Samstag, 28. Januar 2017

Auf Wiedersehen, Marokko


Ja, liebe Freunde, gekommen sind wir bis Chefchaouen, der bezaubernden „blauen Stadt“ am Rande des Rif-Gebirges.
Aber bis dahin war die Fahrt tatsächlich ein Abenteuer.

Zunächst fuhren wir weiter nach Norden






 bis fast an die Küste des Mittelmeeres. Hier gibt es einen Badeort, Al-Hoceima, der im Sommer von wohlhabenden Marokkanern bevölkert wird, im Winter aber ziemlich verlassen ist. Hier ist es kaum touristisch und wir waren für eine sehr lange Strecke die einzigen Ausländer.
Vor der Küste liegt eine kleine Felseninsel, Peňòn de Alhucemas, die nach wie vor zu Spanien gehört.

Nachdem wir einen Blick auf sie geworfen hatten, fuhren wir hinein ins Rif-Gebirge. Die Straße geht hinauf bis auf 1600 m und bietet hinter jeder Kehre neue, spektakuläre Aussichten.
Dieses Gebirge ist völlig anders als die, die wir bisher durchfahren haben. Grün, bewaldet, bis hinauf unter die Gipfel besiedelt und bewirtschaftet. Die kargen Gebirge im Süden haben eine ganz eigene Schönheit. Nun aber können sich unsere Augen nach der langen Zeit an dem vielen Grün kaum satt sehen.
Die Felder und Gärten sind üppig, es blühen sogar schon die ersten Bäume, an den Rändern der Straße entdecken wir blühende Geranien und Engelstrompeten in der Größe kleiner Bäume.




Nach einer Weile ziehen dunkle Wolken auf. Wir fahren direkt hinein. Der Nebel wird immer dicker. An der Straße finden wir einen Platz für die Nacht.



Schlaf finden wir allerdings nicht allzu viel. Der heftige Wind rüttelt am Düdo, es prasselt aufs Dach.
Da unsere Heizung nach wie vor streikt, mummeln wir uns dick ein. Im Bett ist es warm.
Am nächsten Morgen dann die Überraschung – was da prasselte war Schnee. Die Welt um uns ist weiß.



Mit unseren Allwetterreifen ist das zunächst kein Problem, auch wenn wir uns das Überwintern in Marokko anders vorgestellt haben.
Durch eine wunderschöne Winterlandschaft fahren wir also weiter Richtung Westen. Hinter einer Kurve ist dann plötzlich alles vorbei. Hier scheint keine Flocke gefallen zu sein. Ein paar Kilometer weiter ändert sich das aber wieder. So geht es eine ganze Zeit, je nachdem wie die Sonne die Straße erreicht hat, oder auch nicht.
Gerade fahren wir wieder auf trockener Straße, da machen uns die Fahrer der entgegenkommenden Autos Handzeichen. Vorsicht!
Ein paar Kurven weiter sehen wir warum. Die Straße ist spiegelglatt. Einige Fahrzeuge stehen schon mit durchdrehenden Reifen, auf Winter scheint man hier nicht wirklich eingestellt zu sein. Wir halten hinter einem alten Mercedes PKW. In diesem Moment kommt ein Stück weiter vorn ein Mitsubishi Canter ins Rutschen. Kein Wunder, seine Reifen haben kaum noch Profil. Er stellt sich quer und knallt mit dem Rücklicht gegen eine glücklicherweise vorhandene Mauer. Dahinter geht es ziemlich steil bergab.
Aus dem PKW vor uns steigen 7 junge Männer. Unglaublich, wie viele Menschen hier in ein Auto passen ist für uns immer wieder ein Grund zum staunen.
Sie schliddern auf der blanken Fahrbahn zu dem LKW. Hinter uns hat inzwischen ein Bus gehalten. Auch aus ihm strömen Männer zu dem querstehenden Laster. Fotos werden gemacht, gestikuliert, diskutiert, gelacht. Auch in der Gegenrichtung hat sich mittlerweile eine Schlange aus Fahrzeugen gebildet, aus denen Männer steigen, um die Situation zu begutachten.
Das Ganze entwickelt sich binnen 10 Minuten zu einer Art Volksfest.




Wir richten uns schon auf einen längeren Stopp ein, da kommt die Rettung in Gestalt eines Schneepfluges, auf seiner Ladefläche eine Fuhre Sand, ein paar Säcke Salz und ein junger Mann mit einer Schaufel. Großzügig wirft er das Streugut mit seiner Schaufel auf die glatte Fahrbahn, der Laster kann in Position geschoben werden, alle verteilen sich wieder in ihre Fahrzeuge, der Stau löst sich auf. Bereits zwei Kurven weiter ist kein Schnee weit und breit zu sehen.

