Mittwoch, 1. August 2018

Im Labyrinth der Täler




Solang ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle,
genügt mir dieser Knotenstock.
Was hilft's, dass man den Weg verkürzt! -
Im Labyrinth der Täler hinzuschleichen,
dann diesen Felsen zu ersteigen,
von dem der Quell sich ewig sprudelnd stürzt,
das ist die Lust, die solche Pfade würzt!

Johann Wolfgang von Goethe, Faust I


Liebe Freunde,

nach all der Bauerei, die auch einiges an Stress mit sich brachte, brauchen wir eine Pause. Und da noch einige Besuche bei Freunden ausstehen, gönnen wir uns drei Wochen Mitteldeutschland.
Zuerst geht es nach Braunschweig zu unserem alten Freund Ronny aus IFA Tagen.
In Braunschweig steht man sehr schön umsonst und draußen am Stadtpark, der einen See und viel Federvieh am und auf dem Wasser zu bieten hat.




Wir verbringen einen schönen Tag mit Ronny und einen Abend mit ihm und seiner Familie, dann geht für ihn der Alltag weiter, während wir nach Paderborn düsen. Dort erwarten uns Tina und Willi. Schon lange haben wir uns auf diesen Besuch gefreut. Tina und mich verbindet schon etliche Jahre eine enge Freundschaft. So genießen wir das Zusammensein jedes mal sehr intensiv. Während die Männer auf dem Viaduktweg wandern, schlendern wir durch die Stadt und erleben dann das Einläuten der neuen Domglocke. Sehr beeindruckend. Zunächst hört man jede der „alten“ Glocken für sich, dann ertönt die neue und am Ende alle zusammen. Der Begriff Klangkörper wird real und greifbar, als stünde man mitten drin in einem solchen.



Aber auch diese wunderbare Zeit mit den Beiden geht zu Ende, wir fahren weiter.
Ziel ist Braunlage. Leider musste der dortige Stellplatz einem Rummel weichen, wir schlängeln uns zurück auf die Hauptstraße und erleben dort eine für uns Berliner eher exotische Veranstaltung. Blasmusik und Schützenverein marschieren die Straße entlang.



Wohin nun? Wir landen in Elend. Der Camping Schierker Stern liegt zwischen dem Ort mit dem traurigen Namen und Schierke, unweit des Brockens und der gleichnamigen Schmalspurbahn.


 
Auf dem Weg erleben wir wieder etwas, das wir lange nicht hatten: Regen. Und wie es schüttet!



Abends grollt es noch ein bisschen in der Ferne, am nächsten Tag scheint wieder die Sonne. 31°C zeigt das Thermometer. Und es soll noch heißer werden.
Seit Mai geht das nun schon so. Ein unglaublicher Sommer.
Das hält aber die vielen Wanderer und Feriengäste nicht ab
die Gegend zu bevölkern. Der Campingplatz ist gut besucht, die Hotels und Pensionen, Cafès und Restaurants auch, viele Biker lassen ihre Maschinen so richtig zu Hochform auflaufen und legen sich in die Kurven, Radler keuchen die Berge hinauf und sausen wieder hinunter. Der Harz ist ein beliebtes Ferienziel.

Wir verlassen (das) Elend Richtung Halberstadt. Hier ist nicht viel los. Die Stadt wirkt ziemlich verlassen. Was uns nicht stört, denn wir haben ein bestimmtes Ziel. Wir wollen endlich unsere Stiftertafel für das John-Cage-Orgelprojekt im Original sehen.
Der Hof des Burchardi Klosters liegt menschenleer in der gleißenden Vormittagssonne, nur ein paar Bauarbeiter pausieren unter dem großen Baum im Schatten, wir setzen uns dazu.


Um in die Kapelle zu kommen, muss man am Verwaltungsgebäude klingeln. Eine nette Dame begleitet uns hinüber und lässt uns ein.
In der Seitenkapelle neben der Orgel, die den Klang erzeugt, finden wir unsere Tafel.




Es ist schon ein besonderes Gefühl endlich wirklich davor zu stehen.



Wir lassen diesen Moment ausgiebig auf uns wirken, dann schlendern wir durch die Stadt zurück zum Stellplatz unterhalb des Doms.

Der Plan war, am nächsten Tag nach Harzgerode zu fahren. Eine Umleitung führt uns durch Blankenburg, Erinnerungen werden wach, kurz entschlossen schlägt Rüdiger das Lenkrad ein und wir fahren auf den Parkplatz gegenüber vom kleinen Schloss und dem Barockgarten.


Das erste Mal waren wir hier vor 35 Jahren, unsere Älteste war 5, ich war schwanger mit unserem Sohn. Dann noch einmal vor etwa 15 Jahren, da wanderten wir noch einmal über die Teufelsmauer und aßen den größten Hefekloß der Welt.
In Blankenburg gibt es noch mehr Leerstand als in Halberstadt, ganze Häuser- und Ladenzeilen sind verödet. Traurig ist das, denn es ist ein nettes Städtchen. Noch einmal die Teufelsmauer, dann versuchen wir die lokale Wirtschaft etwas anzukurbeln, gönnen uns einen Eiskaffee im „Cafè Colonial“ und ergänzen unsere Vorräte und Abendessen gibt es in Winters Baude, schlicht aber gut.

