus dem Tontopf und es schmeckte uns sehr gut. Mustapha sagt, auch
hier gibt es ein traditionelles Gericht das im Tonkrug zubereitet
wird, Tangia.
Es
besteht aus Fleisch vom Schaf oder von der Kuh, das in den Krug
geschichtet wird und im Fornagi, einem der großen Öfen, mit denen
im Hammam Hitze und Dampf erzeugt wird, drei Stunden lang gart. Wenn
man es richtig macht, gehört auch der Penis eines Schafbocks oder
Ochsen hinein. Für jeden mindestens einer. Es stärkt das
Liebesleben, sagt Mustapha. Kann ja nicht schaden. Wir sind bereit,
alles zu probieren.
Am
Nachmittag ist es soweit.
Die Konsistenz der Teile liegt zwischen Muskel und ganz weichem Knorpel, gut gewürzt mit Ras-al-Hanut, schmeckt es überraschend gut. Das übrige Fleisch zergeht auf der Zunge.
Dann
schlägt Mustapha vor, uns seine Gegend zu zeigen. Wir sagen
natürlich zu. Für vier Tage mieten wir zusammen ein Auto.
Am
ersten Tag fährt uns Mustapha auf einer sandigen Piste an einem
staubtrockenen Flussbett zu einem Hügel mitten in der Geröllwüste.
Auf den hier herumliegenden Steinen wurden 8000 Jahre alte
Steingravuren entdeckt. Eine Hütte kennzeichnet die Stelle.
Sie sind nicht sonderlich groß, aber doch deutlich und sehr schön. Sie legen Zeugnis davon ab, dass hier einst Steppe war, viele Tiere lebten, Wasser floss.
Die
nächste Station ist N'Kob. Etwa 45 gut erhaltene und restaurierte
Kasbahs gibt es hier. Etliche sind Hotels, manche privat bewohnt.
In
die Kasbah Baha-Baha dürfen wir hinein. Jetzt im Winter ist in den
meisten Hotels nichts los, also begleitet uns der freundliche
Empfangschef auf die Dachterrasse.
Weit hinaus ins Land sieht man von
hier und über den Ort.
Rüdiger sucht uns gleich schon mal eine kleine Kasbah aus.
Nun
ja, man kann ja mal träumen.
Zurück
aufm Campingplatz packen wir alles ein, was wir glauben für eine
kalte Nacht in der Wüste zu brauchen, denn morgen geht zur
sogenannten Judendüne.
Die
Legende erzählt, dass ein Jude sich hier verirrt hat und noch heute
um Hilfe rufend in Vollmondnächten zu hören ist. Mustapha sagt, sie
habe ihren Namen daher, dass hier in alter Zeit Juden als Nomaden
unterwegs waren. Wie auch immer, wir sind gespannt.
Aber
zunächst halten wir in Tamegroute. Hier gibt es ein Heiligtum, das
die Gräber von 7 heiligen Männern und einer heiligen Frau enthält.
Viele Gebrechliche kommen hierher, weil es heißt, man werde geheilt.
Das
für uns Sehenswerte ist die Bibliothek der angegliederten Madrassa,
der Koranschule. Sie enthält über 4000 alte Handschriften, viele
davon an die 1000 Jahre alt.
Ein
uralter Herr im Rollstuhl erklärt uns in gebrochenem Deutsch, welche
Wissenschaftsgebiete hier vertreten seien. Wir sehen wunderschöne
Buchmalereien, winzige Kommentare an den Seitenrändern, einen
Stadtplan von Kairo, astronomische Tabellen, Lyrik, ein Lexikon, ein
Türkisch-Arabisches Wörterbuch aus der Zeit als Türkisch noch mit
arabischen Buchstaben geschrieben wurde. Es gibt Werke über
Pflanzenheilkunde und Algebra, natürlich Koranauslegungen und sogar
eine Geschichte Deutschlands. Die Bücher stehen an den Wänden eines
schlichten Raumes entlang in Glasvitrinen. Wer sie lesen möchte,
muss auf die digitalisierte Form zurückgreifen.
Fotografieren
dürfen wir sie natürlich nicht.
Das
Heiligtum ist für Nichtmuslime geschlossen, aber die Eingangstür dürfen wir fotografieren.
Unser Führer geht mit uns durch verwinkelte Gassen, hinein in einen Wohnbereich innerhalb dieses Ksars, wie die zusammenhängend gebauten Wehrdörfer heißen.
Dann
landen wir auf einem größeren Hof und glauben fast, in eine
vergangene Zeit zurück katapultiert worden zu sein. Unter
primitivsten Bedingungen wird hier die grüne Keramik hergestellt,
für die Tamegroute bekannt ist.
