Samstag, 16. Dezember 2017

Die Karawane zieht weiter


Der Sinn des Reisens besteht darin, die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen,
und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten, sie so zu sehen wie sie sind.

Samuel Johnson



Der Regen hält an. Eine Nacht und einen Tag. Er verwandelt unseren Campingplatz in eine Seenlandschaft, der trockene Lehmboden kann das Wasser nur sehr langsam aufnehmen. Noch drei Tage später sind überall Schlammlöcher.


Die Leute sagen, vor drei Jahren habe es das letzte Mal geregnet.


Mustapha fährt mit uns durch das Drâa – Tal.
Wieder geht es durch halb verlassene, staubtrockene Dörfer, die sich nach dem Regen ebenfalls in Schlammwüsten verwandelt haben. Als wir zurück auf die große Straße wollen, ist der Weg davor überflutet. Ein Zurück gibt es nicht. Tapfer zieht Mustapha Astrids Gummistiefel an und watet durchs Wasser, Rüdiger fährt, wir laufen auf einem Mäuerchen nebenher.








Geschafft, es kann weiter gehen.

Auf dem Weg haben wir viele alte, mehr oder weniger gut erhaltene Kasbahs gesehen.
 Die meisten sind eher schlicht gebaut, für das Leben einer großen Familie, aber Rüdiger und Mustapha finden eine reich verzierte.


Wir besichtigen eine über 300 Jahre alte Kasbah. Sie ist riesig. Drei Brüder haben sie von ihrem Vater zu gleichen Teilen geerbt, zwei von ihnen bemühen sich den alten Familiensitz zu erhalten, der dritte lässt seinen Teil verfallen. 

 Wir sehen hohe Räume, Lichtschächte, verwinkelte Treppen 



und von der Terrasse die atemberaubende Aussicht.









Weiter geht es nach Tamnougalte. Hier findet sich die älteste Kasbah des Drâa - Tals, der Stammsitz der Alawiten, der alten Königsdynastie Marokkos. Sie ist eine von mehreren innerhalb des befestigten Dorfes (Ksar), das an der alten Karawanenroute nach Timbuktu liegt.
Etwa einen Kilometer vorher thront auf einem Hügel die um 1930 gebaute Kasbah Taouirt. 
Filmfans kennen sie auch unter dem Namen Fort Bounoura aus Bertoluccis Film „Himmel über der Wüste“ (1990). Seitdem ist sie leider immer mehr zerfallen, aber wir schauen sie trotzdem an, geführt von einem jungen Mann, der uns erklärt, auch „Babel“ mit Brad Pitt und Kate Blanchet wurde hier gedreht. 



 Inzwischen haben die Chinesen sie für ihre Actionfilme entdeckt. Er zeigt uns die Grafittis, die sie hinterlassen haben.


Am Tag darauf ist wieder Souk in Zagora. Da uns das Auto noch zur Verfügung steht, kauft Mustapha für seine Mutter die schweren Sachen ein. Abends will er für uns eine Tajine mit Lamm, Backpflaumen und Mischmisch (Aprikosen) machen. Also geht es nach dem Gemüsemarkt











zu den Gewürzen,
 
in die Fleischabteilung

 und später noch zu den Fischverkäufern.
Übermorgen, kündigt Mustapha an, bereitet seine Mutter für uns Sardinen auf traditionelle Berberart zu.


 Für Großeinkäufe kann man hier einen Handwagen mieten, samt Träger.









Vor der Mauer, die den Souk umgiebt, stehen abenteuerlich beladene LKWs. 


Es gibt kaum etwas, was es hier nicht gibt.


17 Tage stehen wir nun hier in Zagora, so lange wie noch nie vorher irgendwo. Wir sind kurz vorm Lagerkoller, also beschließen wir, am nächsten Tag weiterzuziehen.
Natürlich ist es toll, dass uns Mustapha jeden Tag bekocht, aber nach über einer Woche haben wir mal wieder richtig einen Jieper nach Spaghetti oder einer schlichten Gemüsepfanne.

Astrid will bei der Polizei ihr Visum verlängern.
Nach allem was uns langjährig in Marokko überwinternde Reisende erzählt haben, geht man zwei Wochen vor Ablauf der Visa freien drei Monate zur Polizei, füllt einiges Papier aus, bringt ein paar Kopien und Passbilder mit und in der Regel ist es dann kein Problem, eine Verlängerung für weitere drei Monate zu bekommen.
Nicht so in Zagora. In einschlägigen Foren liest man sehr Widersprüchliches über Visaverlängerungen in Marokko, von ganz einfach bis zu unmöglich ist alles dabei.
Astrid und Mustapha kommen mit niedergeschlagenen Mienen zurück. Der zuständige Beamte habe erklärt, man müsse drei Monate auf einem Platz gestanden haben, um ein neues Visum zu bekommen. Das entbehrt zwar jeder Logik, aber auch hier wiehert der Amtsschimmel laut und vernehmlich und im Moment sieht es so aus, als führe kein Weg zu einer Visaverlängerung hier in Zagora.
Wir überlegen, wie man das Problem lösen kann.
Mustapha sagt, es sei in jeder Region anders, ja mitunter in jeder Stadt.
Die Alternative wäre, nach Ceuta,der spanischen Enklave, zu fahren, für einen Tag auszureisen, am nächsten Tag wieder einzureisen. Aber es gibt Berichte von Flüchtlingen, die sich an europäische Autos hängen oder sich darin verstecken, um über die Grenze zu gelangen. Das ist nicht ungefährlich.
Inzwischen hat sich der Platz gefüllt. Unter anderen ist Wout aus Holland eingetroffen, den wir im letzten Januar in El Ouatia kennengelernt haben. Er hatte uns die Verlängerungsprozedur genau beschrieben, denn er war gerade mittendrin und bekam in Tafraoute problemlos seinen Stempel in den Pass.
Wir befragen ihn und er ist der Meinung, drei Monate auf einem Platz könne gar nicht sein.
Nun ist Astrid so schlau wie zuvor. Fünf Leute, fünf Aussagen. Am nächsten Tag soll noch ein Versuch gestartet werden. Wir sind gespannt auf den Ausgang der Geschichte.
Für uns bedeutet das, dass wir es entweder woanders versuchen, oder Mitte Februar, wenn unsere drei Monate um sind, ausreisen und den Rest des Winters in Portugal und/oder Spanien verbringen.
Es bleibt spannend.

Wir fahren los Richtung Westen auf der N-12. Die Straße ist auf längeren Abschnitten neu gemacht, wir kommen gut voran. Noch vor Sonnenuntergang erreichen wir unseren freien Stellplatz vom letzten Mal am Oued Tata.

Der Tümpel an der Felsmauer ist kleiner geworden, hier hat es anscheinend nicht geregnet. Die Abendsonne taucht die Landschaft in ein goldenes Licht, in der Nacht sind die Sterne zum greifen nah. 
 
Vor dem Frühstück gibt es einen perfekten Sonnenaufgang, dann besucht uns eine Herde Dromedare, etwa 50 Tiere, auch ein paar Esel sind dabei. 

 




Wir fahren weiter bis Icht, biegen dann ab auf die R-102 und finden einen schönen Platz am völlig trockenen Oued Siyad.


Hier werden wir die Nacht verbringen.
Morgen wollen wir Tiznit erreichen, wo man, wie wir vom letzten Mal wissen, gut stehen und einiges erledigen kann.




Begleitet uns!

Bis dann also,
Doris und Rüdiger


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