Auf kurvenreicher Strecke fahren wir durch eine atemberaubende Landschaft zunächst auf den Puerto de la Ragua, den Pass auf 2000 Meter Höhe,
dann wieder etwas hinunter, um schließlich auf dem Parkplatz neben dem Friedhof von Mairena anzukommen, 1080 Meter über dem Meeresspiegel.
Unterwegs entdecken wir überall blühende Mandelbäume, es ist unglaublich!
Dort am Friedhof sind wir mit Debbie und Ben verabredet, dem jungen Paar, dass wir letzten Winter am Stausee bei El Torcal kennengelernt haben. Seit dem Frühjahr besitzen die Beiden hier oben eine Finca auf 1200 Meter Höhe.
Die Piste zu ihrem Grundstück ist voller Wasserrinnen, kurvig und uneben. Wir sollen beurteilen, ob wir unserem Auto das zutrauen. So fahren wir zunächst mit ihrem Auto hinauf , dann holt Rüdiger das WoMo nach, denn das schafft es, na klar.
Wir sind nicht die einzigen Gäste. Anika und Manuel sind auch mit ihrem Wohnmobil hier oben und Bens Vater Frank, ein Berliner Urgestein. Wir fühlen uns sofort heimisch und stellen uns auf eine der wenigen, einigermaßen ebenen Flächen.
Wir haben einen grandiosen Blick auf die Sierra Alpujarra, eine Gebirgsregion, deren westlicher Teil den Südhang der Sierra Nevada bildet.
Hier siedelten schon ab dem Jahr 711 Berber aus Nordafrika. Sie legten Terrassen an auf denen sie Felder bearbeiteten und installierten das ausgeklügelte Bewässerungssystem, das zu Teilen heute noch vorhanden ist und wieder benutzt wird. Im 11. Jahrhundert hatten sie La Alpujarra zu einem Zentrum der Seidenherstellung gemacht.
All das verfiel und erstarb mit der Rückeroberung durch die katholischen Könige, allen voran Phillip II. Die den Muslimen zugesicherte religiöse Toleranz blieb auf dem Papier, schon 1500 erhoben sich die zum Christentum gedrängten Muslime, die Morisken. Die Moriskenaufstände gingen in die Geschichte ein, halfen aber den verbliebenen Muslimen nichts. 1571 wurden die letzten ausgewiesen und Bauern aus Galicien, Asturien und Kastilien-Leon angesiedelt. Sie waren nicht in der Lage, die blühende Landwirtschaft und die Bewässerungssysteme weiter zu betreiben und so gerieten sie größtenteils in Vergessenheit und die Gegend sank zur Bedeutungslosigkeit herab.
Heute ist die Gegend ein Zentrum für ausländische Aussteiger und Hippies, die seit den 1968er Jahren hierher zogen. Der Hauptort dieser Szene ist Orgiva.
Am ersten Abend hier oben treffen wir uns alle am Feuer, essen und trinken zusammen und trotzen der kalten Nachtluft. Der Glühwein, den wir noch dabei haben, ist da ganz willkommen.
Für den Sonntag hat Debbie eine Wanderung zu einer 1000jährigen Kastanie vorgeschlagen. Sowas sieht man ja nicht alle Tage, also los.
Immer an den 900 Jahre alten Bewässerungsgräben entlang geht es, die wieder aktiviert und mit Beton verstärkt wurden.
Der Klimawandel bewirkt, dass es hier oben zu wenig Wasser gibt, also ist wieder ein Bewässerungssystem eingeführt worden, das über die Schleusen der Gräben reguliert wird.
Jetzt, im Winter, bekommen Debbie und Ben an drei Tagen in der Woche Wasser. Im Sommer nur alle zwei Wochen einen Tag. Das muss dann in Zisternen gesammelt und klug verteilt werden.
Wir wandern über Stock und Stein, bewundern immer wieder herrliche Ausblicke, machen die eine oder andere Pause
und erreichen schließlich den altehrwürdigen Baum.
Ein paar hundert Meter weiter gibt es einen Wasserfall zu sehen,
dann marschieren wir zurück, diesmal auf anderer Strecke, den breiten Sandweg entlang durchs Dorf und wieder hinauf auf die Finca.
