Samstag, 3. August 2024

Stadtbad reloaded

 



Da haben wir also einen ganzen Sommer vor uns, mit all seinen Möglichkeiten. Es gilt sich zu entscheiden, um nicht in den gern zitierten Freizeitstress zu verfallen. Zwischen die Bedürfnisse müssen auch noch einige Notwendigkeiten eingefügt werden. Manches kann man miteinander verbinden. So zum Beispiel einen Besuch bei unseren Freunden in Paderborn mit dem uns vertraglich zustehenden ersten Aufbaucheck des Campers in Döbeln.

An einem Sonnabend machen wir uns auf nach Nordrhein-Westfalen. Trotz der in einigen Bundesländern beginnenden Ferien kommen wir ohne Stau voran und verbringen ein schönes Wochenende mit Tina und Willi.





Auch zurück nach Osten geht es reibungslos. Harvey wird bei der Firma Sachsencaravan abgegeben, der Werkstattmeister hat zuvor eine Liste mit den kleinen Reparaturen bekommen, die noch unter die Garantie fallen. Wir schlendern derweil durch Döbeln.





Noch am Vormittag kommt der Anruf: fertig. Nun ja. Wirklich repariert wurde nur eine Stelle, die anderen waren „schwer zu erreichen“, „zu kompliziert“, für die Dichtigkeitsprüfung dürfen wir trotzdem 150€ bezahlen. Das hätten wir uns also komplett sparen können.

Schauen wir auf erfreulichere Termine, wie mein Klassentreffen. Eine von meinen ehemaligen Mitschülerinnen lebt im Ruhrpott und organisiert, wenn sie nach Berlin kommt, immer ein Treffen. In der Regel sind wir zu diesen „kleinen“ Treffen maximal 10 – 12 Leute, so auch diesmal.





In diesem Jahr habe ich von Rüdiger ein Geburtstagsgeschenk schon im Voraus bekommen, dem Termin des Events geschuldet. Das findet in Rheinsberg statt. Einem Ort, den ich automatisch mit Kurt Tucholsky verbinde, denn ich liebe seinen kleinen Roman gleichen namens sehr.

Im dortigen Heckentheater, das der kunstsinnige Prinz Heinrich zur Aufführung von Opern, Konzerten und Theaterstücken erbauen ließ, gibt es eine ganz besondere Open Air Kinoaufführung in zwei Teilen. Der monumentale Stummfilm „Raub der Helena“ und „Der Untergang Trojas“ aus dem Jahre 1924 wird begleitet vom Residenzensemble „Kymatic“ mit eigens dafür komponierter Musik. Damals war dieser Zweiteiler das, was wir heute einen Blockbuster nennen.

Bevor wir den ersten Teil sehen, spazieren wir durch den Park um das Schloss herum auf den Spuren von Claire und Wölfchen sozusagen.








Das Heckentheater ist nicht ausverkauft, so ein Stummfilm ist wohl heute kein Blockbuster mehr. Jeder Teil ist 100 Minuten lang. Auf was wir uns da wohl eingelassen haben? Aber er ist tatsächlich spannend. Die dramatischen Gesten sind, von heute aus gesehen, gewöhnungsbedürftig, auch die Kostüme grenzen mitunter ans Komische, aber wenn man die damaligen Möglichkeiten berücksichtigt ist es ein Meisterwerk.










Im Publikum entdecke ich den Kino-King Knut Elstermann, den Star-Kritiker vom RBB.



Und wieder lassen sich zwei Dinge miteinander verbinden. Lychen liegt nicht weit von Rheinsberg und so besuchen wir ein weiteres Mal unseren Sohn und Familie.

Zwischen den beiden Filmvorführungen am Freitag und am Sonntag, vergnügen wir uns mit den Enkeln, bzw. betätigen uns als Bauhelfer.






Am Sonnabend gibt es in Fürstenberg ein Wasserfest, für kleine Jungs eine aufregende Sache. „Mit welchem Karussell fahre ich? Welche Leckerei suche ich mir aus?“ Keine leichten Entscheidungen mit Drei, Fünf und Sieben.










Auf jeden Fall haben alle Spaß.

Am Sonntag dann der zweite Teil unseres Stummfilms.









Von Rheinsberg fahren wir auf fast leeren Straßen nach Berlin zurück, denn zeitgleich spielen England und Spanien um den Europameistertitel im Fußball. Das Ergebnis ist Geschichte.



Auch mein Geburtstag wird ein besonderer Tag. Nochmal Kino für einen Filmfan wie mich. Diesmal geht’s ins B-Ware Ladenkino. Die Kinosäle sind winzig, wie es sich für ein „Flohkino“, wie wir das früher nannten, gehört und daher gemütlich, so, wie das ganze Kino. 




