Freitag, 5. April 2024

Paulus von Tarsus

 


„Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.“

                           Paulus von Tarsus



Die D-400, eine der Staatsstraßen der Türkei, ist 2057 Kilometer lang. Sie beginnt in Datça, schlängelt sich immer an der Küste entlang, dann weiter parallel zur syrischen Grenze weit in den Osten und endet in Esendere an der iranischen Grenze.



Mal kommt sie als Schnellstraße daher, gleich einer Autobahn, mal als schmale Landstraße. Wir folgen ihr fast ununterbrochen seit Izmir. Auch als wir nun weiter nach Osten fahren, sind wir auf der D-400 unterwegs.

Es gilt zwei weitere Touristenmoloche zu durchqueren. Am schlimmsten ist Mersin, wir brauchen eine gute Stunde.

Nachdem wir das geschafft haben, biegen wir in ein schmales Sträßchen ab. Hoch oben über dem Meer in den Bergen treffen wir uns mit Udo. Er hat eine Ausgrabung gefunden, zu der nicht allzu viele Leute kommen, denn sie ist schwer zu erreichen.



Adamkayalar, das sind römische Familiengräber, datiert ins 2. bis 1. vorchristliche Jahrhundert, die in die Steilwand des Seytan Deresi (Teufelstal) hinein gebaut sind. Eine in den Fels gehauene, halsbrecherisch schmale Treppe führt dorthin. Udo ist ja ein durchtrainierter Mann, aber selbst ihm zittern die Knie nach dieser Tour, wie er sagt. Wir nehmen lieber Abstand von dieser Kletterpartie und begnügen uns mit Udos Fotos.







(Fotos made by Udo)

Trotzdem sind wir nicht umsonst dort hinauf gefahren. Oberhalb der Grabstätte stehen Ruinen von mehreren Gebäuden, Sarkophagen und einer Zisterne aus frühbyzantinischer Zeit. Nach einer sehr ruhigen Nacht klettern wir zwischen den Bögen und Gebäuderesten herum. 





Das müssen imposante Bauten gewesen sein. Zumindest hatten sie eine phantastische Aussicht.












Von einigen Stellen kann man in die Schlucht hinunterschauen.



Schön ist es hier oben, vor allem sehr friedlich. Aber wir wollen weiter.



Zurück also auf die D-400. Adana, die nächste große Stadt, ist relativ entspannt.



Die Burg bei Anamur lassen wir links liegen, die heben wir uns für den Rückweg auf.

Am frühen Abend landen wir in Nurdaği, kurz vor Gaziantep. Dort, wieder über dem Ort, gibt es ein Picknick-Areal. Liebevoll gestaltet mit Tieren aus Beton, durch niedrige Zäune abgeteilte Plätze, jeder mit einem gemauerten Grill. Auf dem Parkplatz haben wir eine wunderbare Aussicht.









Schon als wir Osmanye durchfuhren, ist uns eine Containersiedlung aufgefallen. Auch hier in Nurdaği entdecken wir so eine Siedlung am Ortsrand. Unser erster Gedanke ist „syrische Flüchtlinge“, aber dann wird klar, wir befinden uns schon in dem Gebiet, das vor einem Jahr von dem schrecklichen Erdbeben heimgesucht wurde. Das hatten wir schon wieder ganz vergessen, denn im Vorbeifahren sieht man die Schäden nur noch, wenn man danach sucht. Es ist unglaublich, was in diesem einen Jahr neu gebaut wurde.

Unten, im Ort lassen wir im neuen Einkaufszentrum unsere Telefonkarten aufladen. Es ist ein verwinkelter Flachbau, ganz neu.

Je weiter wir nach Osten kommen, umso kühler wird es. Schon seit Adana habe ich wieder eine Jacke an. In der Nacht beim Picknick-Areal fängt es an zu regnen und hört nicht wieder auf. In den Bergen hängen dicke, graue Wolken, die Temperaturen bewegen sich um 13° herum.





Wir befragen den Wetterbericht. Keine guten Aussichten. Im Osten der Türkei bleibt es vorläufig kalt und regnerisch. Was haben wir uns nur gedacht? Der Beschluss umzukehren muss nicht lange diskutiert werden. Bei aller Entdeckerfreude, kalten Winter hätten wir zu Hause auch haben können. Genau das wollten wir ja nicht.

Udo aber will weiter. Er will noch einiges anschauen, was wir schon auf unserer ersten Türkeireise im Sommer 2022 gesehen haben. Ein weiterer Abschied auf Zeit. Udo fährt gen Osten, wir düsen zurück nach Westen.

Der Verkehr in Adana ist am Montag doch aufregender als am Wochenende, aber Rüdiger bewältigt auch das souverän.



Unser Ziel ist Tarsus. Auch hier gibt es einen Stellplatz von der Gemeinde, schön gestaltet, gepflegt und direkt neben einem Wasserfall.

Man meldet sich auch hier an, sucht sich einen der großzügigen Plätze aus und wird gut bewacht.