Die
jüngsten Arbeiter sind etwa 10 Jahre alt. Sie zerkleinern mit
Knüppeln auf dem Boden den harten Lehm. Der wird dann in Erdmulden
in Wasser aufgelöst und von einem anderen, älteren Jungen auf einer halb in
den Boden gebauten Töpferscheibe zu Gefäßen gedreht.
Nachdem
die Glasur aufgebracht wurde, brennen die älteren Männer die Gefäße
dann in einfachen Erdöfen. Die Arbeit hier ist schwer und
gesundheitsschädlich. Sogar das Silizium für die Glasur wird von
Hand zerkleinert.
Wir
bekommen erklärt, dass es inzwischen auch Gasöfen gibt, aber die
Qualität der Erzeugnisse sei nicht so gut.
Eine
Großfamilie hat sich hier zu einer Kooperative zusammengetan. Wir
werden zum Laden geführt und finden auch einige schöne Dinge. Der
Verdienst kommt allen zugute.
Dann
fährt uns Mustapha hinaus in die Wüste. Zunächst ist es
Geröllwüste, dann tauchen in der Ferne die Dünen auf.
Das
Camp ist eines von mehreren am Fuße der höchsten von ihnen.
Wir
bekommen Zelthütte Nr.12 zugeteilt.
Die Ausstattung ist einfach
aber ausreichend. Decken und Kissen hätten wir zu Hause lassen
können.
Zum
Sonnenuntergang steigen wir auf die Düne.
Dann
gibt es Lammtajine im Restaurantzelt. Außer uns sind drei junge
Leute aus den USA und ein Ungar im Camp.
Später
am Feuer erfahren wir, dass die Amerikaner in Paris studiert haben
und in zwei Tagen nach erfolgreichen Abschlüssen in die Heimat
zurück fliegen. Der Ungar ist LKW Fahrer. Auch er muss in ein paar
Tagen wieder arbeiten.
Wie reich wir doch sind – wir haben das, was
man Zeitwohlstand nennt.
Die
jungen Marokkaner vom Camp holen ihre Djembès, trommeln und singen
und über uns leuchtet ein Meer von Sternen.
Am
morgen dann kommt der spannende Moment. Wir, das heißt Astrid und
ich, sollen aufs Kamel.
Mir
ist ein bisschen mulmig, aber als mein weißes Tier aufsteht ist das
ein ganz weiches Schaukeln. Viel schlimmer finde ich die Schaukelei,
als es losgeht.
Ich bin froh, als es vorbei ist. Nun weiß ich, wie
sich das anfühlt, eine Wiederholung steht nicht unbedingt auf meiner
Liste der Dinge, die ich in diesem Leben nochmal tun will.
Auf
dem Rückweg nach Zagora fährt Mustapha mit uns zu seinem Dorf, oder
dem, was davon übrig ist.
„Das
war hier alles grün“ sagt er und zeigt uns das Feld, dass seiner
Familie gehört.
Bevor der Staudamm den Draâ
in dieser Region versiegen ließ, lebten die Dörfer an seinem Ufer.
Mustaphas Familie konnte hier nicht überleben und zog nach Zagora.
Wieder
auf der Straße, sehen wir schon in der Ferne, was Mustapha einen
kleinen Sandsturm nennt. Die Palmen biegen sich, die
Luft ist voll feinem Staub, die Konturen des Djebal Rhaart
verschwimmen im Sandnebel, die Sichtweite beträgt stellenweise nur
etwa 100 Meter.
Die Menschen scheinen davon relativ unbeeindruckt.
Sie gehen ihren Geschäften nach, die Kinder radeln von der Schule
nach Hause.
Auch auf
dem Camping Sindibad ist die Luft voll Sand.
Mustapha
hat die Idee mit Rüdiger ins Hammam zu gehen. Wir Frauen duschen
einfach ausgiebig.
Als
die Männer nach etwa 2 Stunden wiederkommen, erkenne ich meinen
Rüdiger fast nicht wieder. Sie waren vorher beim Friseur und der hat aus ihm einen seriösen älteren Herrn gemacht.
„Das
wächst wieder“ sagt er und geht zur Tagesordnung über.
Am
Abend geschieht ein kleines Wunder. Es regnet.
Wir
müssen die letzten Tage erstmal sacken lassen, denn neue spannende
Dinge sind geplant.
Begleitet
uns!
Bis
dann also
Doris
und Rüdiger
Der Haarschnitt steht Rüdiger!!!! Gefällt mir!
AntwortenLöschen(Oder fehlt Dir, liebe Doris, was zum Kraulen? *fg*)
Liebe Grüße, Ute