Mittwoch, 10. August 2022

Balkan hopping




An unserem letzten Morgen in der Türkei verlassen wir zeitig den Platz. Man weiß ja nie, was einen an der Grenze erwartet. Immerhin reisen wir wieder in die EU ein, da kann die Zollkontrolle schon mal länger dauern. Wir haben uns an die Vorschriften gehalten, wollen kein Risiko eingehen, haben also keine Fleisch- und Milchprodukte an Bord. Aber niemand guckt in unser Auto, wir müssen nicht mal aussteigen. Weder auf der türkischen, noch auf der griechischen Seite. Die Türkei will vier Mal unseren Pass und die Fahrzeugpapiere sehen, zwei Mal werden wir gefragt, ob wir ein Motorrad dabei haben. Nachgesehen wird nicht.




Auf der griechischen Seite erreichen wir die erste Passkontrolle, machen uns für weitere Kontrollen bereit. Der freundliche Beamte gibt die Pässe zurück, lächelt uns an und winkt uns durch. Das war's. Wir sind schneller in der EU als gedacht.




In Griechenland besteht die Gegend zunächst, genau wie in der Türkei, aus weitläufigen Feldern. Keine Chance auf einen Übernachtungsplatz. Wir suchen aber nicht nur den, sondern auch einen Supermarkt. Wir brauchen zumindest Milch und Yoghurt. Der erste, dem wir begegnen ist ein Lidl. Willkommen in der EU und ihren Einheitswaren. Immerhin entdecken wir gleich gegenüber einen freien Strandparkplatz. Zwei WoMos stehen schon dort, wir stellen uns also auch dort auf.




Gegen Abend wird es noch einmal voll, nach Sonnenuntergang leert es sich und wir entdecken, dass wir zwischen zwei Strandbars stehen. Dort wird denn auch bis morgens um 6.00 Uhr mit lauter Musik gefeiert.

Gleich nach dem Morgenkaffee flüchten wir in die Berge. Irgendwie macht uns Griechenland nicht so richtig an. Wir merken, dass wir einfach etwas überfordert sind. Wir haben drei Monate lang ein neues Land, eine neue Kultur erkundet, viele Menschen getroffen, einige davon näher kennengelernt. Unendlich viele Eindrücke haben wir zu verarbeiten, da ist Griechenland einfach eins zu viel.





Wir steuern einen verlassenen Campingplatz an, stehen dort unter schönen Schattenbäumen, es gibt Wasser. Eigentlich perfekt. Bis eine Truppe junger Männer anrückt, die hier anscheinend einen Arbeitseinsatz machen. Super. Es wäre schade, wenn der Platz völlig verkommt. Aber dann stellen sie eine Lautsprecherbox auf und hämmernde Technorhythmen in Stadionlautstärke beschallen das Gelände. 





Mit Musik geht alles besser, ja, aber uns ist das zu heftig. Wir flüchten.

Glücklicherweise finden wir in den Bergen, unweit der bulgarischen Grenze, einen himmlisch ruhigen Platz am Lisse – Fort – Museum.





Es ist eine der Befestigungsanlagen der Metaxas – Linie aus dem zweiten Weltkrieg an der Grenze Griechenlands in Ostmazedonien. Im April 1941 wehrte sich hier die griechische Armee gegen die Invasion deutscher Truppen.





Festung und Museum liegen auf einer Anhöhe über dem Dorf Ochyro. Kein Mensch ist hier, das Museum ist geschlossen, lediglich die Außenanlagen kann man besichtigen.







Gegen Abend kommen einige wenige Autos hinauf gefahren, verschwinden aber alle sehr schnell wieder. So sind wir zwei Tage fast allein mit den Vögeln und Insekten und der phantastischen Aussicht.




An der bulgarischen Grenze gibt es wieder die Sache mit der Straßenmaut. Da unser WoMo mehr als 3,5 t wiegt, wird es als LKW eingestuft. Das bedeutet, wir bräuchten eigentlich eine Toll-Box, wie wir sie für Österreich und Polen bereits haben. Für uns kein Problem, aber die Bulgaren vergeben diese Boxen nur an LKW Transportfirmen. Wir als Privatleute bekommen sie nicht. Die Alternative ist eine Vignette für 24 Stunden, in denen wir auf einer vorher festgelegten Strecke das Land durchqueren müssen. Es gäbe eine App, die erlauben würde länger im Land zu bleiben, aber auch in dieser App müsste man jeden Tag aufs Neue eine Strecke festlegen, an die man sich dann auch halten muss. Es gelingt uns nicht, uns in diese App einzuloggen, also kaufen wir eine Vignette und geben eine Strecke an. Einer der Punkte auf dieser Strecke ist Melnik. Wenn wir schon hier durchheizen müssen, dann wollen wir wenigstens einen Abend und eine Nacht in unserem Lieblingsstädtchen verbringen.