Eigentlich würden wir gern den einen oder anderen Halt einlegen um Fotos von dieser traumhaften Landschaft zu machen. Was uns daran hindert sind die zahlreichen Männer, die am Straßenrand stehen und die Geste des Rauchens machen. Haschischhändler.
Konsum, Besitz und Handel von Drogen sind in Marokko verboten. Wer erwischt wird, dem drohen lange Haftstrafen.
Es ist allgemein bekannt, dass hier im Rif-Gebirge ein großer Teil des im Umlauf befindlichen Cannabis angebaut wird.
Hanf ist häufig die einzige, sicherlich aber die lukrativste Einnahmequelle der armen Bergbauern. Und da die Rif-Kabylen schon immer aufsässig gegen die Regierung waren, unternimmt der Staat wenig gegen die Hanfpflanzer, um sich in diesem Gebiet die Ruhe zu sichern. Andererseits will sich Marokko nicht den Ärger der westlichen Partner USA und Europa einhandeln und bestraft deshalb jeden Besitz und Handel mit Drogen. Ein Fonds der UNO soll dazu beitragen, den Bauern Alternativen anzubieten. Er bietet Beratung, Unterstützung und Finanzhilfe zur Anpflanzung von Obstbäumen, Getreide und zur Viehhaltung.
Das ist sicher ein langer Prozess. Und so wird immer wieder in allen Reiseführern davor gewarnt, hier anzuhalten. Auch wenn man kein Haschisch kauft, sind nach wie vor Geschichten im Umlauf von heimlich unter den Autos angebrachten Päckchen, die im schlimmsten Fall der Drogenhund an der Grenze zu Spanien entdeckt.
Also schütteln wir mit einem freundlichen Lächeln nur den Kopf, was ein fröhliches Winken der Dealer zur Folge hat. Niemand ist hier aggressiv. Etwas nervig sind die Mercedes', die uns manchmal ein Stück hinterher fahren und zum Anhalten animieren wollen, aber auch die kehren um, wenn sie merken, dass wir auf ihr Angebot nicht eingehen.
So fahren wir also ohne Stopp durch diesen herrliche Berglandschaft, die ein enormes Potential als Wandergebiet hat. Soweit wir mitbekommen, sind auch erste zarte Anfänge in dieser Richtung im Gange. Das wäre doch für so manchen eine Alternative zum Hanfanbau.
Unterwegs entdecken wir einige Stauseen, die es auf unserer alten Karte noch nicht gibt. An einem weiteren wird gebaut. Der Fluß Taza und einige seiner Seitenarme werden hier angestaut.
Von diesem Stauseenprojekt haben wir gelesen. Noch immer muss Marokko 80% seines Energiebedarfs durch Importe decken. Durch die Stauseen soll mehr Energie produziert werden. Uns ist von Anfang an aufgefallen, dass auf manchem, noch so marode wirkenden Haus ein Solarpaneel installiert ist. Auch das warme Wasser zum Duschen wird auf vielen Campingplätzen vor allem im Süden so erzeugt.
Rings um die Seen kündigt sich der Frühling an. Es wird überall gepflügt, gehackt und gesät. Die Pflüge sind aus Holz und werden von Pferden oder Maultieren gezogen. Viele Bäume blühen schon.

Hinter Bab-Taza geht es stetig bergab. Und dann, hinter einer langen Kurve liegt sie plötzlich vor uns, die blaue Stadt. An die Flanke eines Berges gebaut, in Weiß und Blau sieht sie geradezu märchenhaft aus im Abendlicht.




Erstmal müssen wir uns aber durch die engen, steilen Gassen quälen, die heute noch enger sind, da gerade Souq ist.
Frei stehen ist hier nicht nur nicht wirklich möglich, wir müssen es uns vorerst auch verkneifen, da wir die defekte Heizung durch den Heizlüfter ersetzen müssen, um nicht zu erfrieren. Und dazu brauchen wir Strom, den wir nur auf Campingplätzen bekommen.
Der Campingplatz von Chefchaouen liegt ganz oben über der Stadt neben der Jugendherberge. Die Stadt liegt uns sozusagen zu Füßen. Wir haben einen grandiosen Blick auf die Medina und die gegenüber liegenden Berge.

Leider regnet es den ganzen nächsten Tag immer wieder. Wir legen einen Sofatag ein. Aber dann, am Sonnabendmorgen – Sonne!
Es weht immernoch ein kalter Wind, aber es regnet nicht mehr und die Sonne wärmt nicht nur das Auto, sondern auch unser Gemüt.
Wir brechen auf, die Stadt zu erobern.
Und sie hält was ihr erster Anblick versprach. Viele Stufen steigen wir hinunter und hinauf und hinunter und hinauf.



Die Gassen sind eng und überall werden Teppiche und schöne Textilien, Lederwaren und Strickmützen angeboten. Chefchaouen ist berühmt für seine Webereien.
Bald haben wir genug bunten Stoff gesehen und werfen einen Blick in die eine oder andere Gasse, um die eine oder andere Ecke.






Viele Brunnen gibt es hier. Man sagt, in Chefchaouen herrsche nie Wassermangel. Deshalb wird sie auch „Brunnenstadt“ genannt.
Wir essen ein köstliches Couscos



und wandern die vielen blauen Stufen wieder hinauf zum Campingplatz.





Am nächsten Tag fahren wir weiter Richtung Tetouan. Wir wollen noch einmal ans Meer. Diesmal ans Mittelmeer.
Martil liegt etwa 8 Kilometer von Tetouan entfernt und hat sich von einem Fischerdorf zu einem modernen Seebad entwickelt.
Die im Reiseführer beschriebene Piste zum Campingplatz ist inzwischen eine betonierte Straße. Überall entstehen Apartmenthäuser. Der Campingplatz liegt inmitten von Baustellen.
Wir wandern die schön angelegte breite Strandpromenade entlang.
Hier werden wir die letzten Tage bis zu unserer Ausreise verbringen. Wie schnell die drei Monate vergangen sind, können wir kaum glauben. Ein bisschen Wehmut macht sich breit. Aber im Herbst kommen wir wieder!

Nun geht es erst mal nach Spanien.

Bis bald also,
Doris und Rüdiger

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