Weiter geht’s nach Dankerode. Vor dem Campingplatz stehen wir auf einer großen Wiese, auf einem kleinen Hochplateau. Gelbe Getreidefelder knistern ringsum vor Trockenheit, ein paar rote Dächer sind zu sehen, das Kirchenglöckchen verkündet viertelstündlich was die Stunde geschlagen hat. Es ist ausgesprochen ruhig und friedlich hier oben. 


Zwei Tage genießen wir die Stille und das Panorama, dann steuern wir unser nächstes Ziel an – Bad Frankenhausen.
Vom Gasthaus Sennhütte im Naptal ist es nur 1 Kilometer zu Fuß durch einen Hohlweg bis zum Schlachtenberg. Dort thront, hoch über der Stadt ein Betonzylinder, der an ein Gasometer erinnert.




In ihm befindet sich eines der figurenreichsten Gemälde der neueren Kunstgeschichte, das Panoramabild „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“. Werner Tübke malte es von 1983-1987. Auch hier waren wir vor 15 Jahren um das große Kunstwerk zu sehen. Oberflächlich betrachtet ist es ein Gemälde über den Bauernkrieg, Luther, Melanchthon und Müntzer spielen eine große Rolle. Wenn man sich den Film über die Entstehung anschaut und dann eine Führung mitmacht, wird klar, dass es nach wie vor hochaktuell, ja in gewisser Weise zeitlos ist. Seine Aussagen sind so vielfältig wie die Betrachter. Obwohl Tübke die allgemein bekannten Symbole alter Meister verwendet, die die Kunstgeschichte schon durch und durch interpretiert hat, kann jeder seine eigenen Bezüge zu den Figuren herstellen.


Der kundige Mitarbeiter, der nach eigenen Aussagen seit 30 Jahren die Führung macht, erzählt begeistert so manche Anekdote über die Interpretationen der Besucher.
Es ist wie ein gigantisches Wimmelbild, es erzählt viele einzelne Geschichten und doch einen großen Zusammenhang. Uns beeindruckt es wieder auf Neue mit und ohne Führung. Fotografieren dürfen wir nur von außen, so erwerben wir zwei Postkarten mit den für uns eindrücklichsten Motiven.


Ihr findet es im Internet unter www.panorama-museum.de
Sollte es Euch in die Gegend verschlagen, können wir einen Besuch des Museums wärmstens empfehlen.
Von dort oben hat man einen phantastischen Blick über den Kyffhäuser. Eine geschichtsträchtige Gegend.


Vor fast vierzig Jahren trampte Rüdiger durchs Land, die Tour führte ihn auch durch Bad Langensalza. Er erinnert sich nicht mehr an Details, aber daran, dass er das Städtchen sehr schön fand. Also fahren wir dorthin. Und entdecken eine schlafende Schönheit. Hier gab es kaum Kriegsschäden und so geht man staunend durch die krummen Straßen und Gassen, gesäumt von schönen kleinen Fachwerkhäusern, dazwischen Backstein und Jugendstil. Die beiden Kirchen überragen mit ihren schönen Türmen den Ort, in schmalen Kanälen gluckert Wasser unter vielen Brückchen hindurch, mehrere Gärten sind wie grüne Oasen in der Hitze. Lauschige Plätze und plätschernde Brunnen spenden Kühle. Nun weiß Rüdiger wieder, warum er so gern noch mal hierher wollte.






Die Hitze nimmt immer mehr zu, kühle Plätze sind nicht zu finden.
Wir fahren wieder los und landen in Uhlstädt an der Saale. Dort steht man zusammen mit Radwanderern und Paddlern neben dem Sportplatz direkt am Fluss, der hier noch ein Flüsschen ist.




Kühlung bringt das auch nicht. Also weiter. In Scheibenberg lockt Wiesner's Teichwirtschaft mit „baden im eigenen Teich“. Als wir ankommen ist nicht mehr viel Wasser im Teich und die Wirtschaft hat Betriebsferien. Wir dürfen trotzdem bleiben, aber auf ein kühles Bier haben wir uns umsonst gefreut, baden ist auch nicht, wenigstens gibt’s ne Dusche.




Dann fahren wir durchs Erzgebirge, Getreidefelder soweit man sehen kann, dazwischen grüne Wälder. Auch hier hängt an jedem zweiten Gasthaus ein „Betriebsferien“ Schild.
Vieles hat hier schon bessere Zeiten gesehen, der große Touristenstrom bleibt aus.
In dem Dörfchen Waldidylle finden wir – wie überall auf der Welt – unser Traumhaus mit weitem Blick übers Land.


Bei der Hitze müssen wir an unseren letzten Sommer in Bulgarien denken – 43°C war der Rekord. Da werden wir das hier doch wohl auch überstehen...
Noch sind wir nicht wieder zu Hause. Wir haben noch ein paar schöne Tage mit lieben Menschen vor uns. Davon berichten wir beim nächsten Mal.

Dankt dran, Leute, viel trinken und mäßig bewegen. Der nächste Winter kommt bestimmt!

Bis bald also,
Doris und Rüdiger


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