Solang ich mich
noch frisch auf meinen Beinen fühle,
genügt mir dieser
Knotenstock.
Was hilft's,
dass man den Weg verkürzt! -
Im Labyrinth der
Täler hinzuschleichen,
dann diesen Felsen
zu ersteigen,
von dem der Quell
sich ewig sprudelnd stürzt,
das ist die Lust,
die solche Pfade würzt!
Johann Wolfgang von Goethe, Faust I
Liebe
Freunde,
nach
all der Bauerei, die auch einiges an Stress mit sich brachte,
brauchen wir eine Pause. Und da noch einige Besuche bei Freunden
ausstehen, gönnen wir uns drei Wochen Mitteldeutschland.
Zuerst
geht es nach Braunschweig zu unserem alten Freund Ronny aus IFA
Tagen.
In
Braunschweig steht man sehr schön umsonst und draußen am Stadtpark,
der einen See und viel Federvieh am und auf dem Wasser zu bieten hat.
Wir
verbringen einen schönen Tag mit Ronny und einen Abend mit ihm und
seiner Familie, dann geht für ihn der Alltag weiter, während wir
nach Paderborn düsen. Dort erwarten uns Tina und Willi. Schon lange
haben wir uns auf diesen Besuch gefreut. Tina und mich verbindet
schon etliche Jahre eine enge Freundschaft. So genießen wir das
Zusammensein jedes mal sehr intensiv. Während die Männer auf dem
Viaduktweg wandern, schlendern wir durch die Stadt und erleben dann
das Einläuten der neuen Domglocke. Sehr beeindruckend. Zunächst
hört man jede der „alten“ Glocken für sich, dann ertönt die
neue und am Ende alle zusammen. Der Begriff Klangkörper wird real
und greifbar, als stünde man mitten drin in einem solchen.
Aber
auch diese wunderbare Zeit mit den Beiden geht zu Ende, wir fahren
weiter.
Ziel
ist Braunlage. Leider musste der dortige Stellplatz einem Rummel
weichen, wir schlängeln uns zurück auf die Hauptstraße und erleben
dort eine für uns Berliner eher exotische Veranstaltung. Blasmusik
und Schützenverein marschieren die Straße entlang.
Wohin
nun? Wir landen in Elend. Der Camping Schierker Stern liegt zwischen
dem Ort mit dem traurigen Namen und Schierke, unweit des Brockens und
der gleichnamigen Schmalspurbahn.
Auf
dem Weg erleben wir wieder etwas, das wir lange nicht hatten: Regen.
Und wie es schüttet!
Abends
grollt es noch ein bisschen in der Ferne, am nächsten Tag scheint
wieder die Sonne. 31°C zeigt das Thermometer. Und es soll noch
heißer werden.
Seit
Mai geht das nun schon so. Ein unglaublicher Sommer.
Das
hält aber die vielen Wanderer und Feriengäste nicht ab
die
Gegend zu bevölkern. Der Campingplatz ist gut besucht, die Hotels
und Pensionen, Cafès und Restaurants auch, viele Biker lassen ihre
Maschinen so richtig zu Hochform auflaufen und legen sich in die
Kurven, Radler keuchen die Berge hinauf und sausen wieder hinunter.
Der Harz ist ein beliebtes Ferienziel.
Wir
verlassen (das) Elend Richtung Halberstadt. Hier ist nicht viel los.
Die Stadt wirkt ziemlich verlassen. Was uns nicht stört, denn wir
haben ein bestimmtes Ziel. Wir wollen endlich unsere Stiftertafel für
das John-Cage-Orgelprojekt im Original sehen.
Der
Hof des Burchardi Klosters liegt menschenleer in der gleißenden
Vormittagssonne, nur ein paar Bauarbeiter pausieren unter dem großen
Baum im Schatten, wir setzen uns dazu.
Um in
die Kapelle zu kommen, muss man am Verwaltungsgebäude klingeln. Eine
nette Dame begleitet uns hinüber und lässt uns ein.
In
der Seitenkapelle neben der Orgel, die den Klang erzeugt, finden wir
unsere Tafel.
Es
ist schon ein besonderes Gefühl endlich wirklich davor zu stehen.
Wir
lassen diesen Moment ausgiebig auf uns wirken, dann schlendern wir
durch die Stadt zurück zum Stellplatz unterhalb des Doms.
Der
Plan war, am nächsten Tag nach Harzgerode zu fahren. Eine Umleitung
führt uns durch Blankenburg, Erinnerungen werden wach, kurz
entschlossen schlägt Rüdiger das Lenkrad ein und wir fahren auf den
Parkplatz gegenüber vom kleinen Schloss und dem Barockgarten.
Das
erste Mal waren wir hier vor 35 Jahren, unsere Älteste war 5, ich
war schwanger mit unserem Sohn. Dann noch einmal vor etwa 15 Jahren,
da wanderten wir noch einmal über die Teufelsmauer und aßen den
größten Hefekloß der Welt.
In
Blankenburg gibt es noch mehr Leerstand als in Halberstadt, ganze
Häuser- und Ladenzeilen sind verödet. Traurig ist das, denn es ist
ein nettes Städtchen. Noch einmal die Teufelsmauer, dann versuchen
wir die lokale Wirtschaft etwas anzukurbeln, gönnen uns einen
Eiskaffee im „Cafè Colonial“ und ergänzen unsere Vorräte und
Abendessen gibt es in Winters Baude, schlicht aber gut.
