Dienstag, 12. Dezember 2017

Die Welt der Berber



Und doch gibt es
Nur eine große Sache,
Die einzige:
Leben.
In der Hütte, auf Reisen
Zu sehen, wie der große Tag heraufzieht
Und das Licht, das die Welt erfüllt.



altes Inuit-Gedicht




Diesem Zustand nähern wir uns immer mehr an, liebe Freunde. Das verdanken wir, neben dem blauen Himmel und der tagsüber warmen Sonne, Mustapha und Astrid.  
Morgens bringt er uns frische Crepes von seiner Mutter, kauft für uns einige Dinge, die wir nur zum Touristenpreis bekämen und zeigt uns seine Welt.
So bittet er Muhammed, der manchmal den Platz bewacht, für uns Gnaua Musik zu machen. 




Ein Feuer wird entfacht, Mustapha kocht Tee und wir hören die traditionelle Musik, die aus dem Sudan stammt und mit den schwarzen Sklaven hierher kam. Auch Muhammeds Vorfahren wurden auf diesem Weg von den Arabern nach Nordafrika verschleppt.

Das Feuer wärmt uns, denn die Nächte sind kalt, während Muhammed auf seiner Bendir (Heschhusch auf Berber) spielt und Mustapha die Schellen im Takt dazu schlägt. 

Ein Pulver wird verbrannt, ähnlich wie Weihrauch. Es duftet gut und Mustapha sagt, es entspannt.
Und wir sind entspannt. Ob die Wirkung allein von dem Pulver kommt, oder ob die Musik und die Wärme des Feuers das Ihre dazu beitragen, spielt keine Rolle.
Wie auch immer, es ist ein wunderbarer Abend.


Bei unserer ersten Marokkoreise probierten wir in Marrakesch Schafskopf aus dem Tontopf und es schmeckte uns sehr gut. Mustapha sagt, auch hier gibt es ein traditionelles Gericht das im Tonkrug zubereitet wird, Tangia.

Es besteht aus Fleisch vom Schaf oder von der Kuh, das in den Krug geschichtet wird und im Fornagi, einem der großen Öfen, mit denen im Hammam Hitze und Dampf erzeugt wird, drei Stunden lang gart. Wenn man es richtig macht, gehört auch der Penis eines Schafbocks oder Ochsen hinein. Für jeden mindestens einer. Es stärkt das Liebesleben, sagt Mustapha. Kann ja nicht schaden. Wir sind bereit, alles zu probieren.
Am Nachmittag ist es soweit.


Die Konsistenz der Teile liegt zwischen Muskel und ganz weichem Knorpel, gut gewürzt mit Ras-al-Hanut, schmeckt es überraschend gut. Das übrige Fleisch zergeht auf der Zunge.


Dann schlägt Mustapha vor, uns seine Gegend zu zeigen. Wir sagen natürlich zu. Für vier Tage mieten wir zusammen ein Auto.
Am ersten Tag fährt uns Mustapha auf einer sandigen Piste an einem staubtrockenen Flussbett zu einem Hügel mitten in der Geröllwüste. 



Auf den hier herumliegenden Steinen wurden 8000 Jahre alte Steingravuren entdeckt. Eine Hütte kennzeichnet die Stelle.

Sie sind nicht sonderlich groß, aber doch deutlich und sehr schön. Sie legen Zeugnis davon ab, dass hier einst Steppe war, viele Tiere lebten, Wasser floss.


Die nächste Station ist N'Kob. Etwa 45 gut erhaltene und restaurierte Kasbahs gibt es hier. Etliche sind Hotels, manche privat bewohnt.

In die Kasbah Baha-Baha dürfen wir hinein. Jetzt im Winter ist in den meisten Hotels nichts los, also begleitet uns der freundliche Empfangschef auf die Dachterrasse.
Weit hinaus ins Land sieht man von hier und über den Ort.



Rüdiger sucht uns gleich schon mal eine kleine Kasbah aus.
Nun ja, man kann ja mal träumen.




Zurück aufm Campingplatz packen wir alles ein, was wir glauben für eine kalte Nacht in der Wüste zu brauchen, denn morgen geht zur sogenannten Judendüne.
Die Legende erzählt, dass ein Jude sich hier verirrt hat und noch heute um Hilfe rufend in Vollmondnächten zu hören ist. Mustapha sagt, sie habe ihren Namen daher, dass hier in alter Zeit Juden als Nomaden unterwegs waren. Wie auch immer, wir sind gespannt.
Aber zunächst halten wir in Tamegroute. Hier gibt es ein Heiligtum, das die Gräber von 7 heiligen Männern und einer heiligen Frau enthält. Viele Gebrechliche kommen hierher, weil es heißt, man werde geheilt.
Das für uns Sehenswerte ist die Bibliothek der angegliederten Madrassa, der Koranschule. Sie enthält über 4000 alte Handschriften, viele davon an die 1000 Jahre alt.


Ein uralter Herr im Rollstuhl erklärt uns in gebrochenem Deutsch, welche Wissenschaftsgebiete hier vertreten seien. Wir sehen wunderschöne Buchmalereien, winzige Kommentare an den Seitenrändern, einen Stadtplan von Kairo, astronomische Tabellen, Lyrik, ein Lexikon, ein Türkisch-Arabisches Wörterbuch aus der Zeit als Türkisch noch mit arabischen Buchstaben geschrieben wurde. Es gibt Werke über Pflanzenheilkunde und Algebra, natürlich Koranauslegungen und sogar eine Geschichte Deutschlands. Die Bücher stehen an den Wänden eines schlichten Raumes entlang in Glasvitrinen. Wer sie lesen möchte, muss auf die digitalisierte Form zurückgreifen.
Fotografieren dürfen wir sie natürlich nicht.
Das Heiligtum ist für Nichtmuslime geschlossen, aber die Eingangstür dürfen wir fotografieren.


