Samstag, 17. Februar 2018

Nachtaktionen


Man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen.

Johann Wolfgang von Goethe



Und so sind wir wieder unterwegs, liebe Freunde.
Erste Station ist Tiznit.
Wir lieben diese Stadt und da sie auf dem Weg liegt, wollen wir wenigstens eine Nacht hier bleiben. Nicht nur um noch einmal durch die Gassen der Altstadt zu schlendern und den Souk zu besuchen, gut zu essen und einzukaufen, sondern auch um auf dem Campingplatz Wasser zu fassen, denn wir wissen ja nicht, wie lange wir in Agadir vielleicht an oder vor einer Werkstatt stehen werden.
Wir fahren also zum Camping an der Stadtmauer und trauen unseren Augen nicht. Am Tor hängt ein Schild mit der Aufschrift „Complet“. Der Campingplatz ist sozusagen wegen Überfüllung geschlossen.
Es gibt eine Sackgasse zwischen dem Campingplatz und dem Freibad gleich daneben, dort könnten wir stehen. Auch da ist es schon ziemlich voll.
Vor dem Supermarkt gibt es eine Freifläche, wo auch schon einige Wohnmobile stehen. An der Auffahrt ein Schild „Reservé de Camping Municipal“. Also stellen wir uns dazu und gehen erst einmal los.

Die Altstadt nimmt uns sofort wieder gefangen. Auf dem Gemüsemarkt türmen sich Möhren und Blumenkohl, Auberginen und Kartoffeln und vieles mehr. Verführerisch duftet es von den Kringelbäckereien herüber, aus einem Handyshop ertönt arabische Popmusik, bunte Tücher und glitzernder Schmuck leuchten in der Sonne.
Das „Nouvelle Ville“ ist ein Cafè und Restaurant. Unten trinkt man Tee und isst Törtchen und Kuchen, oben kann man gut essen und hat einen Blick auf die gegenüberliegende Markthalle.
Foto

Das Interieur hat eher den Charme einer Bahnhofs-Gaststätte, aber das ist in Marokko nicht ungewöhnlich. Das Essen hier ist jedenfalls vorzüglich und die Bedienung freundlich.
Es gibt Salad marrocain

und Couscous Royal.

Köstlich!


 Anschließend bummeln wir noch durch die Markthalle

und kaufen ein Kilo Gebäck bei einem fröhlichen jungen Mann.


Wir sind schon im Bett, als es energisch ans Fenster klopft.
Securitè National. Man macht uns klar, dass es hier gefährlich sei, nachts versammeln sich hier die „Penner“ (Chlochards) und trinken Alkohol. Ja, er wüsste, dass der Campingplatz voll sei, aber wir sollten hinüber in die kleine Straße zu den anderen fahren. Außer uns betrifft das noch vier weitere Wohnmobile. Alle fahren los und quetschen sich irgendwie zwischen die dort stehenden Mobile.
In der Nacht höre ich tatsächlich aus Richtung des Platzes laute, betrunkene Stimmen, es klingt nach Kneipenschlägerei. Morgens ist alles vorbei. Wir fahren also zurück, frühstücken in Ruhe und weiter geht’s.
Schon von Astrid hörten wir von einem Campingplatz kurz vor Agadir in einem kleinen Ort namens Takad. Wir wollen Wasser fassen und duschen, wer weiß, wie lange wir in Agadir an der Werkstatt stehen müssen.
Der Platz ist schnell gefunden und er ist... eine Oase. Blühende Hecken unterteilen die Stellplätze, die Duschen sind heiß, der Boden gekiest.


 
Nur mit dem Generator, der den ganzen Tag brummt, muss man leben. Wir genießen also den Komfort und fahren am nächsten Tag nach Agadir.
Die Koordinaten der Werkstatt an der Rue 2em Mars haben wir von anderen Reisenden bekommen. Der Chef macht die Motorhaube auf, verzieht das Gesicht und sagt: „Nouveau? Rien!“ Der neue Bremszylinder ist seiner Meinung nach nicht neu. Auf jeden Fall ist er defekt. Er schickt jemanden los, der einen wirklich neuen holen soll, reinigt alles mit Bremsenreiniger.
Wir stehen mitten im Quartier Industriel, ringsum tobt der Verkehr, überall wird an Autos geschraubt, werden Fahrräder und Mopeds repariert, der Pizzabote fährt vorbei und eine geführte Fahrradtour, wir warten auf unser Ersatzteil.
Zwei Stunden später ist die allgemeine Mittagspause beendet – man merkt es am zunehmenden Verkehr – und der Chef kommt mit einem neuen gebrauchten Hauptbremszylinder. Dieser wird eingebaut, die Bremsflüssigkeit erneuert und der Mechaniker betont mehrmals, dass nur die Originalflüssigkeit verwendet werden sollte. Sie ist blau und kommt aus Frankfurt/M.