Direkt neben dem Stellplatz befindet sich ein Restaurant mit Terrasse zu einem Wasserfall hinaus. Zur Zeit der Römer befand sich hier ein Friedhof. Nun fließt der Berdan, früher Kydnos, aus den Bergen über das Gelände und fällt aus vier bis fünf Metern Höhe über die Felsen hinunter.





Am nächsten Tag erkunden wir Tarsus. Bei dem Ortsnamen klingelte es in meinem Hinterkopf. Nach und nach formte sich ein Name: Paulus von Tarsus. Das war doch der, der vom Saulus zum Paulus wurde, oder? Der, der die ersten Christen mit viel Engagement verfolgt hat und dann, nach seiner Bekehrung, der wichtigste Missionar der frühen Kirche war, oder? Kann es sein, dass der wirklich hier geboren wurde? Ich recherchiere. Und es stimmt. Genau der Saulus/Paulus ist hier als Sohn einer jüdischen Familie mit römischem Bürgerrecht geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Tarsus, das damals etwa eine halbe Million Einwohner hatte. Als eifriger Verfolger der Christen, war er auf dem Weg nach Damaskus, wo unterwegs seine spektakuläre Bekehrung stattfand. Daraufhin wurde er zum eifrigsten Verkünder der damals neuen Religion. Während seiner Missionsreisen schrieb er Briefe an alle möglichen Völker, die später ein wesentlicher Teil der Bibel wurden.

Es gibt eine Kirche, die seinem Patronat unterstand. Sie ist die einzige erhaltene christliche Kirche der Stadt. Aufgeführt wird dieses Gebäude allerdings heute als „Denkmalmuseum St. Paul“. Viele andere Kirchen wurden zu Moscheen umgebaut.




Ein antiker Ziehbrunnen, der überdacht auf einem parkähnlichen Gelände steht, soll am Geburtshaus des Paulus gestanden haben. Leider ist das Gelände geschlossen. Fotos kann ich nur durch den Zaun machen.




Zufällig entdeckt wurde bei Bauarbeiten ein Stück einer alten römischen Straße, auch sie kann nur durch den Zaun fotografiert werden.





Wir streifen durch das historische Stadtzentrum, vorbei an den Häusern im traditionellen Baustil





und landen auf einem winzigen Platz. 




Neben der Touristeninformation, die auch geschlossen ist, befindet sich ein nettes Cafè. 



Der Besitzer lädt uns ein, einen Tee zu trinken, empfiehlt uns mehrere Sehenswürdigkeiten und gibt uns einen Stadtplan mit. Aber erst als wir bezahlen, erfahren wir, dass sich das Cafè im Geburtshaus eines berühmten türkischen Poeten befindet, der sein Leben als Bankdirektor verbracht hat. Ein alter Herr führt uns herum und zeigt uns die Räume.







Weiter geht’s. 







Der alte Basar bietet nur noch Touristisches feil



die alte Moschee steht unscheinbar mitten im Verkehr.



Noch eine biblische Figur taucht auf: Daniel. Der, der in der Löwengrube Standhaftigkeit und Treue zum Christentum bewies, soll hier begraben sein. Wir erfahren dass sich die Historiker einig sind, dass er als reale Person nie existiert hat, was der Heiligenverehrung aber keinen Abbruch tut.



Nach so viel Historie tun uns die Füße weh und wir haben Hunger. Wir finden ein Restaurant, ebenfalls in der Altstadt, volkstümlich und gut.




Dann machen wir uns auf den Rückweg. 




Etwa drei Kilometer sind es bis zum Stellplatz, die Straße ist befahren und staubig. Da streift plötzlich ein zauberhafter Duft meine Nase, wird intensiver, umfängt uns mit einer unglaublichen Süße. Was ist das? Ich schaue mich um und entdecke – Orangenblüten, an einem Baum zusammen mit einigen Früchten.




Sieben Nasen möchte man haben!

Ein Stück weiter entdecken wir einen Markt, kaufen Obst und Nüsse. Wir sind weit und breit die einzigen Ausländer. Um diese Jahreszeit kommen wohl nicht viele Touristen hierher, schon gar keine fremdländischen.

Zurück auf dem Stellplatz merken wir erst, wie geschafft wir sind. Die Sonne geht langsam unter, wir legen die Füße hoch und lassen den Tag Revue passieren. Schön war's in Tarsus.



Als wir am nächsten Tag die Stadt verlassen, kommen wir noch am „Tor der Kleopatra“ vorbei. Angeblich soll sie hier Marc Anton getroffen haben. Nun haben wir das auch noch gesehen.



Weiter geht es, wieder auf der D-400, gen Westen, zurück in die Wärme. Bei Silifke am Meer liegt die Hafenstadt Taşucu. Dort soll es im Hafen einen Parkplatz, auch für Wohnmobile geben.

Wir werden das ausprobieren und Euch berichten.


Bis bald also,

Doris und Rüdiger





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