 
 

Unser Führer geht mit uns durch verwinkelte Gassen, hinein in einen Wohnbereich innerhalb dieses Ksars, wie die zusammenhängend gebauten Wehrdörfer heißen.






Dann landen wir auf einem größeren Hof und glauben fast, in eine vergangene Zeit zurück katapultiert worden zu sein. Unter primitivsten Bedingungen wird hier die grüne Keramik hergestellt, für die Tamegroute bekannt ist.


Die jüngsten Arbeiter sind etwa 10 Jahre alt. Sie zerkleinern mit Knüppeln auf dem Boden den harten Lehm. Der wird dann in Erdmulden in Wasser aufgelöst und von einem anderen, älteren Jungen auf einer halb in den Boden gebauten Töpferscheibe zu Gefäßen gedreht.
Nachdem die Glasur aufgebracht wurde, brennen die älteren Männer die Gefäße dann in einfachen Erdöfen. Die Arbeit hier ist schwer und gesundheitsschädlich. Sogar das Silizium für die Glasur wird von Hand zerkleinert.




Wir bekommen erklärt, dass es inzwischen auch Gasöfen gibt, aber die Qualität der Erzeugnisse sei nicht so gut.
Eine Großfamilie hat sich hier zu einer Kooperative zusammengetan. Wir werden zum Laden geführt und finden auch einige schöne Dinge. Der Verdienst kommt allen zugute.


Dann fährt uns Mustapha hinaus in die Wüste. Zunächst ist es Geröllwüste, dann tauchen in der Ferne die Dünen auf.
Das Camp ist eines von mehreren am Fuße der höchsten von ihnen.

 Wir bekommen Zelthütte Nr.12 zugeteilt.
Die Ausstattung ist einfach aber ausreichend. Decken und Kissen hätten wir zu Hause lassen können. 

 
Zum Sonnenuntergang steigen wir auf die Düne. 


 
Und ja – es hat durchaus Wüstenfeeling.
 
Dann gibt es Lammtajine im Restaurantzelt. Außer uns sind drei junge Leute aus den USA und ein Ungar im Camp.
Später am Feuer erfahren wir, dass die Amerikaner in Paris studiert haben und in zwei Tagen nach erfolgreichen Abschlüssen in die Heimat zurück fliegen. Der Ungar ist LKW Fahrer. Auch er muss in ein paar Tagen wieder arbeiten. 
Wie reich wir doch sind – wir haben das, was man Zeitwohlstand nennt.
Die jungen Marokkaner vom Camp holen ihre Djembès, trommeln und singen und über uns leuchtet ein Meer von Sternen.
Am morgen dann kommt der spannende Moment. Wir, das heißt Astrid und ich, sollen aufs Kamel.
 
Mir ist ein bisschen mulmig, aber als mein weißes Tier aufsteht ist das ein ganz weiches Schaukeln. Viel schlimmer finde ich die Schaukelei, als es losgeht.
Ich bin froh, als es vorbei ist. Nun weiß ich, wie sich das anfühlt, eine Wiederholung steht nicht unbedingt auf meiner Liste der Dinge, die ich in diesem Leben nochmal tun will.



Auf dem Rückweg nach Zagora fährt Mustapha mit uns zu seinem Dorf, oder dem, was davon übrig ist.

 Das war hier alles grün“ sagt er und zeigt uns das Feld, dass seiner Familie gehört.


Bevor der Staudamm den Draâ in dieser Region versiegen ließ, lebten die Dörfer an seinem Ufer. 

 
 Jetzt sind sie so gut wie tot. Die alten Kasbahs und Ksare verfallen,
 


die Erde ist hart wie Beton, die Bewässerungskanäle versanden.
Mustaphas Familie konnte hier nicht überleben und zog nach Zagora.




 
Wieder auf der Straße, sehen wir schon in der Ferne, was Mustapha einen kleinen Sandsturm nennt. Die Palmen biegen sich, die Luft ist voll feinem Staub, die Konturen des Djebal Rhaart verschwimmen im Sandnebel, die Sichtweite beträgt stellenweise nur etwa 100 Meter.


Die Menschen scheinen davon relativ unbeeindruckt. Sie gehen ihren Geschäften nach, die Kinder radeln von der Schule nach Hause. 


Auch auf dem Camping Sindibad ist die Luft voll Sand.
Mustapha hat die Idee mit Rüdiger ins Hammam zu gehen. Wir Frauen duschen einfach ausgiebig.
Als die Männer nach etwa 2 Stunden wiederkommen, erkenne ich meinen Rüdiger fast nicht wieder.

Sie waren vorher beim Friseur und der hat aus ihm einen seriösen älteren Herrn gemacht.  
Das wächst wieder“ sagt er und geht zur Tagesordnung über.







Am Abend geschieht ein kleines Wunder. Es regnet.
Wir müssen die letzten Tage erstmal sacken lassen, denn neue spannende Dinge sind geplant.


Begleitet uns!
Bis dann also
Doris und Rüdiger

1 Kommentar:

  1. Der Haarschnitt steht Rüdiger!!!! Gefällt mir!
    (Oder fehlt Dir, liebe Doris, was zum Kraulen? *fg*)
    Liebe Grüße, Ute

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