Auf kleinen Straßen fahren wir bis Melnik, durch die Weinberge mit der speziellen, köstlichen melniker Traube







wandern durch den Ort








essen und trinken vorzüglich










und verbringen eine ruhige Nacht.

Bis zum nächsten Mittag müssen wir das Land verlassen. Der kürzeste Weg ist nach Nordmazedonien.



Auch dort ist der Grenzübertritt – wieder hinaus aus der EU – unkompliziert, problemlos und schnell.






Nordmazedonien macht uns vom ersten Moment an gute Laune.

Das einzige Problem ist, dass es an der Grenze weder eine Wechselstube noch einen Geldautomaten gibt. So müssen wir leider an den verführerischen Obst- und Gemüseständen vorbei fahren, die am Straßenrand locken.

Erst in Rese gelingt es uns, Denare zu beschaffen.

Wir haben bereits von Bulgarien aus den Camping Rino am Ohridsee kontaktiert und einen Platz reserviert. In Nordmazedonien sind wir ja wieder offline, da hier das EU Roaming nicht greift.

Unser Navi ist mal wieder im Offroad Modus und führt uns über ausgewaschene Feldwege, durch Tabakfelder auf kleine Landstraßen.







Zunächst müssen wir durch Struga, einen rummeligen, vollkommen überlaufenen Badeort fahren. Dann erreichen wir, etwas abseits vom Rummel, den Campingplatz in dem Dorf Kalishta. Mit einem starken Espresso und einem Schnaps werden wir begrüßt und herzlich willkommen geheißen.

Die erste Reihe ist selbstredend besetzt, aber in der zweiten Reihe ist ausreichend Platz für uns, nicht weiter als 30 m vom steinigen Strand entfernt.





Nur 50 m die Straße hinunter befindet sich das Campingrestaurant. Direkt am Wasser sitzt man hier, das Essen wird auf die Campingrechnung geschrieben, alles ist super organisiert.





Viele deutsche Vans sind auf dem Platz, dazu Holländer, Ungarn und Slowenen. Es ist einer der Touristenhotspots Nordmazedoniens.

Wir genießen ein paar Tage den Komfort von Dusche, Waschmaschine und Restaurant.

Rüdiger holt unser Boot heraus. Zunächst erkundet er den See allein, am nächsten Tag paddeln wir gemeinsam los. Es ist einfach wunderbar. Wir sind sozusagen allein auf dem See. Nur das Wassertaxi von Kalishta nach Ohrid kreuzt unseren Kurs.







Ab und zu lassen wir uns treiben. Plötzlich hebt sich ein kleiner, gelbgrüner Kopf aus dem glasklaren Wasser, wir halten den Atem an. Eine Wasserschlange. Ihr gelbweißer Leib schlängelt sich unter der Wasseroberfläche, der Kopf dreht sich nach allen Seiten. Wir sind ganz still, alber sie entdeckt uns und blitzschnell taucht sie unter.



An der Rezeption des Campings hängt ein Schild, das besagt, dass die Wasserschlangen ungiftig, ungefährlich und eher scheu sind. Was wir nun gemerkt haben.

Nach drei Tagen merken wir, es ist genug Campingplatz, genug Menschen drumrum, genug Lärm. Die Nächte hier sind momentan unruhig, der Chef hat uns erzählt, dass diesen Sommer alle Hochzeiten nachgeholt werden, die durch die Pandemie ausgefallen sind. Um den See herum befinden sich mehrere Lokalitäten, in denen bis um 2.00 nachts gefeiert wird zu lauter traditioneller Musik. Wir mögen die Balkanmugge durchaus, aber jede Nacht und in Stadionlautstärke ist denn doch ein bisschen zu viel.

Wir machen uns also wieder auf den Weg.











Nordmazedonien hat eine atemberaubende Landschaft, die uns an unsere Albanienreise vor einigen Jahren denken lässt. Kein Wunder, wir fahren ja parallel zur albanischen Grenze nordwärts.

Die Straße führt an zwei Stauseen entlang. Wir hatten gehofft, an einem von ihnen einen Platz für die Nacht zu finden. Die Parkplätze sind zum Teil sehr vermüllt oder einfach zu schmal.

Wir versuchen es an einem Restaurant unterhalb der Straße, aber dort winkt man sofort ab. Das Gelände wird gerade für eine Hochzeit vorbereitet.

Also weiter. Wir erreichen die Stadt Gostivar. Alles ist vollgeparkt, größere Parkplätze können wir nicht entdecken. Dafür einen Wegweiser mit der Aufschrift „Stadion“. Das war schon immer nicht die schlechteste Idee. Was wir finden ist ein großer Sportplatz, eingerahmt von leeren Plastikflaschen, davor eine große Wiese. Ein Van steht dort, die Familie hat sich auf dem zotteligen Gras niedergelassen und picknickt. Sie bedeutet uns, ruhig raufzufahren. Das sei in Ordnung.





