Dienstag, 6. Dezember 2016

Atlantik

...Ich freue mich, dass ich mich an das Schöne
und an das Wunder niemals ganz gewöhne.
Dass alles so erstaunlich bleibt, und neu!

Ich freue mich, dass ich... dass ich mich freu.

Mascha Kaléko



Dort wo das Qued Chbika ins Meer mündet, etwa 55 Kilometer hinter El Ouatia, gibt es eingroßes, festes Plateau. Ein einzelnes Wohnmobil steht schon dort. 

 



Wir schlagen ein Stück weit weg unser Lager auf, etwa einen Kilometer von der Straße entfernt.
Auf einem etwas erhöhten, kleineren Plateau am anderen Flussufer befindet sich ein Militärposten. Ein Haus, ein Zelt, ein Wassertank, 4 Soldaten.



Am Strand stehen ein paar Fischerhütten, leer. Es ist wohl keine Saison.
Nur zwei Männer, die in einer Hütte im Oued unterhalb unseres Platzes kampieren, gehen jeden Morgen mit ihren langen Angeln zum Strand. Auch die Soldaten vertreiben sich tagsüber die Zeit mit angeln. Und unser französischer Nachbar, ein knorriger alter Herr, der uns nur mit einem Kopfnicken zur Kenntnis nimmt. Seine Frau, ebenso knorrig, aber etwas gesprächiger, erzählt, die Beiden stehen seit zwei Monaten hier. Einmal wöchentlich fahren sie nach El Ouatia, ihre Vorräte und Wasser auffüllen, ansonsten geht Monsieur angeln und sie essen viel Fisch, Muscheln, Krebse.
Drei Kinder haben sie und fünf Enkel, aber die haben ihr eigenes Leben und so sind sie sechs Monate im Jahr hier. Die Beiden sind bestimmt an die 80.

Als die Sonne tiefer sinkt, kommt vom Militärposten ein Quad herüber gefahren mit zwei Soldaten. Sie begrüßen uns freundlich, fragen nach woher und wohin und ob wir hier übernachten wollen. Wir bejahen und sie bitten um unsere Pässe, notieren unsere Daten und das Kennzeichen vom Düdo. Wegen der Sicherheit. Rüdiger bewundert das Quad, wir plaudern ein wenig, lachen viel, dann wünschen sie uns eine angenehme Nachtruhe. Winkend fahren sie zurück zu ihrem Lager.

Es wird mir nie langweilig, zuzuschauen, wie die Wellen sich aufbauen, wie dann aus ihrem Kamm die Schaumkronen hervor brechen, um dann an den Strand zu rollen und dort zu vergehen. Dieser immer wiederkehrende Kreislauf hat etwas Beruhigendes, ja Meditatives.



So verlaufen die Tage entspannt. Wir machen Strandspaziergänge, laufen ein Stück im trockenen Flussbett entlang, sitzen in der Sonne, lesen, schauen aufs Wasser. 


 
Außer dem Militärposten, dem französischen Paar und den beiden Fischern ist hier weit und breit keine Menschenseele. Der Kontrollposten an der Straße ist etwa 10 Kilometer entfernt, der nächste Ort ist El Ouatia.
Ansonsten nur „Wind, Sand und Sterne“.









Tarfaya
150 Kilometer sind wir an der Steilküste entlang, durch ein Dünengebiet und an einem riesigen Salzsee entlang gefahren. Nun sind wir hier.

Bereits unter den Franzosen war Tarfaya ein wichtiger Posten. Es gab... die Postfliegerstation des französischen Militärs, von der aus Briefe in die westafrikanischen Kolonien geflogen wurden.
Der berühmte Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry war hier 1927-1929 als Postkurierflieger stationiert. Hier holte er sich die Ispiration für einige seiner wichtigsten Bücher wie „Wind, Sand und Sterne“, „Der kleine Prinz“ und „Stadt in der Wüste“... Man kann noch die Kolonialfassade der französischen Kaserne... bewundern. Ein kleines Dankmal soll an den berühmten Flieger erinnern. Ein...Metallflugzeug am Strand gegenüber der Kaserne.

So der Reiseführer. Nun stehen wir hier, direkt neben dem Denkmal.




Und verstehen, was Saint-Exupéry inspiriert hat.

Heute ist Tarfaya immer noch ein kleiner Ort am Ende der Welt. Es gibt eine schöne Strandpromenade, ein paar Läden und Restaurants, eine weitere, moderne Kaserne und nach wie vor den wunderschönen Strand.
Hier trifft sich am frühen Abend die Jugend. Die Jungs spielen Fußball und toben in den Wellen, die Mädchen sitzen auf der Mauer und schauen ihnen zu. Sie sind in Grüppchen unterwegs, kichernd und singend.

Es gibt noch ein zweites historisches Bauwerk.

Mit Ausweitung der Handelsniederlassungen und der Dominanz der europäischen Mächte in Marokko gelangte der schottische Händler McKenzie in die Region und errichtete in Tarfaya das Casa Mar, eine Burg im Meer, die als Handelslager diente. Zucker, Munition, Waffen und Gold wurde über dieses Zwischenlager transportiert, bis Sultan Hassan I. dem Treiben ein Ende setzte.“

Die Reste dieser Burg stehen unweit vom Strand. Wir können sie von unserem Heckfenster aus sehen, vom Meer umspült.



Abends essen wir an den kleinen Garküchen in der Hauptstraße. Lecker Fisch. Was sonst. 



Oben gibt es Fischragout mit Gemüse im Brot,
unten Sardinenfrikadellen. 


 Nach drei Tagen sind unsere Kapazitäten erschöpft, wir brauchen Wasser und eine richtig heiße Dusche.
Also fahren wir zurück nach El Ouatia. Das sind nur etwa 170 Kilometer, wir machen also eine längere Mittagspause an der beeindruckenden Steilküste.




In halsbrecherischer Position haben hier die Fischer ihren Unterschlupf. Eine Höhle in der Steilwand.




Dann sind wir zurück auf dem Campingplatz Equinox. Wir werden sehr freundlich empfangen, Rachid und sein Patron freuen sich, dass wir zurück sind. Die Beiden sind überhaupt unschlagbar in ihrer Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Rachid erklärt die Waschmaschine (eine völlig andere Technik als bei uns), er hilft uns, unser Smartphone-Guthaben zu erneuern und als am nächsten Morgen die Fischer kommen und den Fang der Nacht feilbieten, sucht er mit uns einen schönen Fisch aus und bereitet ihn für uns zu. 




Er hilft Rüdiger die arabischen Vokabeln in seinem Lehrbuch richtig auszusprechen, dafür bekommt er von uns Deutschunterricht und unsere ausgelesenen Bücher für seine Tauschbibliothek.
Wir erfahren, dass das (noch) brachliegende Land rings um den Platz von reichen Scheichs aus Dubai aufgekauft wurde. Ein zweites Agadir soll hier entstehen mit Yachthafen und Hotelanlagen. Die Beiden sind der Meinung, das sei gut für El Ouatia. Es gibt hier sonst keine Arbeit für die, weil weit und breit nichts ist ausser den Fischereihäfen und da sind die Arbeitsplätze begrenzt. Auch die Restaurants und kleinen Läden ernähren nicht viele Leute. Hoffen wir, dass ihre Zukunftsträume in Erfüllung gehen und nicht zu Albträumen werden.

Heute ist Nikolaustag. Wir wünschen Euch allen volle Stiefel! Hier scheint die Sonne, ein leichter Wind weht. Wir genießen es.

Bis bald
Doris und Rüdiger

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