Weiter
geht’s nach Dankerode. Vor dem Campingplatz stehen wir auf einer
großen Wiese, auf einem kleinen Hochplateau. Gelbe Getreidefelder
knistern ringsum vor Trockenheit, ein paar rote Dächer sind zu
sehen, das Kirchenglöckchen verkündet viertelstündlich was die
Stunde geschlagen hat. Es ist ausgesprochen ruhig und friedlich hier
oben.
Zwei Tage genießen wir die Stille und das Panorama, dann
steuern wir unser nächstes Ziel an – Bad Frankenhausen.
Vom
Gasthaus Sennhütte im Naptal ist es nur 1 Kilometer zu Fuß durch
einen Hohlweg bis zum Schlachtenberg. Dort thront, hoch über der
Stadt ein Betonzylinder, der an ein Gasometer erinnert.
In
ihm befindet sich eines der figurenreichsten Gemälde der neueren
Kunstgeschichte, das Panoramabild „Frühbürgerliche Revolution in
Deutschland“. Werner Tübke malte es von 1983-1987. Auch hier waren
wir vor 15 Jahren um das große Kunstwerk zu sehen. Oberflächlich
betrachtet ist es ein Gemälde über den Bauernkrieg, Luther,
Melanchthon und Müntzer spielen eine große Rolle. Wenn man sich den
Film über die Entstehung anschaut und dann eine Führung mitmacht,
wird klar, dass es nach wie vor hochaktuell, ja in gewisser Weise
zeitlos ist. Seine Aussagen sind so vielfältig wie die Betrachter.
Obwohl Tübke die allgemein bekannten Symbole alter Meister
verwendet, die die Kunstgeschichte schon durch und durch
interpretiert hat, kann jeder seine eigenen Bezüge zu den Figuren
herstellen.
Der kundige Mitarbeiter, der nach eigenen Aussagen seit
30 Jahren die Führung macht, erzählt begeistert so manche Anekdote
über die Interpretationen der Besucher.
Es
ist wie ein gigantisches Wimmelbild, es erzählt viele einzelne
Geschichten und doch einen großen Zusammenhang. Uns beeindruckt es
wieder auf Neue mit und ohne Führung. Fotografieren dürfen wir nur
von außen, so erwerben wir zwei Postkarten mit den für uns
eindrücklichsten Motiven.
Ihr
findet es im Internet unter www.panorama-museum.de
Sollte
es Euch in die Gegend verschlagen, können wir einen Besuch des
Museums wärmstens empfehlen.
Von
dort oben hat man einen phantastischen Blick über den Kyffhäuser.
Eine geschichtsträchtige Gegend.
Vor
fast vierzig Jahren trampte Rüdiger durchs Land, die Tour führte ihn auch durch Bad Langensalza. Er erinnert sich nicht mehr an Details, aber
daran, dass er das Städtchen sehr schön fand. Also fahren wir
dorthin. Und entdecken eine schlafende Schönheit. Hier gab es kaum
Kriegsschäden und so geht man staunend durch die krummen Straßen
und Gassen, gesäumt von schönen kleinen Fachwerkhäusern,
dazwischen Backstein und Jugendstil. Die beiden Kirchen überragen
mit ihren schönen Türmen den Ort, in schmalen Kanälen gluckert
Wasser unter vielen Brückchen hindurch, mehrere Gärten sind wie
grüne Oasen in der Hitze. Lauschige Plätze und plätschernde
Brunnen spenden Kühle. Nun weiß Rüdiger wieder, warum er so gern
noch mal hierher wollte.
Die
Hitze nimmt immer mehr zu, kühle Plätze sind nicht zu finden.
Wir
fahren wieder los und landen in Uhlstädt an der Saale. Dort steht
man zusammen mit Radwanderern und Paddlern neben dem Sportplatz
direkt am Fluss, der hier noch ein Flüsschen ist.
Kühlung
bringt das auch nicht. Also weiter. In Scheibenberg lockt Wiesner's
Teichwirtschaft mit „baden im eigenen Teich“. Als wir ankommen
ist nicht mehr viel Wasser im Teich und die Wirtschaft hat
Betriebsferien. Wir dürfen trotzdem bleiben, aber auf ein kühles
Bier haben wir uns umsonst gefreut, baden ist auch nicht, wenigstens
gibt’s ne Dusche.
Dann
fahren wir durchs Erzgebirge, Getreidefelder soweit man sehen kann,
dazwischen grüne Wälder. Auch hier hängt an jedem zweiten Gasthaus
ein „Betriebsferien“ Schild.
Vieles
hat hier schon bessere Zeiten gesehen, der große Touristenstrom
bleibt aus.
In
dem Dörfchen Waldidylle finden wir – wie überall auf der Welt –
unser Traumhaus mit weitem Blick übers Land.
Bei
der Hitze müssen wir an unseren letzten Sommer in Bulgarien denken –
43°C war der Rekord. Da werden wir das hier doch wohl auch
überstehen...
Noch
sind wir nicht wieder zu Hause. Wir haben noch ein paar schöne Tage
mit lieben Menschen vor uns. Davon berichten wir beim nächsten Mal.
Dankt
dran, Leute, viel trinken und mäßig bewegen. Der nächste Winter
kommt bestimmt!
Bis
bald also,
Doris
und Rüdiger
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