Gegen Abend bevölkert sich der Fußballplatz. Jungen aller Altersstufen kommen oder werden gebracht und trainieren. Als die Sonne weg ist, werden die meisten abgeholt oder gehen in Gruppen nach Hause.

Ein Muezzin singt die Gebetsrufe, irgendwo läutet eine Glocke.

Die Berge ringsum werden zu grauen Silhouetten, auf der vorbeiführenden Straße rollt der Feierabendverkehr, von irgendwo klingt Musik herüber, auch hier werden wohl Hochzeiten gefeiert.

Am nächsten Morgen fahren wir schnurstracks zur Grenze. Eine lange Autoschlange erwartet uns, wir machen uns auf eine ebenso lange Wartezeit gefasst, aber es geht schneller als gedacht. Nach einer dreiviertel Stunde sind wir in Serbien.







Weite Hügelketten, sattes Grün und adrette Dörfer liegen am Weg. Anscheinend werden hier immernoch die Stoppelfelder abgebrannt. 




Fast 500 Km sind es an diesem Tag, bis wir das Etno Restaurant Brvnara bei Kraljevo erreichen. Wir ergattern einen Parkplatz und einen Tisch und lassen den anstrengenden Tag mit einer Grillplatte und einer Flasche Rosè ausklingen.






Der nächste Tag bringt noch einmal fast 500 Km, also düsen wir nach dem Morgenkaffee ohne Verzögerung los.                                 Bei einer kurzen PP an einem vermüllten Parkplatz raschelt es neben uns in einem großen Karton und dieser kleine Kerl schaut uns aus großen Hundeaugen an. Mitnehmen geht nicht, aber wenigstens eine Mahlzeit für diesen Tag können wir ihm geben.




Überall werden auch hier, wie schon in allen Ländern seit der Türkei, Melonen am Straßenrand angeboten. Sie sind süß und lecker, aber irgendwann haben wir genug davon.




Die Landschaft ist schön und abwechslungsreich, eigentlich gäbe es viel zu sehen, aber das verschieben wir aufs nächste Mal.








An der Grenze geht es auch diesmal schnell, auf beiden Seiten sind wir nach einem kurzen Blick in die Pässe und ins Wohnmobil durch.






Das Navi führt uns in Ungarn auf kurzem Weg nach Mohàc. Dort setzen wir mit der Fähre über die Donau.






Von hier sind es nur noch knappe  70 Km bis Pecs und zum dortigen Campingplatz.

Wir werden von der Besitzerin, einer 80 jährigen, fitten Dame empfangen. Freundlich aber bestimmt verkündet sie detaillierte Verhaltensregeln.Alle Einrichtungen sind etwas älter aber blitzsauber und gepflegt.

Unter hohen alten Kirsch- und Wallnussbäumen finden wir einen Platz.





Wir haben nach diesen zwei heftigen Fahrtagen immer noch das Gefühl zu rollen. Hier können wir ausruhen und das Gefühl verschwindet nach und nach.

Wieder fit für die nächste Etappe machen wir uns auf den Weg nach Sopron, der letzten Station in Ungarn. Schon im April, auf dem Hinweg, haben wir hier bei der Wohnmobilfirma übernachtet.

Es ist Spätsommer. In allen Ländern, die wir durchmessen haben lagen die Stoppelfelder in der Sonne, der Herbst verteilt vorsichtig erste zarte Farbtupfer. Das Licht wird weicher und unter der Hitze spürt man morgens und abends schon den kühlen Hauch. Der Herbst kündigt sich früh an in diesem Jahr.






Wir erreichen Sopron am späten Nachmittag, checken auf dem Stellplatz ein und laufen zu einem der empfohlenen Restaurants. Ein letztes Abschiedsessen – Abschied vom Balkan. Für dieses Mal.




Wir schlendern durch das gemütliche kleine Landstädtchen, dem man an jeder Ecke seine K. u. K. Vergangenheit ansieht.












Die Stadtmauer ist liebevoll restauriert, die Leute flanieren oder sitzen in den zahlreichen Cafès und Restaurants, hier kann man sich wohlfühlen.






Morgen verlassen wir auch Ungarn und damit den Balkan.  In zehn Tagen haben wir fünf Länder durchfahren. Es ist tatsächlich so, dass ich morgens aufwache und mich erstmal orientieren muss, wo wir sind. 

Die letzte Etappe liegt vor uns. 





Diese letzte Etappe wird das Sahnehäubchen dieser spannenden, wunderbaren Reise. Gerne nehmen wir Euch mit, wenn wir, zusammen mit Freunden, ganz besondere Tage erleben.


Bis bald also

Doris und Rüdiger


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