Ja,
liebe Freunde, gekommen sind wir bis Chefchaouen, der bezaubernden
„blauen Stadt“ am Rande des Rif-Gebirges.
Aber
bis dahin war die Fahrt tatsächlich ein Abenteuer.
Zunächst
fuhren wir weiter nach Norden
bis fast an die Küste des
Mittelmeeres. Hier gibt es einen Badeort, Al-Hoceima, der im Sommer
von wohlhabenden Marokkanern bevölkert wird, im Winter aber ziemlich
verlassen ist. Hier ist es kaum touristisch und wir waren für eine
sehr lange Strecke die einzigen Ausländer.
Vor
der Küste liegt eine kleine Felseninsel, Peňòn
de Alhucemas, die nach wie vor zu Spanien gehört.
Nachdem
wir einen Blick auf sie geworfen hatten, fuhren wir hinein ins
Rif-Gebirge. Die Straße geht hinauf bis auf 1600 m und bietet hinter
jeder Kehre neue, spektakuläre Aussichten.
Dieses
Gebirge ist völlig anders als die, die wir bisher durchfahren haben.
Grün, bewaldet, bis hinauf unter die Gipfel besiedelt und
bewirtschaftet. Die kargen Gebirge im Süden haben eine ganz eigene
Schönheit. Nun aber können sich unsere Augen nach der langen Zeit
an dem vielen Grün kaum satt sehen.
Die
Felder und Gärten sind üppig, es blühen sogar schon die ersten
Bäume, an den Rändern der Straße entdecken wir blühende Geranien
und Engelstrompeten in der Größe kleiner Bäume.
Nach
einer Weile ziehen dunkle Wolken auf. Wir fahren direkt hinein. Der
Nebel wird immer dicker. An der Straße finden wir einen Platz für
die Nacht.
Schlaf
finden wir allerdings nicht allzu viel. Der heftige Wind rüttelt am
Düdo, es prasselt aufs Dach.
Da
unsere Heizung nach wie vor streikt, mummeln wir uns dick ein. Im
Bett ist es warm.
Am
nächsten Morgen dann die Überraschung – was da prasselte war
Schnee. Die Welt um uns ist weiß.
Mit
unseren Allwetterreifen ist das zunächst kein Problem, auch wenn wir
uns das Überwintern in Marokko anders vorgestellt haben.
Durch
eine wunderschöne Winterlandschaft fahren wir also weiter Richtung
Westen. Hinter einer Kurve ist dann plötzlich alles vorbei. Hier
scheint keine Flocke gefallen zu sein. Ein paar Kilometer weiter
ändert sich das aber wieder. So geht es eine ganze Zeit, je nachdem
wie die Sonne die Straße erreicht hat, oder auch nicht.
Gerade
fahren wir wieder auf trockener Straße, da machen uns die Fahrer der
entgegenkommenden Autos Handzeichen. Vorsicht!
Ein
paar Kurven weiter sehen wir warum. Die Straße ist spiegelglatt.
Einige Fahrzeuge stehen schon mit durchdrehenden Reifen, auf Winter
scheint man hier nicht wirklich eingestellt zu sein. Wir halten
hinter einem alten Mercedes PKW. In diesem Moment kommt ein Stück
weiter vorn ein Mitsubishi Canter ins Rutschen. Kein Wunder, seine
Reifen haben kaum noch Profil. Er stellt sich quer und knallt mit dem
Rücklicht gegen eine glücklicherweise vorhandene Mauer. Dahinter
geht es ziemlich steil bergab.
Aus
dem PKW vor uns steigen 7 junge Männer. Unglaublich, wie viele
Menschen hier in ein Auto passen ist für uns immer wieder ein Grund
zum staunen.
Sie
schliddern auf der blanken Fahrbahn zu dem LKW. Hinter uns hat
inzwischen ein Bus gehalten. Auch aus ihm strömen Männer zu dem
querstehenden Laster. Fotos werden gemacht, gestikuliert, diskutiert,
gelacht. Auch in der Gegenrichtung hat sich mittlerweile eine
Schlange aus Fahrzeugen gebildet, aus denen Männer steigen, um die
Situation zu begutachten.
Das
Ganze entwickelt sich binnen 10 Minuten zu einer Art Volksfest.
Wir
richten uns schon auf einen längeren Stopp ein, da kommt die Rettung
in Gestalt eines Schneepfluges, auf seiner Ladefläche eine Fuhre
Sand, ein paar Säcke Salz und ein junger Mann mit einer Schaufel.
Großzügig wirft er das Streugut mit seiner Schaufel auf die glatte
Fahrbahn, der Laster kann in Position geschoben werden, alle
verteilen sich wieder in ihre Fahrzeuge, der Stau löst sich auf.
Bereits zwei Kurven weiter ist kein Schnee weit und breit zu sehen.
Eigentlich
würden wir gern den einen oder anderen Halt einlegen um Fotos von
dieser traumhaften Landschaft zu machen. Was uns daran hindert sind
die zahlreichen Männer, die am Straßenrand stehen und die Geste des
Rauchens machen. Haschischhändler.
Konsum,
Besitz und Handel von Drogen sind in Marokko verboten. Wer erwischt
wird, dem drohen lange Haftstrafen.
Es
ist allgemein bekannt, dass hier im Rif-Gebirge ein großer Teil des
im Umlauf befindlichen Cannabis angebaut wird.