Da wir am nächsten Morgen zeitig nach Tafraoute aufbrechen wollen, haben wir uns überlegt, auf dem Parkplatz vom Marjane-Supermarkt zu übernachten. Laut Reiseführer ist das möglich, auch andere Reisende haben davon berichtet.
Ein wenig verwunderlich ist, dass dort außer uns nur drei andere Mobile stehen, die dann später wegfahren. Irgendwas stimmt hier nicht. Ehe wir uns nochmal nachts wegschicken lassen müssen, fahren wir auch los. Die Idee ist, auf dem Flughafenparkplatz zu übernachten. Unterwegs sehen wir ein Schild „Quartier Industriel“. Warum sich nicht dort ein ruhiges Plätzchen suchen? Dann entdecken wir einen kleinen Parkplatz vor einer Wohnanlage. Geht vielleicht auch. Also stellen wir uns dorthin.
Die Jungend flaniert an uns vorbei, aber man lässt uns in Ruhe. Bald wird es ruhiger.
Irgendwann merken wir, dass das Auto sich bewegt. Rüdiger bemerkt gerade noch rechtzeitig zwei Halbwüchsige, die dabei sind, unsere Fahrräder abzubauen. Sie haben schon einen Teil des Fahrradträgers abgeschraubt. Er brüllt aus dem Fenster, sie verschwinden. Er begutachtet den Schaden. Die Räder sind noch dran, aber es hätte nicht viel gefehlt und sie hätten das äußere Rad ab gehabt. Rüdiger schließt es an das andere an. Wir rechnen nicht damit, dass sie wiederkommen. Ein junger Mann aus der Wohnanlage erklärt uns, er würde ein Auge auf uns haben.
In der Nacht gegen halb Drei wache ich auf. Ich höre Flüstern und leises Klappern, wecke Rüdiger. Die Beiden sind wieder da, schauen Rüdiger frech ins Gesicht. Sie haben sogar versucht, das Fenster der Beifahrertür aufzuschieben.
Wir springen aus dem Bett und fahren los.
Wohin? Egal, nur weg hier. Erstmal immer geradeaus. Irgendwann biegen wir auf eine große Straße ab. Etwa fünf Kilometer weiter, vor einem Einkaufs- und Freizeitcenter, stellen wir uns hinter eine hohe Hecke. Ringsum sind Fabriken, hinter den Toren bellen Hunde, in den Hallen wird gearbeitet. Noch ein bisschen schlafen...
Gegen Sechs gehen die ersten Leute zur Arbeit, der Berufsverkehr braust hinter der Hecke vorbei.
Um Sieben fahren wir los.
Wir sind schon viele Jahre auf Reisen, haben von vielen Leuten Geschichten von Überfällen, Einbrüchen und dergleichen gehört. Bis jetzt sind wir verschont geblieben. Uns ist so was noch nie passiert, egal wo und wie wir unterwegs waren.
Naja, alles geschieht irgendwann zum ersten Mal. Wir sind um eine Erfahrung reicher. Agadir ist eben eine Großstadt wie jede andere auch.

Auf der R105 fahren wir durch den Atlas Richtung Tafraoute. Die grandiose Landschaft entschädigt uns für die aufregende Nacht.



 Die Gipfel sind noch weiß gepudert, in den Tälern blühen schon die Bäume.





Dann erreichen wir Tafraoute. Zwei Nächte sind geplant, zum Wasser fassen und duschen, einkaufen und essen gehen. Auch Tafraoute ist ein Städtchen, das wir gern mögen. Das „Sahnehäubchen“ ist die beeindruckende Kulisse der Berge.



Das Denkmal symbolisiert den Berberschmuck, der überall in der Stadt angeboten wird. 
Ausserdem gibt es jede Menge Arganöl, Honig und Amlou, auch Nutella maroccain genannt. 


Der Camping „Trois Palmerie“ hat noch einen Platz für uns. Mit Bergblick.

Der Kontrollblick auf den Behälter mit Bremsflüssigkeit zeigt, alles noch drin. Super. Allerdings stellt Rüdiger fest, dass die Bremsen etwas schwerer gehen, als vorher. Hat der Bremskraftverstärker auch schon ein Ding weg?
Wir hoffen einfach, dass wir damit bis nach Hause kommen.
Dann sehen wir weiter.

Tafraoute ist berühmt für seine Schuhmacher. Hier werden die schönsten Babuschen hergestellt. Wir gehen schlendern. Ja, schön sind sie...


aber Damengröße 43 ist schon in Deutschland ein Problem und überhaupt – wieviel Schuhe braucht der Mensch?
 

Vor einer kleinen Metallwerkstatt steht ein Windschutz aus Aluminiumblech.
Das bringt uns auf die Idee, einen Spritz- und Hitzeschutz für unseren Kocher anfertigen zu lassen. 
Hafid lädt uns zum Tee ein und wir verabreden, dass Rüdiger ihm am nächsten Tag die Maße bringt.
Vor dem Restaurant „Atlas“ spricht uns Said an. Er ist Reiseführer und spricht gut Deutsch. Während wir essen, plaudern wir mit ihm. Er erzählt von Touren durchs Ammelntal, von seinem Großvater, der Nomade war und von seiner kleinen (Verkaufs-)Ausstellung nebenan. Alles unverbindlich natürlich. Morgen vielleicht...

Am nächsten Tag wecken uns die Sonne und ein Mann mit frischem Brot. Wunderbar. Morgen sollen wir den Beutel mit Geld draußen ans Auto hängen, Lieferung frei Haus.


Nachmittags kaufen wir dann alles ein, was wir für die nächsten Tage brauchen.





Zwei Nächte Zivilisation genügen uns wieder für eine Weile.
Wir holen unsere Bestellung bei Hafid ab und machen uns auf zu den Painted Rocks.

Bis bald also
Doris und Rüdiger






1 Kommentar:

  1. Hallo ihr beiden,
    Tolle, bezaubernde Fotos! Ein Traum! Hoffentlich hält Euer Auto durch! Gute Fahrt weiterhin und gute Überfahrt nach Europa!Hoffentlich bekommt ihr keinen Kulturschock...😉Liebe Grüße aus dem hoffentlichFrühlingwerdenden Berlin🎤🎶🎸

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