Es ist gleichzeitig Videothek, Whisky-Bar und Kieztreff. Wir lassen uns an diesem Tag in unsere Jugend zurückversetzen mit „Born to be wild – eine Band namens Steppenwolf“.




Abgerundet wird der Tag mit einem Essen im „Masel Topf“, einem jüdisch-russischen Restaurant im Prenzlauer Berg.

Dann beginnen in Berlin die Ferien. Mit Enkel Niila eröffnen wir sie mit einem Picknick im Treptower Park und ein paar Runden Tischtennis.











In meiner Kindheit war das Eierhäuschen ein gut besuchter Biergarten.

Zuerst (um 1820) war es ein Lagerplatz für die Binnenschiffer an der Spree, 1837 kam eine Schifferkneipe dazu. Fontane behauptet, der Name käme daher, dass der Preis des jährlichen Ruderwettbewerbs aus einem Schock Eier bestand, eine andere Theorie besagt, dass der Wächter des Lagerplatzes nebenbei Eier an die Schiffer verkaufte. Wie auch immer, der Name blieb bis heute erhalten.

Nach einem Brand 1869 wurde es als Fachwerkbau neu errichtet, später umgebaut.



Als Ausflugslokal war es zu allen Zeiten sehr beliebt. Erst mit der Wende wurde es, zusammen mit dem Kulturpark geschlossen.

Seit 2014 wird es rekonstruiert. Das Lokal und der Biergarten sind fertig, der Rest noch in Arbeit.

Ich wollte mir das „neue Eierhäuschen“ schon lange mal anschauen, nun ist die Gelegenheit. Wir radeln also von der Insel der Jugend an der Spree entlang und da ist es.






Schön ist es geworden, auch wenn da, wo früher die Stühle auf der Wiese standen, nun Beton ist.



Das Wetter wechselt in diesem Sommer zwischen heftigem Regen und Hitze. Es wird Zeit, dass wir mal schauen, was unser Garten macht.

Üppiges Grün wuchert überall. Der Rasenmäher brummt zwei Tage lang, die paar Blumen müssen entkrautet, die Heckenrosen zurückgeschnitten werden.




Die Lerche steht schon reichlich schief, eine Firma legt sie fachgerecht um, den Rest erledigen wir selbst.









Nachdem das geschafft ist, düsen wir zurück nach Berlin.

Wieder erwartet uns eine besondere Veranstaltung im Stadtbad Lichtenberg.

Wo Rüdiger und ich als Kinder schwimmen gelernt haben, ist heute ein „lost place“.

Als Städtisches Volksbad wurde es am 2.2.1928 eröffnet. Damals war es noch nicht selbstverständlich, dass eine Wohnung in Berlin mit einem Bad ausgestattet war. Um den katastrophalen hygienischen Zuständen, vor allem der Arbeiterwohnungen, entgegenzuwirken, wurden öffentliche Bäder errichtet. Das Volksbad bot also nicht nur eine kleine und eine große Schwimmhalle, sondern auch Dusch- und Wannenbäder. Sogar ich habe das Wannenbad noch wöchentlich genutzt, als ich in den 1980er Jahren im Prenzlauer Berg ohne Bad wohnte.

Allerdings stand anscheinend zu wenig Geld für die Pflege und Wartung des schönen Stadtbades zur Verfügung. 1988 fiel die Lüftungstechnik aus und die große Schwimmhalle wurde geschlossen, 1991 setzte eine Havarie im Keller die gesamte Anlage unter Wasser. Der Bezirk hatte kein Geld für die Rekonstruktion und das war dann das Ende des Volksbades. Die Perspektiven liegen zwischen Abriss und kompletter Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes.

Ein Förderverein nahm sich des Objektes an und versucht das Haus zu retten, unter anderem mit Kunstinstallationen wie „Stadtbad reloaded“.

Mit über 100 Video Frames versuchen junge Künstler das alte Schwimmbad zu neuem Leben zu erwecken.













Wir streifen durch die Gänge, über Treppen und Galerien und erinnern uns...












Die Videoinstallationen, begleitet von der Filmmusik aus „Interstellar“ von Hans Zimmer, geben den maroden Räumen eine ganz eigene Atmosphäre.






Wir sind fasziniert und berührt. Ein unvergesslicher Abend.






All das müssen wir nun erst einmal setzen lassen, bevor wir uns aufmachen zum alljährlichen Rockfestival in Thüringen, aber davon berichten wir beim nächsten Mal.


Bis bald also

Doris und Rüdiger






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