Es war eine tolle Tour, ich bin froh, dabei gewesen zu sein, aber ich bin völlig platt. Nicht nur die lange Strecke (ca 10 Km) hinauf und hinab auf zum Teil schwierigen Wegen, sondern auch die Höhenluft haben das bewirkt.
Am Montag beginnt hier eine, wenn auch moderate, Arbeitswoche. Rüdiger ist froh, mal wieder richtig anpacken zu können und sucht sich als Projekt eine Steinmauer zur Verstärkung einer Terrassenstufe,
während Debbie und Ben Bäume pflanzen.
Zwischendurch kommt der Oberjäger mit einer Gabe, die uns alle erst einmal tief Luft holen lässt.
Er bringt etwas zum Abendessen: tiefgefrorene und frisch geschossene Drosseln.
Dazu bekommen Ben und Debbie eine Flasche Olivenöl aus der Ölmühle, unten in Mairena.
Das sei hier ganz normale Kost meint er, es würden auch massenhaft Wildschweine geschossen (wir hatten das am Vortag gehört), die aber nicht auf dem üblichen Speiseplan der Spanier stünden. Sie werden entsorgt. Nur wenige kämen in Restaurants.
Er erklärt dann noch genau, wie die Drosseln zuzubereiten seien und am Abend, im Licht des Vollmonds, versuchen wir es.
Zuerst natürlich rupfen, dann kocht man sie in Weißwein und Knoblauch, wenn sie weich sind, wird Olivenöl aufgegossen. So machen wir das dann auch.
Es schmeckt nicht schlecht, aber viel ist an den kleinen Vögeln nicht dran.
Wir sind uns einig, wir haben es probiert, aber öfter muss das keiner von uns haben.
Ben hat mir bei der ersten Führung erklärt, dass hier ein Mikroklima geschaffen werden soll, durch das Anpflanzen von Bäumen. Debbie fährt los, das Auto muss in die Werkstatt und es sollen Bäumchen gekauft werden. Wir übernehmen für zwei davon die Patenschaft – eine Kirsche und eine Walnuss.
Mittel- und langfristig wollen die Beiden hier Permakultur betreiben. Dafür muss noch viel urbar gemacht und die Terrassen neu fixiert werden.
Uns gefällt das Projekt sehr. Ich versuche meinen Beitrag zu leisten, indem ich mich an dem beteilige, was Debbie „Finca-Service“ nennt, Ich backe Kuchen und Brot, koche Eintopf.
Alle zwei Tage treibt morgens und abends ein Schäfer seine Herde an unserer Tür vorbei, ansonsten ist es hier einfach himmlisch ruhig.
Gegen Abend ziehen ziemlich regelmäßig Nebelbänke aus dem Tal herauf.
Die Sonnenuntergänge sind spektakulär.
Debbie hat einen Job in Almeria, sie verabschiedet sich Mitte der Woche von uns, Anika und Manuel brechen zu einer Klettertour auf, so sind wir zwei Tage ganz allein auf unserem Platz.
Die beiden Wohnwagen der Fincabesitzer stehen ein ganzes Stück weiter unten. Für mich ist es jedes Mal eine kleine Herausforderung, den Weg zu finden.
Ein letzter Abend am Feuer, ein letzter, dramatischer Sonnenuntergang.
Am Freitag machen wir uns dann auch auf den Weg.
Hier herauf zu fahren war nicht so schlimm, sagt Rüdiger. Wieder hinunter ins Dorf, das ist ein kleines Abenteuer.
Aber wir schaffen es ohne Zwischenfall und finden sogar einen Parkplatz am Dorfeingang. Wir wollen unbedingt noch zur Ölmühle und frisch gepresstes Olivenöl kaufen.
Ein netter Herr zeigt uns den Weg, wir werden hereingebeten und sehen, wie die Mühle arbeitet.
Wir bekommen zwei 5L Flaschen abgefüllt und der freundliche Ölmüller versichert auf meine Frage, das Öl würde mit Sicherheit zwei Jahre gut sein. Wir sind also vorläufig versorgt.
Dann düsen wir die imposanten Serpentinen hinab nach Tabernas,
wo wir uns das nächste Abenteuer gesucht haben. Ein organisiertes, eher touristisches, ja, aber das gehört auch ab und an dazu.
Was für ein Abenteuer das ist, erfahrt Ihr beim nächsten Mal.
Bis bald also
Doris und Rüdiger