Hanf
ist häufig die einzige, sicherlich aber die lukrativste
Einnahmequelle der armen Bergbauern. Und da die Rif-Kabylen schon
immer aufsässig gegen die Regierung waren, unternimmt der Staat
wenig gegen die Hanfpflanzer, um sich in diesem Gebiet die Ruhe zu
sichern. Andererseits will sich Marokko nicht den Ärger der
westlichen Partner USA und Europa einhandeln und bestraft deshalb
jeden Besitz und Handel mit Drogen. Ein Fonds der UNO soll dazu
beitragen, den Bauern Alternativen anzubieten. Er bietet Beratung,
Unterstützung und Finanzhilfe zur Anpflanzung von Obstbäumen,
Getreide und zur Viehhaltung.
Das
ist sicher ein langer Prozess. Und so wird immer wieder in allen
Reiseführern davor gewarnt, hier anzuhalten. Auch wenn man kein
Haschisch kauft, sind nach wie vor Geschichten im Umlauf von heimlich
unter den Autos angebrachten Päckchen, die im schlimmsten Fall der
Drogenhund an der Grenze zu Spanien entdeckt.
Also
schütteln wir mit einem freundlichen Lächeln nur den Kopf, was ein
fröhliches Winken der Dealer zur Folge hat. Niemand ist hier
aggressiv. Etwas nervig sind die Mercedes', die uns manchmal ein
Stück hinterher fahren und zum Anhalten animieren wollen, aber auch
die kehren um, wenn sie merken, dass wir auf ihr Angebot nicht
eingehen.
So
fahren wir also ohne Stopp durch diesen herrliche Berglandschaft, die
ein enormes Potential als Wandergebiet hat. Soweit wir mitbekommen,
sind auch erste zarte Anfänge in dieser Richtung im Gange. Das wäre
doch für so manchen eine Alternative zum Hanfanbau.
Unterwegs
entdecken wir einige Stauseen, die es auf unserer alten Karte noch
nicht gibt. An einem weiteren wird gebaut. Der Fluß Taza und einige
seiner Seitenarme werden hier angestaut.
Von
diesem Stauseenprojekt haben wir gelesen. Noch immer muss Marokko 80%
seines Energiebedarfs durch Importe decken. Durch die Stauseen soll
mehr Energie produziert werden. Uns ist von Anfang an aufgefallen,
dass auf manchem, noch so marode wirkenden Haus ein Solarpaneel
installiert ist. Auch das warme Wasser zum Duschen wird auf vielen
Campingplätzen vor allem im Süden so erzeugt.
Rings
um die Seen kündigt sich der Frühling an. Es wird überall
gepflügt, gehackt und gesät. Die Pflüge sind aus Holz und werden
von Pferden oder Maultieren gezogen. Viele Bäume blühen schon.
Hinter
Bab-Taza geht es stetig bergab. Und dann, hinter einer langen Kurve
liegt sie plötzlich vor uns, die blaue Stadt. An die Flanke eines
Berges gebaut, in Weiß und Blau sieht sie geradezu märchenhaft aus
im Abendlicht.
Erstmal
müssen wir uns aber durch die engen, steilen Gassen quälen, die
heute noch enger sind, da gerade Souq ist.
Frei
stehen ist hier nicht nur nicht wirklich möglich, wir müssen es uns
vorerst auch verkneifen, da wir die defekte Heizung durch den
Heizlüfter ersetzen müssen, um nicht zu erfrieren. Und dazu
brauchen wir Strom, den wir nur auf Campingplätzen bekommen.
Der
Campingplatz von Chefchaouen liegt ganz oben über der Stadt neben
der Jugendherberge. Die Stadt liegt uns sozusagen zu Füßen. Wir
haben einen grandiosen Blick auf die Medina und die gegenüber
liegenden Berge.
Leider
regnet es den ganzen nächsten Tag immer wieder. Wir legen einen
Sofatag ein. Aber dann, am Sonnabendmorgen – Sonne!
Es
weht immernoch ein kalter Wind, aber es regnet nicht mehr und die
Sonne wärmt nicht nur das Auto, sondern auch unser Gemüt.
Wir
brechen auf, die Stadt zu erobern.
Und
sie hält was ihr erster Anblick versprach. Viele Stufen steigen wir
hinunter und hinauf und hinunter und hinauf.
Die
Gassen sind eng und überall werden Teppiche und schöne Textilien,
Lederwaren und Strickmützen angeboten. Chefchaouen ist berühmt für
seine Webereien.
Bald
haben wir genug bunten Stoff gesehen und werfen einen Blick in die
eine oder andere Gasse, um die eine oder andere Ecke.
Viele
Brunnen gibt es hier. Man sagt, in Chefchaouen herrsche nie
Wassermangel. Deshalb wird sie auch „Brunnenstadt“ genannt.
Wir
essen ein köstliches Couscos
und
wandern die vielen blauen Stufen wieder hinauf zum Campingplatz.
Am
nächsten Tag fahren wir weiter Richtung Tetouan. Wir wollen noch
einmal ans Meer. Diesmal ans Mittelmeer.
Martil
liegt etwa 8 Kilometer von Tetouan entfernt und hat sich von einem
Fischerdorf zu einem modernen Seebad entwickelt.
Die
im Reiseführer beschriebene Piste zum Campingplatz ist inzwischen
eine betonierte Straße. Überall entstehen Apartmenthäuser. Der
Campingplatz liegt inmitten von Baustellen.
Wir
wandern die schön angelegte breite Strandpromenade entlang.
Hier
werden wir die letzten Tage bis zu unserer Ausreise verbringen. Wie
schnell die drei Monate vergangen sind, können wir kaum glauben. Ein
bisschen Wehmut macht sich breit. Aber im Herbst kommen wir wieder!
Nun
geht es erst mal nach Spanien.
Bis
bald also,
Doris
und Rüdiger
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